Weltmuseum: Vielschichtige Suche abseits der Seidenstraße
Die mythenumwobenen Seidenstraßen, die China mit Europa und anderen Gegenden verbanden, sind wohl vielen ein Begriff. Einst wandelten Händler wie Marco Polo auf ihnen und brachten fantasieanregende Erzählungen mit. Heute ist eher das von China geplante Infrastrukturnetz "Neue Seidenstraße" Thema. Die Ausstellung "Staub & Seide. Steppen- und Seidenstraßen" im Weltmuseum Wien verbindet diese Zeitebenen und fokussiert dabei auf Zwischenräume. Zu sehen ist sie ab 16. Dezember.
Die Verbindung von China und Europa sei ein wichtiges Thema unserer Zeit. "Dabei vergisst man aber gerne, dass fast ein ganzer Kontinent dazwischen liegt", meinte Jonathan Fine, Direktor des Weltmuseums Wien, bei einer Presseführung am Montag. Daher rücke man diesen "Zwischenraum" und dessen Stimmen ins Rampenlicht. Kuratorin Maria-Katharina Lang hat sich dafür mit dem künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekt "Dispersed & Connected", das die Basis der Schau darstellt, auf die "Seitenstraßen der Seidenstraßen" begeben. Bis Herbst 2019 betrieb sie mit einem transdisziplinären Projektteam Feldforschung, durchwühlte Museen und arbeitete mit Künstlerinnen und Künstlern in Asien und Europa zusammen.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Ausstellung "Staub & Seide" umfasst über 200 historische Objekte, Kunstwerke und Fotografien - teils aus der Sammlung des Weltmuseums, teils Leihgaben aus nationalen und internationalen Museen und Sammlungen. Sie werden auf abwechslungsreiche Art aktuellen künstlerischen Perspektiven und Forschungsdokumentationen gegenübergestellt. Dabei wird auf keine chronologische Erzählung gesetzt. Die Ausstellung sei viel mehr als "fragmentarische Erzählung oder Essay" zu sehen, erklärte Lang. "So wie es nicht eine Seidenstraße gab, gibt es auch nicht den einen Weg durch die Ausstellung."
10.000 Kilometer Fahrt
Freilich muss man die Ausstellung erstmal betreten, und dabei wird man sogleich von einer auf mehreren Leinwänden festgehaltenen Filmspur von Paul Kollings ("Break of Gauge") empfangen. Sie zeichnet eine Frachtlieferung über 16 Tage hinweg und auf über 10.000 Kilometer von China nach Hamburg nach. Gegenüber findet sich eine historische Riesenschriftrolle aus dem frühen 17. Jahrhundert. Zu sehen ist darauf das "Abbild des ganzen Territoriums unter dem Himmel" - also 25 Karten der chinesischen Kernprovinzen und Grenzregionen. Abgerundet wird der erste Raum mit Vasen, Grabbeigaben, Statuen und einem prachtvollen Seidengewebe aus dem 14. Jahrhundert.
Popkultur und Tradition
Im nächsten Raum wird erst das Gewirr aus Steppen- und Seidenstraßen deutlich, auf dem sich auch Sammlerinnen wie Lene Schneider-Kainer bewegten. Sie begab sich im 19. Jahrhundert auf den Spuren Marco Polos nach China. In ihren Tagebucheinträgen drückt sie ihre Gefühle, aber auch Mühseligkeiten des Reisens aus.
In der Mitte der Ausstellung empfangen bunte Ikat-Mäntel aus Usbekistan die Besucherinnen und Besucher. Auf einem finden sich mehrere aus dem Film "Scream" bekannte Masken. Die Künstlerin Dilyara Kaipova ließ ihre Idee, mit der sie die Übernahme globalisierter Bilder in usbekische Kulturformen verdeutlicht, bei einem Ikat-Meister weben. Unterfüttert wird die Schau immer wieder von Videomaterial aus der Region samt Interviews mit deren Bewohnern. "Wer Zeit hat, kann in die Ausstellung hineinhören", empfahl die Kuratorin.
Am Schluss ist man im Nordwesten Chinas angelangt. Hier treffen fragile, mit Pferdehaar, Messingdraht und Seidenfasern versehene Papierblumen aus dem 19. Jahrhundert auf farbenfrohe Teppiche und Gemälde. Zwei im Vorjahr angefertigte Gemälde steuerte Khosbayar Narankhuu bei. Sie orientieren sich stark an der Bildsprache des tibetischen und mongolischen Buddhismus, weisen jedoch auch Details auf, welche die zeitgenössische Kultur und Politik scharf kritisieren. Fine zeigte sich besonders erfreut, dass diese bereits mit Unterstützung der Freunde des Weltmuseums und John D. Marshall für die ständige Sammlung erworben wurden.
Vorgesehen ist, "Staub & Seide" bis 3. Mai 2022 mit einem breiten begleitenden Kunst- und Kulturvermittlungsprogramm zu zeigen. "Es ist wahnsinnig viel Leidenschaft hineingeflossen. Wir hoffen, dass wir offen halten dürfen", so Fine mit Blick auf die ungewisse Coronalage.