Kunst Haus Wien: Gregor Sailer macht das Ungesehene sichtbar
Er wandelt mit seiner Kamera auf Wegen, die noch kaum ein Mensch betreten hat - und diese fotografischen Expeditionen haben Gregor Sailer nun ins Kunst Haus Wien geführt. Orte ohne visuelle Geschichte sind hier in der ersten großen Retrospektive des aus Tirol stammenden Fotografen vereint. "Unseen Places" lautet entsprechend der Titel zur Zwischenbilanz eines Œuvres, das in knapp 200 Arbeiten praktisch ohne Menschen doch unendlich viel vom Menschen erzählt.
Der 1980 geborene Sailer schafft über Jahre hinweg Werkserien, die bei aller Unterschiedlichkeit des Fokus doch große Gemeinsamkeiten aufweisen: Er porträtiert menschenleere Örtlichkeiten, die vom Menschen geschaffen wurden, die weiten Teilen der Menschheit jedoch nicht zugänglich sind. In "Closed Cities" zeigt der Fotokünstler etwa jene Siedlungen auf dem Erdball, die sich von ihrer Außenwelt abschirmen - seien dies schwerbewachte Flüchtlingsstädte in der Westsahara oder Gated Communitys der Reichen in Argentinien.
Analoge Ausrüstung immer dabei
In "Subraum" lichtet Sailer jene Infrastrukturräumlichkeiten ab, die in modernen Gesellschaften das Getriebe am Laufen halten und doch von den wenigsten je betreten werden. Für die Werkgruppe "The Box" erschloss er sich die Zeitkapsel eines einstigen Nazi-Bergwerksstollen in Tirol, während in "The Potemkin Village" Fakestädte zum globalen Dorf zusammenfinden. Das betrifft chinesische Nachbauten europäischer Architektur ebenso wie militärische Übungsorte, die auf den Häuserkampf vorbereiten sollen - oder das vermeintliche Behübschen von Straßenzügen durch Fotoplanen als Vorbereitung auf einen Putin-Besuch.
Die jüngste Arbeit in diesem Œuvre von den Enden der Welt ist "The Polar Silk Road", für die Sailer mehrmals in die Arktis reiste. Mutmaßlich prophetisch gibt er hier einen Blick frei auf die ob tauender Eisdecken sukzessive zum Konfliktgebiet zwischen den Großmächten mutierende Polarregion, zeigt scheinbar isolierte Bauten im Eis, die als Pionierlager künftiger Entwicklungen dienen.
All diesen Serien gemein ist der Umstand, dass der stets mit analoger Ausrüstung arbeitende Sailer keine Menschen, sondern in beinahe kontemplativem Gestus Örtlichkeiten porträtiert. Es sind keine Aufnahmen, die sich leicht erschließen, sondern Kompositionen, die oftmals in ihrer Ästhetik weitere Ebenen verbergen. "Ich arbeite mit Störelementen, die das Bild zum Kippen bringen", umriss der Fotokünstler am Mittwoch bei der Präsentation seiner Schau das Konzept.
Sichtbare Spuren der Menschen
"Man sieht die ruhige, konzentrierte, statische Arbeitsweise", unterstrich auch Kuratorin Verena Kaspar-Eisert. Gerade in ihrer Nüchternheit offenbarten die Bilder die Künstlichkeit ihrer abgebildeten Objekte, lenkten den Blick auf deren Konstruktionscharakter.
"Es sind weniger die Menschen oder Landschaften, die Gregor Sailer interessieren, sondern die Architekturen, die Spuren der Menschen", freute sich Kunst-Haus-Neo-Chefin Gerlinde Riedl über die erste große Ausstellung, die unter ihrer Ägide eröffnet wird. Dass es Sailer auch um ökologische Themen wie schwindende Ressourcen und die Ausbeutung des Planeten durch den Menschen gehe, füge sich in die Neuausrichtung des Kunst Hauses. "Das sind alles Themen, die uns alle, auch hier im Kunst Haus, künftig stark beschäftigen werden", so Riedl: "Wir unterstreichen mit dieser Schau unseren Anspruch als Kunstort, der sich für gesellschaftspolitische Anliegen engagiert."