Alltagsrassismus & Fußfetisch: Romeo Kaltenbrunner live im Niedermair
Die Umzugskisten sind gepackt, das Leben ist bereit weiterzuziehen. Wäre es nur nicht so schwer, eine Wohnung mit Blick auf den Stephansdom hinter sich zu lassen. Nein, leicht ist das wirklich nicht, wenn die eigene (reiche!) Freundin Schluss macht und man sich wie ein vor der Inflation eingesparter Posten fühlt.
Doch Romeo Kaltenbrunner geht's eh voll super: “Ich bin so gerne Single, wirklich.” Nur warum ist sein Grinsen gar so schief und warum klammert er sich noch fester an seinen Coffee-to-Go im Thermobecher?
Tiefer Blick in die Seele
Kaltenbrunner, der als Innovationsmanager für die Stadt Wien arbeitet und seinen oberösterreichischen Dialekt nicht verstecken mag, entkleidet sich auf der Bühne des Kabarett Niedermair. Also nicht so, wie ihr jetzt denkt. Es ist ein Seelen-Striptease – ein Makel nach dem anderen wird sauber seziert und entnommen. Dabei erwischt er jedoch nicht nur die eigenen Schwachstellen, sondern deckt auch die Macken seines durchwegs jungen Publikums auf.
So kann es schon mal vorkommen, dass einem ein gar zu schriller Lacher entfährt, wenn man das Gefühl hat, erwischt worden zu sein. Dabei stellt Kaltenbrunner unter Beweis, welch gute Menschenkenntnis er hat. Das ist durchaus lobenswert, zumal es sich bei "Selbstliebe" um sein erstes Kabarettprogramm handelt.
Gekonnt webt er in die Geschichte der Trennung amüsante Alltagssituationen ein. Er berichtet von einem alten Bekannten, der ihn fast zu einer Impfgegner-Demo schleppt, von seinen ersten Gehversuchen auf Tinder und von seinem kurzen, aber turbulenten Ausflug in die Welt des Fußfetischs.
Viele Geschichten, nur wenig Zeit
Eines ist klar: In sein 60-minütiges Lebens-Potpourri hat er so viele lustige Storys reingepackt wie er nur konnte. Das ist im Kabarett – wie auch in fast allen anderen kreativen Tätigkeiten – das klassische Anfänger-Hoppala. So nach dem Motto: Wenn man es endlich auf eine bedeutende Bühne geschafft hat, warum sollte man dann nicht alles zeigen, was man kann?
Das Tempo mag dadurch an manchen Stellen zu schnell, an anderen etwas zu langsam sein. Aber das ist nichts, was man Romeo Kaltenbrunner wirklich ankreiden kann. Denn der rote Faden bleibt immer in Sichtweite. Und außerdem ist sich der Kabarettist nicht zu schade, wichtige gesellschaftliche Themen in seinem Programm unterzubringen. Allen voran geht es dem Alltagsrassismus an den Kragen – ob in Form seiner alten Nachbarin, die ihn als “mein brauner Romeo” bezeichnet oder als Frage beim Bewerbungsgespräch, woher er denn wirklich kommen würde.
Zurück in die Realität
Nach ungefähr einer Stunde läutet plötzlich das Telefon. Es ist die Ex: Sie schickt ihren neuen Freund, der die Schlüssel abholen wird. Romeo Kaltenbrunner hat das wieder ins Hier und Jetzt katapultiert. So richtig toll ist das Single-Leben vielleicht doch nicht, aber mit ein bisschen Selbstliebe kann es noch werden, oder?