Ausstellungen Wien

"Jugend ohne Heimat": Jüdisches Museum widmet sich Kindertransporten

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Es war ein denkbar kurzes Zeitfenster, in dem jüdische Kinder zwischen Dezember 1938 und Kriegsausbruch im Herbst 1939 mit Kindertransporten ins Ausland fliehen konnten. Von 10.000 in Österreich angemeldeten Kindern schafften es nur 3.200. Das Jüdische Museum Wien zeichnet in der Schau "Jugend ohne Heimat" nun die Geschichten hinter den Zahlen im Museum Judenplatz nach. Beleuchtet werden die Schicksale auf beiden Seiten: den Geflüchteten wie den Gebliebenen.

Schicksal von Kindern und Jugendlichen

Eröffnet wird die Ausstellung, deren Titel an Ödön von Horváths "Jugend ohne Gott" angelehnt ist, 83 Jahre nach der Reichspogromnacht, an die Direktorin Danielle Spera im Rahmen der Presseführung erinnerte. "Spätestens damals war klar, dass die Gefahr groß ist und es gilt, bald wegzukommen", so Spera. Wie schwierig sich dieses Wegkommen für die Kinder und Jugendlichen gestaltete, zeigt bereits die erste Wand im Ausstellungsraum, die mit Faksimiles von diversen Formularen übersät ist. So mussten Eltern etwa bestätigen, dass ihre Kinder vollkommen gesund sind (sowohl geistig als auch körperlich), Bürgen mussten gefunden werden, auch, ob die Kinder in nicht-jüdischen Familien aufgenommen werden dürfen, musste angegeben werden.

Fotos, Tagebücher, Briefe

"Wir wollen in der Ausstellung nicht nur die Sicht der Kinder, sondern auch jene der Eltern und der Fürsorger darstellen", erläuterten die Kuratorinnen Sabine Bergler und Caitlin Gura-Redl. So findet sich in dem Raum neben zahlreichen Fotos, Tagebüchern oder Briefen auch ein Video-Interview mit der Sozialfürsorgerin Franziska Danneberg-Löw, die als Vertreterin der Israelischen Kultusgemeinde (IKG) dafür sorgte, dass so viele Kinder wie möglich die Transporte nach Großbritannien, Belgien, Frankreich, Schweden, in die Niederlande oder die USA erreichten. Dass ein Großteil auf Großbritannien entfiel, zeigt eine einfache Grafik mit Zugwaggons. Sie macht auch deutlich, wie viele Plätze nicht besetzt werden konnten.

Schicksalsportaits

Stellvertretend für die große Mehrheit der Daheimgebliebenen steht etwa das Schicksal von Leo Steiner (1923-1941), dessen Ausreise daran scheiterte, dass der potenzielle Bürge im August 1939 gerade auf Urlaub war. Trotz der Bestätigung der Dringlichkeit des Falles durch die IKG wurde Leon Steiner auf keine Liste gesetzt. 1941 wurde er mit seinen Eltern deportiert und bei einer Massenerschießung ermordet. Von seiner Geschichte zeugen Briefe und Fotografien, die für jene zahlreichen Fälle stehen, in denen die Kinder nicht gerettet werden konnten.

All jenen, die die Reise antreten konnten, ist der gegenüberliegende Raum gewidmet. Auch hier wird der Besucher wieder von einer Wand begrüßt, die diesmal mit Büchern gespickt ist. Es sind Aufzeichnungen und Lebenserinnerungen von Überlebenden, die in ihrer neuen Heimat oftmals entwurzelt zurückblieben. Als prominente Beispiele widmen sich die Kuratorinnen in Schaukästen etwa den Zwillingsschwestern Helga und Ilse Aichinger, von denen nur die Schwester Helga einen Platz bekam, während Ilse in Wien bleiben musste und ihre Erfahrungen später als mahnende Schriftstellerin verarbeitete. Auch das Schicksal von Otto Tausig (1922-2011), dessen britischer Bürge sich als Pädophiler entpuppte, vor dem der Bub flüchten musste, wird beleuchtet.

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Auseinandersetzung im Museum am Judenplatz

Von der Auseinandersetzung mit den Kindertransporten, die erst Ende der 1980er im Zuge der Waldheim-Affäre wirklich auf breiter Basis stattfand, zeugt auch ein Zeitungsartikel, den Lore Segal 1964 im "New Yorker" veröffentlichte. In Folge erreichten sie zahlreiche Leserbriefe von "Kindern", denen erst durch diesen Text bewusst wurde, dass sie Teil eines kollektiven Erlebnisses waren.

Ein Großteil der Exponate wurde dem Museum als Leihgaben von Überlebenden zur Verfügung gestellt, ein Teil davon soll in die Sammlung übergehen. Begleitet wird die Ausstellung von einem umfassenden zweisprachigen Katalog, der zu einer weiteren Auseinandersetzung anregt.