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Alltagspoet Andreas Rainer: "Schönbrunn ist furchtbar überbewertet"

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"Wiener Alltagspoeten" hat mittlerweile fast schon einen Kultstatus erreicht. Dabei wissen viele Menschen nicht, dass nur eine einzige Person hinter dem Blog steckt: Andreas Rainer. Seit 2017 postet er Wortfetzen und kuriose Momente aus dem Leben der WienerInnen. Das Projekt läuft gut: Zu seinem gleichnamigen Buch und Podcast hat sich mittlerweile auch ein Kalender mit besonders genialen Zitaten gesellt.

Wir haben den Autor und professionellen Lauscher zum Interview gebeten und haben erfahren, was er wirklich über Wien denkt, wo seine Lieblingsorte sind und was sich die BewohnerInnen der Bundeshauptstadt von Amerika abschauen könnten.

Warum und wie hast du mit den “Wiener Alltagspoeten” angefangen?

 

Andreas Rainer: Das spannende an der Großstadt ist, dass dich viele andere Menschen umgeben, wenn du mit der U-Bahn fährst, im Kaffeehaus sitzt oder einfach unterwegs bist. Du streifst das Schicksal vieler Menschen, obwohl sie dich gar nicht wahrnehmen.

Und normalerweise blendest du das Leben der Anderen aus. Du hast Kopfhörer drin oder schaust aufs Handy. Ich habe eines Tages beschlossen, die Ohren aufzumachen und zu hören, was um mich herum passiert. Die Beobachtungen habe ich monatelang in mein Handy getippt, bevor ich einen Instagram-Account - meinen allerersten! - angelegt habe.

Ich hatte damals das Gefühl, dass es bei meinen anfänglich wenigen Followern gut ankommt. Und deshalb habe ich weitergemacht. Ich hätte aber nie gedacht, dass ich das fünf Jahre später immer noch mache und das Projekt die Größe erreicht, die es jetzt hat.

Woher kriegst du deine Meldungen?
 

Ich mache das ja ganz alleine in meiner Freizeit, deshalb würde es das Projekt ja gar nicht mehr geben, wenn ich keine Einsendungen bekommen würde. Mittlerweile kommen 9 von 10 Postings durch Einsendungen. Meine jetzige Aufgabe ist es, auszuwählen und aufzubereiten. 

Ich poste immer genau dreimal die Woche, außer, es passiert etwas Außergewöhnliches. Eigentlich ein Wahnsinn, wenn man sich andere Social Media-Seiten anschaut, die jeden Tag etwas posten. Und ich könnte das auch, dank der Vielzahl an Nachrichten. Aber die Ressourcen geben das nicht her. Mittlerweile lukriert das Projekt dank dem Buch sowie Kalender etwas Geld, aber ich bin ganz normal berufstätig nebenher. Das wichtigere Kriterium ist aber trotzdem, dass mir die Wortmeldungen, die ich veröffentliche, gefallen. Ich will nicht einfach posten, um zu posten.

Du hast in Amerika gelebt und gearbeitet. Warum hat es dich wieder nach Wien gezogen?
 

Ich bin ein Zerrissener, was das angeht. Als ich in Amerika gelebt habe, habe ich Wien vermisst. Und jetzt, wo ich in Wien lebe, vermisse ich Amerika. Du kannst nicht beides auf einmal haben. Ich bin aber auch ein richtiger Wiener und hege deshalb eine Hassliebe für Wien, obwohl ich das Wienerische, den Grant und den Schmäh, bei den Alltagspoeten ja sehr zelebriere.

Ich stehe dem auch kritisch gegenüber. Also nicht dem Schmäh, der ist wirklich super, auch, wenn ihn keiner außerhalb von Österreich kennt. Der Grant ist aber sehr problematisch. Die Dinge, die man im Alltag hört, sind oft nicht lustig, sondern unfreundlich, beleidigend und grob. Sowas poste ich auch nicht auf den Alltagspoeten, weil da kein Schmäh dahinter ist und die gewisse Magie fehlt.

 

Was hat Wien, was New York nicht hat?
 

Jetzt kommt eine ganz klischeebehaftete Antwort, die aber stimmt: Die Kaffeehäuser! Wenn du länger woanders lebst, dann beginnst du, Sachen von Zuhause zu vermissen. Bei mir war das eigentlich nicht so viel, natürlich FreundInnen und Familie, aber wie gesagt auch Kaffeehäuser und Leberkässemmel. Das Lustige daran: Ich esse mittlerweile nur sehr wenig Fleisch und deshalb auch nur eine Leberkässemmel im Jahr.

 

Welches Kaffeehaus hast du besonders vermisst?
 

Mein Lieblingskaffeehaus ist das Café Jelinek. Es gibt nämlich viele Cafés, die gut sind, aber ein, zwei Aspekte sind immer scheiße. Aber das Café Jelinek hat keinen Negativpunkt. Es hat alles! 

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Sogar einen Kamin.
 

Das ist einer von den guten Punkten. Außerdem hat es eine tolle Zeitschriften- und Zeitungsauswahl, wahnsinnig gute Mehlspeisen und die Kellner haben genau den richtigen Grad an Unfreundlichkeit und Charme. Und das ist ja für ein Wiener Kaffeehaus eigentlich eine Sensation sie haben extrem guten Kaffee.

 

Was hat wiederum New York, was Wien nicht hat?
 

Das ist sehr einfach zu beantworten: Die Offenheit. Die Menschen dort sind wahnsinnig offen und wollen Neues probieren, neue Leute kennenlernen. Da ist Wien einfach furchtbar. Wir wollen mit niemandem reden, den wir nicht kennen, nix Neues ausprobieren. Wir haben große Angst vor allem, das fremd und neu ist. Das ist sehr schade.

Gibt es Orte in Wien, die du über- und unterbewertet findest?
 

Schönbrunn ist furchtbar überbewertet! Der Schlosspark Schönbrunn ist total unpraktisch, weil du darfst dich nicht in die Wiese setzen. Deshalb gibt es dort auch keine Picknicks oder Leute, die auf der Gitarre spielen. Es ist der fadeste Park in Wien. Und ich finde das Schloss auch nicht besonders schön.

Ich finde es schade, dass die TouristInnen immer nur zwei Dinge in Wien anschauen: Den ersten Bezirk und das Schloss Schönbrunn. Aber da hat man die wahre Stadt ja noch gar nicht gesehen! Das ist so, als würde man in ein Museum gehen. Die sollten viel lieber mal mit der U3 nach Simmering fahren und sich dort in ein Beisl setzen. 

 

Wo gehst du in Wien hin, wenn du nicht lange nachdenken willst?
 

Ich fürchte, meine Antworten sind sehr klischeehaft, aber ich liebe leider Gottes die Donauinsel. Ich bin ein wahnsinniger Donau-Fan. Der Fluss hat für mich etwas ganz besonderes. Deshalb träume ich davon, mit dem Fahrrad einmal von Wien bis zum Schwarzen Meer, also zur Donaumündung zu fahren. Was ich auch sehr gerne mag und das ist hoffentlich ein bisschen weniger Mainstream ist der Lainzer Tiergarten

Ich bin fahre auch gerne mit dem 14A in den 10. Bezirk, gehe gerne im 15. Bezirk spazieren oder die Simmeringer Hauptstraße entlang. Das sind nicht die klassischen Destinationen, wo du zum Spazieren hingehst. Aber da kommt mein Alltagspoeten-Gen durch. Denn das sind Orte, wo unfassbar viel Leben ist, wo es laut ist und Menschen zusammenkommen. 

Ein ganz toller Ort ist für mich auch die U6-Station “Neue Donau”. Wenn du im Sommer dort zur Donau runter gehst, hast du das Gefühl, in Istanbul zu sein. Der MigrantInnenanteil ist sehr hoch und ich glaube, viele ÖsterreicherInnen trauen sich auch nicht hin. Dabei sind das so Orte, wo man endlich miteinander redet, obwohl man sich nicht kennt. Es braucht das Ausländische, um diese Wiener Angst vor dem Fremden zu überwinden.

Was steht auf deiner Wishlist für Wien?
 

Seit Corona habe ich die Lokale eigentlich nicht mehr auf dem Radar. Und außerdem ist Wien eher keine Stadt, die einen immer überrascht. Also wenn du in Bangkok vor die Haustür trittst, dann kannst du täglich etwas Anderes erleben. In Wien ist das nicht so, was natürlich auch etwas Beruhigendes hat. 

Ich wohne in Hietzing, was kulinarisch gesehen eine absolute Wüste ist. Aber da habe ich mich letztens gefreut, dass ein neues Ramen-Lokal eröffnet hat. War auch gleich dort und finde es sehr gut!

 

In welchem Bezirk würdest du gerne wohnen, wenn du es dir einfach aussuchen könntest?
 

Ich habe immer in der Innenstadt gewohnt, am längsten im 6. Bezirk. Und eigentlich wäre das mein Lieblingsbezirk. Aber mit Kind ist es in Hietzing viel angenehmer, weil man schnell in der Natur ist.

Anne-Marie Darok

Seit 2021 bei events.at, aber schon seit Geburt begeistert für alles, wo Kultur draufsteht. Wahlwienerin aus Leidenschaft mit Insidertipps in jeder Hosentasche. Ja, Freizeitstress gibt es wirklich!

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