"Das Tier in dir": Herbstschau im Mumok zum 60-Jahres-Jubiläum
"In der wechselseitigen Positionierung von Betracher*in und 'Exponat' steht das Vertraut-Zivilisierte dem Fremd-Barbarischen gegenüber", erläuterte Kuratorin Manuela Ammer ihren Ansatz, den sie gemeinsam mit Ulrike Müller verfolgt, am Dienstag bei der Presseführung. Und so werden in der Schau, die auch zahlreiche Leihgaben versammelt, Themen wie Sexualität, Hunger oder Familienbeziehungen genauso verhandelt wie Sozialisierung und Domestizierung. "Wer führt wen an der Leine? Wer gibt wem einen Namen?", lauten zwei der Fragen, die sich beim Rundgang immer wieder stellen.
Nicht fehlen darf hier natürlich VALIE EXPORT mit einer Fotografie aus ihrer "Mappe der Hundigkeit" mit Peter Weibel an der Hundeleine. Von Georg Baselitz zeigt man das blutrote Gemälde "Hockender Hund", das ebenfalls aus dem Jahr 1968 stammt. Tiere abgebildet hat auch Maria Lassnig, in diesem Fall einen Tiger in Öl auf Leinwand unter dem Titel "Mit einem Tiger schlafen". An der Natur orientiert hat sich auch Pino Pascali mit einer überdimensionalen Blauen Witwe aus Plüsch, die die Besucher im Erdgeschoß empfängt. Apropos Plüsch: Von Daniel Spoerri stammt "Der Kinderkäfig von Natalie" - ein senkrecht an der Wand hängender Laufstall mit Kuscheltieren und Spielzeug.
Unter die Haut geht der tätowierte Papagei auf einem Foto des französischen Künstlers Philippe Perrin, Linda Christanell hat 1975 eine "Penisschwalbe mit gepolstertem Flügel" gezeichnet. Von einem Zebrakopf versteckt wird das Geschlechtsteil wiederum bei Christian Ludwig Attersee, dessen Fotoserie "Zebranähe" aus dem Jahr 1972 zu sehen ist. Einen "Schamlosen Schmetterling" schuf Renate Bertlmann im Jahr 1985.
Erst durch eine Gegenüberstellung konnotieren die Kuratorinnen zwei Werke von Cagnaccio di San Pietro neu und zeigen ein Stillleben von einem gedeckten Esstisch neben einem Gemälde eines nackten Paares mit dem Titel "Zoologia", in dem die Frau wie zum Verzehr angerichtet unter dem Mann liegt. Um das Essen geht es auch bei Ingeborg Strobl, die ein "Hufservice" aus Keramik geschaffen hat. Direkter mit dem Tierleid beschäftigt sich unterdessen eine Fotoserie aus dem Schlachthof von Madame d'Ora, während sich der "Kampf gegen die Moskitos" des kongolesischen Künstlers Chéri Samba wesentlich magenschonender präsentiert.
mumok-Direktorin Karola Kraus freute sich anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums der Sammlung, die 1962 erstmals im damaligen 20er Haus präsentiert wurde, über einen erneuten Zuwachs: So schenkte Gerhard Rühm dem Haus den Kern seines bildnerischen Vorlasses, der 1.500 Werke aus sechs Jahrzehnten umfasst. Dieter und Gertraud Bogner überließen dem mumok anlässlich des 80. Geburtstags des Sammlers zentrale Arbeiten konkreter, medienbasierter und konzeptueller Kunst. Somit sei die Sammlung nunmehr auf über 20.000 Werke angewachsen, so Kraus. "Die mumok-Sammlung ist eine Ressource, aus der wir schöpfen können, um sie im gesellschaftspolitischen Kontext immer wieder neu zu befragen." Diesmal eben vor der Folie des Tierischen.