Michi Buchinger: "Hass ist etwas Befreiendes!"
Seien wir mal ehrlich: Es gibt schon viele Dinge, die uns im Alltag aufregen! Die vielleicht sogar einen "Hass" erzeugen ... Das muss aber keine schlechte Sache sein, im Gegenteil. Dass man daraus auch kreative Unterhaltung machen kann, beweist der österreichische YouTube-Influencer, Autor und Kabarettist Michael Buchinger. Während des Corona-Lockdowns entstand sein drittes Buch "Hasst du noch alle?!" (Heyne-Verlag). Der perfekte (Anti)-Frust-Lesestoff in einer Zeit der Entbehrungen.
Selbiges gilt für sein aktuelles Kabarettprogramm "Ein bisschen Hass muss sein". events.at sprach mit Michi Buchinger über die positiven Seiten der negativen (?) Emotion Hass, seine vielen Insprationsquellen und die besondere Energie bei Live-Auftritten vor Publikum.
„Ein bisschen Hass muss sein“ ist dein zweites Bühnenprogramm. Wer oder was bekommt diesmal deinen Hass ab?
(lacht) Den meisten Hass krieg vielleicht ich selbst ab! Es ist viel Selbstironie dabei. Natürlich geht es aber auch um die Nervigkeiten des Alltags. Zum Beispiel um gewisse Leute, die ihre Masken nicht so gerne tragen, oder die Unarten in der Welt des Online-Datings, wie zum Beispiel unerwünschte Nacktbilder ... Auch geht es um mein persönliches Umfeld. In meinem Alter sind im Freundeskreis schon viele Leute sehr „gesettelt“, ziehen raus aus der Stadt auf Land, und so weiter. Ich hasse es sehr, dass ich momentan zu niemandem sagen kann: „Hast du heute Abend spontan Lust, auf ein Bier zu gehen?“, weil alle frühestens in drei Wochen Zeit haben …
I feel you, das ist in meinem Freundeskreis auch so.
Ich hab das auch bei der Premiere gemerkt. Es sind zwar einige FreundInnen gekommen, aber manche haben auch gesagt: „Naja, ein Monat vorher Bescheid geben, ist schon recht knapp …“ Und das ist jetzt keine Übertreibung!
Hass gilt als sehr negativ behaftete Emotion. Warum „muss“ Hass deiner Meinung nach sein?
Ich mache das ganz bewusst polarisierend, schon seit Beginn mit meinen „Hass-Listen“ auf YouTube. Denn umgekehrt wird das Wort „Liebe“ genauso inflationär benutzt: „Ich liebe diesen Lippenstift“, „ich liebe diesen Chardonnay“ … dabei ist das ja auch ein starkes Wort. Ich dachte mir, ich dreh das einfach um und mache das Gleiche mit Hass.
Würdest du sagen, dass du ein „Grantler“ bist?
Auf jeden Fall! Ich bin mit 18 Jahren als lieber, optimistischer Bub nach Wien gezogen. Die Stadt hat dann einen Grantler aus mir gemacht (lacht). Was ich aber gut finde, denn das ist heute ja mein Kapital! Und wenn der Grant mal draußen ist, sei es in Form eines YouTube-Videos oder eines Kabarettprogrammes, fühl ich mich auch gleich viel befreiter. Daher bin ich im „echten Leben“ auch ein sehr umgänglicher Mensch. Ich brauche einfach dieses Ventil.
Die nächsten Live-Termine von Michi Buchinger:
Was sind denn die größten Unterschiede zu deinem ersten Programm „Lange Beine, kurze Lügen“?
Es gibt diesmal einen schönen Bogen. Es geht um Dating, Beziehungen, Zukunft, Heirat und Kinderkriegen … Ich bin diesmal auch ehrlicher geworden, erzähle zum Beispiel von meinem Coming Out. Es gibt auch ein paar emotionale Stellen diesmal. Beim ersten Programm musste ich mich erst noch herantasten, diesmal öffne ich mich schon viel mehr, mache einen Seelen-Striptease auf der Bühne. Es soll aber kein TED-Talk sein, es bleibt zu 90 Prozent einfach witzig.
Ist Österreich ein Land mit besonders gutem Nährboden für Hass?
Möglicherweise! Als ÖsterreicherIn ist man schon bissl in diesem Mindset. Wir regen uns einfach gerne auf! Das merke ich bei mir selbst ebenso wie in den sozialen Medien. Die Leute lesen eine Schlagzeile und verfassen darauf basierend schnell ihre Meinung in einem ewig langen Kommentar, ohne den Artikel gelesen zu haben. Das gibt es sicher auf der ganzen Welt, aber in Österreich ist das schon sehr auffällig. Aber ich hab per se nix dagegen, solange es nicht ausartet.
„Michael Buchinger hasst alle, außer sich selbst“, liest man immer wieder. Hilft uns der Hass auf andere, den Selbsthass zu dezimieren?
(lacht) Für mich selbst hat es auch ein etwas von „Rache“. Ich war an der Schule nie der Beliebteste, andere haben sich oft über oberflächliche Dinge lustig gemacht, wie mein Aussehen oder mein Schwulsein. Meine Retourkutschen gegen diese Leute waren auch eine Art Verteidigungsmechanismus. So ist mein „Hass“ auf manch andere entstanden, was natürlich auch zum Selbstschutz war. Natürlich lasse ich ihn aber nicht Überhand gewinnen, ich bin mir meiner eigenen Fehler durchaus bewusst. Aber meine übertriebene Bühnen-Persona findet sich selbst schon ziemlich super, das Problem sind natürlich die anderen!
Welche Dinge hasst du nicht? Was sind die Dinge, die dir den Alltag trotz allem verschönern?
Ich liebe Sport zum Stressabbau, auch der Wellness bin ich natürlich nicht abgeneigt. Gutes Essen, gutes Trinken, ich bin schließlich Burgenländer. Auch lachende Kinder sind total toll und erhellen mein Leben! So für fünfzehn Minuten ungefähr, dann gebe ich sie gerne wieder ab … Ich versuche, mich auf die schönen Dinge des Lebens zu konzentrieren, denn für meine Programme achte ich natürlich sehr auf das Negative. Da braucht man schon einen Ausgleich, was mir aber auch gut gelingt. Der Hass ist mein Job, aber zuhause lege ich ihn dann ab.
Du hast damals den Sprung von YouTube auf die heimischen Kabarett-Bühnen geschafft, quasi von vor der Kamera zu einem großen Publikum auf der Live-Bühne. War da die Überwindung groß am Anfang?
Die Überwindung war riesig, denn im Internet bekommst du nur einen Daumen nach oben oder unten. Live-Reaktionen zum Gesagten waren etwas völlig Neues für mich, natürlich war ich entsprechend nervös am Anfang. Das war auch zu Beginn meiner YouTube-Videos so, ich musste die Angst erst überwinden lernen. Ich hätte es mir vor zehn Jahren nicht gedacht, dass ich einiges Tages vor 500 Leuten live spreche! Im Endeffekt ist alles aber halb so schlimm, und jetzt macht es mir richtig Spaß.
Was genau macht dir am meisten Spaß beim Live-Auftreten?
Die Energie im Raum! Die schrillen, lustigen Lacher, die man oft im Publikum hat, wodurch eine ganz eigene Dynamik dazukommt. Ich will den Leuten einfach einen lustigen Abend bieten, wenn sie mit ihren FreundInnen gemeinsam ins Kabarett gehen, ein paar Aperol trinken, zusammen lachen … das finde ich einfach schön.