Kabarett Österreich

Malarina im Interview: "Furchtbar, dass ich Djokovic kritisiere!"

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Marina Lacković, die als Kunstfigur "Malarina" auf der Bühne steht, gehört zu den interessantesten NewcomerInnen der heimischen Kabarettszene. Das findet die Szene selbst übrigens auch und hat ihr heuer sogar den Österreichischen Kabarettpreis in der Kategorie "Förderpreis" verliehen.

 

Begonnen hat sie 2019 mit ersten Auftritten im Politically Correct Comedy Club (PCCC) im Wiener WUK. Ihr Programm schrieb sie komplett im Alleingang, ohne Kaberett-Erfahrung oder Regie, dafür mit viel Intuition. Die Premiere von "Serben sterben langsam" wäre am Freitag, dem 13. März ("ich fand das sehr passend!") 2020 gewesen. Dann kam aber der erste Lockdown dazwischen. Mit pandemie-bedingter Verspätung erobert Malarina nun als rechtsaffine Austroserbin, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt, die heimischen Bühnen. Eine bissig-intelligente Geschichtsstunde, bei der "Tschuschen" und "Schwabos" gleichermaßen ihr Fett wegbekommen.

Malarina im Interview

Mit events.at sprach die Kabarettistin über offenen Rassismus in Österreich, den Backlash aus der serbischen Community, warum sie den Begriff "Boomer" nicht gerne verwendet und wieso sie als "Nestbeschmutzerin" gesehen wird, das aber okay findet. 

Corona hat deine Premierenpläne ziemlich über den Haufen geworden. Wie hat sich das auf dein Programm ausgewirkt?

Natürlich hat sich das Programm in der Zwischenzeit geändert. Politisches Kabarett ist ja wie Wachs: Wenn sich die Bedingungen ändern, kann es sich verformen. Das Solo war ursprünglich ziemlich Ibiza-lastig, jetzt ist das nur mehr ein kurzer Teil. Ich habe auch Witze über Alexander Schallenberg geschrieben, das ist Lebenszeit, die krieg ich nie wieder. Aber was soll ich machen? Ich sag den Leuten ja immer, dass es sich bei jedem Kanzlerwechsel rentiert, in mein Programm zu kommen, es gibt immer Neues. Ich finde es eh schön, dass die Politik da so kooperiert.

Wie geht es der serbischen Community ohne HC Strache?

Das kann ich leider nicht sagen, da ich selbst nicht wirklich als Funktionärin für Strache bei den Serben war (lacht). Gute Frage, was die alte Fangemeinde jetzt tut. Ich habe eine leichte Bastiphilie gesehen, der hat noch versucht, die serbische, herrenlose Wählerschaft abzuholen. Der ist jetzt aber auch weg. Nehammer hat sich nie an die migrantische Community angebiedert, Kickl sowieso nicht. Ich befürchte, die Leute sind langsam in Versuchung, SPÖ zu wählen! Wobei es mich nicht überraschen würde, wenn die ÖVP im nächsten Jahr jemanden installiert, der serbische Wurzeln hat, nur um an diese Wählerschaft heranzukommen.

Abgesehen von den politischen Aspekten, was erwartet uns noch bei „Serben sterben langsam“?

Viel Geschichte, die sich bis in die Jetztzeit zieht. Die erste Hälfte beginnt mit dem Attentat von Sarajevo und den unterschiedlichen Auffassungen von Geschichte, die Österreich und Serbien haben. Das geht so weiter bis zum Fall Straches. Dann folgt die zweite Hälfte mit politischer Gegenwart. Viele wollen das Programm unbedingt „Ethno-Comedy“ nennen, sollen sie von mir aus machen.

Wie nennst du es?

Ich sehe es als Polit-Satire. Wenn ich reine Ethno-Comedy machen würde für mich und meine Leute als "Safe Space", dann würde ich das gleich auf Serbisch machen. Ich freue mich natürlich, wenn serbisches Publikum in meine Shows kommt. Tatsächlich habe ich aber mit dem größten Backlash aus der serbischen Community gerechnet, und so ist es dann auch gekommen.

In welcher Form zum Beispiel?

Ich bekomme sehr viel Hate von serbischen Nazis. Auch, dass ich Novak Djokovic kritisiert habe, war ganz furchtbar! Ich dachte eigentlich, dass die Homophobie der Startschuss für den Shitstorm bilden wird, tatsächlich ist aber Djokovic zuvorgekommen, wodurch die Hater ein bisschen früher auf mich aufmerksam geworden sind. Die Leute, die tatsächlich in mein Programm kommen, sind linksliberale Serben. Leider eine kleine Minderheit, die ich vertrete, da sie bislang nicht vertreten wurde. Daher nehme ich es in Kauf, für die anderen nun die serbische „Nestbeschmutzerin“ zu sein, weil ich eben den Genozid nicht leugne und weil ich sage, das Djokovic ein Hornochse ist. Dann sollen sie mich halt hassen, ist okay.

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Wie reagiert das vorwiegend österreichische Publikum auf deine Kunstfigur, die im serbischen Akzent auf der Bühne spricht?

Sie finden es lustig. Die Figur ist eine allwissende Erzählerin, die ganz rechts außen unterwegs ist und so tut, als hätte sie seit dem Ersten Weltkrieg alles miterlebt. Oft habe ich das Feedback bekommen, dass der Akzent für die Leute nicht „eindeutig serbisch“ war, dass es auch Polnisch oder Russisch sein könnte. Nur das, was in Wien gemeinhin als Balkan-Akzent verstanden wird, ist eigentlich Spracharmut. Mangelndes Vokabular ist kein Akzent. Und einfach nur mangelndes Vokabular zu reproduzieren finde ich rassistisch. Wenn man einer Person aus dem Osten aber Vokabular gibt und den Akzent dabei lässt, klingt das halt alles gleich, weil es alles eben slawische Sprachen sind.

MigrantInnen der zweiten, dritten Generation sprechen nicht mit Akzent. Und die von der ersten Generation hatten nicht den Sprachschatz. Daher kennt man diese Sprechweise hierzulande nicht. Bei Bewerbungen aber zum Beispiel „akzentfreies Deutsch“ zu schreiben, ist ein unfassbar offener Rassismus. In anderen Ländern gibt es so etwas nicht. Es ist unglaublich, wie ungeniert man in Österreich diesen Rassismus zutage trägt.

In Österreich herrscht noch immer das Bild vor, dass das Kabarett eine vorwiegend männlich dominierte Kunstsparte ist. Hast du das Gefühl, dass sich das langsam ändert?

Ich war nicht Kabarettpublikum, bevor ich selbst Kabarett gemacht habe. Mir fällt aber auf, dass viel Misogynie auf der Bühne – die auch von Frauen produziert wird! – in Österreich einfach nicht erkannt wird. Ich sehe das auch nicht als Generationenfrage und fände es sehr naiv, es damit abzutun. Wenn manche Dinge nur eine Frage der Generation wäre, würden sie ja enden. Tut sie aber nicht.

Nach dem Motto: „So etwas ist typisch Boomer.“

Ich glaube, dass „Millenials“ dabei sind, sich zu einem größeren Schimpfwort zu entwickeln als „Boomer“. In Wahrheit sind wir nur besser informierte Boomer: Wir wissen es besser, machen aber das Gleiche. Wir sollten aufhören, uns so viele Meinungen über Boomer zu bilden, weil die sind zumindest nicht mit dem Bewusstsein aufgewachsen, dass sie den Planeten zerstören. Wir schon. Und im Vergleich zur Gen Z nach uns, machen wir in der Hinsicht nicht vieles wirklich besser. 

In mein Programm kommen zu fünfzig Prozent ältere Menschen, die vor allem mit dem geschichtlichen Teil viel anfangen können.Ich kann sehr gut mit älteren Menschen und habe viel Achtung vor ihnen. Ich mag das saloppe „Ok, Bommer“-Gerede nicht, ältere Menschen sind oft die interessanteren Gesprächspartner. Hätte ich allerdings gewusst, dass meist Leute um die 60 bei mir in der ersten Reihe sitzen werden, wäre ich mit dem Begriff „Ficken“ ein wenig sparsamer gewesen (lacht).

Den Kabarett-Förderpreis hast du jetzt in der Tasche. Wie geht es 2022 für dich weiter?

Vielleicht traue ich mich irgendwann, meinen Brotjob kündigen. Ich habe nämlich Existenzängste, so wie alle Ausländer (lacht). Wir sind zu viel mehr Demut dem Arbeitgeber gegenüber erzogen worden. Wir haben keine reichen Eltern, sind nicht privilegiert, also doch aufs Geldverdienen angewiesen … 2022 möchte ich gerne alle Bundesländer besuchen. Ansonsten mache ich eben, was auf mich zukommt. Ich habe bislang ja auch nix geplant, aber es ist trotzdem gut gelaufen!

Aktuelle Live-Termine von Malarina gibt es hier:

Amina Beganovic

Seit 2024 beim KURIER-Newsdesk, davor Redaktionsleiterin von events.at. Befasst sich neben dem aktuellen Tagesgeschehen auch gerne mit Themen aus den Bereichen Gesellschaftspolitik, Kultur und Veranstaltungen.

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