Wien Museum 2022: Baustellenfinale in Sicht?
Omikron hin oder her - Matti Bunzl versprüht rege Betriebsamkeit. "Trotz Pandemie geht's bei uns drunter und drüber - im besten Sinne", sagte der Chef des Wien Museums am Mittwoch angesichts der Vorhaben für 2022. Ins Finale gehen soll der Um- und Ausbau des Hauses am Karlsplatz. Im Ausweichquartier MUSA stehen indes zwei Sonderschauen am Programm - ab 19. Mai zur Straßenfotografie und ab 24. November zu den Bauhausvertretern Friedl Dicker und Franz Singer.
Große Fortschritte auf der Baustelle
Die größte Baustelle im wörtlichen Sinn bleibt auch im laufenden Jahr die Renovierung und Aufstockung des denkmalgeschützten Oswald-Haerdtl-Baus. Der überwiegende Teil der Arbeiten soll bis Ende Dezember abgeschlossen sein, kündigte Finanzdirektorin Christina Schwarz in der Pressekonferenz an. In den nächsten Monaten steht diesbezüglich einiges auf der To-do-List: Bis Ende April werden die beiden neuen Obergeschoße fertiggestellt, gleichzeitig wird noch im ersten Quartal mit der Montage der neuen Natursteinplatten am Bestandsgebäude begonnen. Die Errichtung des neuen Pavillons hin zum Karlsplatz startet im Februar und dürfte im Juli ein Ende finden. Der Hauptstandort werde sich so gut wie täglich "in neuer Anmutung" präsentieren, versicherte Schwarz.
Neue Dauerausstellung
Die Finanzdirektorin hatte außerdem Neuigkeiten zu verkünden. Denn gewissermaßen als "Weihnachtsgeschenk" habe die benachbarte Zurich-Versicherung kürzlich zugesagt, die Verbindungsbrücke zwischen den beiden Gebäuden abzutragen: "Dadurch steht das Wien Museum künftig wieder - wie beim Wettbewerb vorgesehen - als Solitär da."
Gleichzeitig laufen auch die Arbeiten für die neue Dauerausstellung auf Hochbetrieb. "Sie ist im Grunde fertigkuratiert", verriet Bunzl aber noch keine Details. Jetzt gehe es um den Detailschliff wie Ausstellungsarchitektur oder Vermittlungstexte. Der riesige Prater als hängendes Herzstück der permanenten Schau wird wohl im Sommer eingebracht. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) ließ mit dem Plan aufhorchen, dass der Besuch der Dauerausstellung mit der geplanten Museumswiedereröffnung Ende 2023 gratis sein soll. Nur für Sonderausstellungen werde man dann ein Ticket benötigen.
"Es ist eine irre Freude zu sehen, wie aktiv dieses Museum ist", lobte die Ressortchefin heute die Museumsmannschaft. Trotz des weiterhin bestehenden Platzmangels wird die Ausweichdependance MUSA - das Museum auf Abruf nahe dem Rathaus gehört zum Wien Museum - mit zwei größeren Sonderausstellungen und einer Reihe kleinerer Projekte bespielt.
Ausstellungen in Planung
"Augenblick! Straßenfotografie in Wien" nennt sich der ab 19. Mai und bis 23. Oktober zu sehende Querschnitt durch die Geschichte der Street Photography in der Bundeshauptstadt von den 1860er-Jahren bis in die Gegenwart. Neben ikonischen Bildern will man bei dieser ersten umfangreichen Präsentation der hauseigenen Fotosammlung auch nie zuvor ausgestellte und veröffentlichte Aufnahmen aus dem Alltagsleben der verschiedenen Jahrzehnte zugänglich machen. Ernst Haas, Erich Lessing, Franz Hubmann oder Edith Tudor-Hart sind einige der bekannten angekündigten Namen.
Im Spätherbst, am 24. November, startet dann die Ausstellung "Atelier Bauhaus, Wien" (bis 26. März 2023) zu zwei wichtigen Wiener Vertreter des Bauhauses, Friedl Dicker und Franz Singer. Sie waren Schülerin bzw. Schüler an Johannes Ittens privater Kunstschule und folgten schließlich ihrem Lehrer an das neu gegründete Staatliche Bauhaus in Weimar. Mit ihren formal strengen und funktional konzipierten Möbeln und Wohnräumen hätten sie einer Klientel, die sich betont "modern" einrichten wollte, Alternativen zur etablierten Wohnkultur eines Josef Hoffmann oder Josef Frank geboten, heißt es im Ankündigungstext. Laut Bunzl haben sich kaum Designobjekte dieser "hochinteressanten Figuren" erhalten, was wohl auch daran lag, dass Singer schon vor der Machtübernahme der Nazis nach England auswanderte und Dicker 1944 in Auschwitz ermordet wurde. "Ihre Bedeutung für die Moderne der Zwischenkriegszeit wieder ans Licht zu bringen, ist ein großer Akt", so der Museumsdirektor.
Noch bis 24. April läuft indes die seit Mitte Oktober gezeigte Sonderschau "Auf Linie" über die NS-Kunstpolitik in Wien. Dazu wird es nun von 23. bis 25. März ein Symposium geben, das sich mit der Frage beschäftigt, wie Museen mit nationalsozialistischen Beständen umgehen sollen.
NachwuchskuratorInnen gefragt
Gewissermaßen neu aufgesetzt wird die seit 1987 bestehende MUSA-Startgalerie, die als Bühne für junge Künstlerinnen und Künstler gedacht ist. Ab heuer werden Nachwuchskuratorinnen und -kuratoren, die sich in einem entsprechenden Call durchgesetzt haben, die Räume mit von ihnen ausgewählten Arbeiten bestücken - und zwar idealerweise zu einem Thema, das mit der jeweiligen großen Sonderausstellung korrespondiert. Als Auftakt für dieses Format (ab 17. Februar) gestaltet Vincent Elias Weisl - parallel zu "Auf Linie" - das Projekt "Gegen den Strich", das sich mit kritischen Interventionen an geschichtskompromittierten Orten - Stichwort Lueger-Denkmal - auseinandersetzt.
Gemeinsam mit Alina Strmljan zeichnet Weisl auch für die zweite Startgalerie-Ausstellung verantwortlich, die als Kommentar zur Straßenfotografie-Schau gedacht ist. "Bitte setzen Sie sich doch!" rückt die Möblierung des öffentlichen Raums im Allgemeinen und die Parkbank im Besonderen - etwa mit kritischem Blick auf Designs, die es durch Unterteilungen unmöglich machen, sich hinzulegen - in den Mittelpunkt und geht so der Frage nach, wer wann wo wie lange bestimmte Stadträume benutzen darf. Ab 1. Dezember widmen sich die Kuratorinnen Anežka Jabůrková & Miljana Mirović mit "Brot" schließlich dem Thema Arbeit aus diversen Blickwinkeln.
Bespielung des Bauzauns geht weiter
Aber auch beim Haupthaus am Karlsplatz ist der Ausstellungsbetrieb trotz Großbaustelle nicht gänzlich eingestellt. Denn 2022 wird die Bespielung des Bauzauns am Areal fortgesetzt. Der heurige Auftakt dazu könnte passender nicht sein: Ab 24. Februar und bis 22. Mai sind dort nämlich unter dem Titel "Stadt Luft Bild" Schrägluftbilder von Großbaustellen der Nachkriegsmoderne aus den 1950er- bis 1970er-Jahren an elf Stationen gratis und rund um die Uhr zu bewundern.