"Dreck, Blut und ungeschönte Realität" – Elena Wolff im Interview
Wer streichelweiche Wohlfühlunterhaltung sucht, ist bei Elena Wolff fehl am Platz. Die Schauspieler*in und Kabarettist*in will mit ihrem* aktuellen Programm "Apokalypse Frau" bewusst schonungslos sein, nicht zuletzt, um althergebrachte Muster von Weiblichkeit aufzubrechen.
Ein Gespräch über die Kraft der harten Sprache, die "Entmystifizierung" der Frau und die erzkonservativen Seiten von Wien.
Was erwartet uns bei deinem Bühnenprogramm?
Ein großer Querschnitt durch mein Leben. Es geht viel ums Frauwerden in dieser Welt, um Geschlechtsidentität und die Wunden, die ich in meinem Heranwachsen erlebt habe. Es ist meine Scham ausgestellt, ein Mix aus kompletter Fiktion, Übertreibung und autobiographischen Elementen.
Warum hast du den Titel "Apokalypse Frau" dafür gewählt?
Ich wollte einen Titel, der die inhaltliche und sprachliche Härte des Programms wiedergibt. Ich bin ja auch im "Politically Correct Comedy Club" aufgetreten und hatte Angst, dass die Leute glauben würden, dass es bei mir einen harmlosen Safe Space zum Wohlfühlen gibt, anstatt potenziell triggernde Themen. "Apokalypse Frau" steht dafür, dass wir neuen Frauen, beziehungsweise neuen weiblich gelesenen Personen, das Ende dessen sind, was es bisher gab. Wir sind quasi die "Apokalypse" und brechen Strukturen mit Härte und Radikalität auf.
Das Programm ist also nicht harmlos, aber unterhaltsam?
Absolut! Humor ist meiner Meinung nach das effektivste Mittel, um Inhalte und Botschaften zu transportieren. Wenn Menschen lachen, hören sie ganz anders zu, weil sie aufnahmefähiger sind. Und ich find’s natürlich lustig, ich treffe voll meinen eigenen Humor.
Es soll ein "schonungslos provokanter" Einblick in dein Leben sein. Was daran ist schonungslos?
Wir haben alle noch sehr ätherische Ideen von Weiblichkeit beziehungsweise Menschen mit weiblich gesehenen Körpern. Das breche ich auf. Es geht viel um Dreck, Blut, um die ungeschönte Realität. Einerseits im Körperbild, andererseits bei den Traumata, die man so am Lebensweg aufsammelt. Es ist schonungslos gegenüber vorherrschenden Strukturen, aber auch gegenüber mir selbst. Ich glaube, es gibt viele Momente, in denen man sich wiederfindet, und die einen auch aufrütteln.
Welche Reaktionen bekommst du vom Publikum, wenn du harte Themen wie toxische Beziehungen, Depressionen oder Diskriminierung behandelst?
Ganz unterschiedlich, es hängt auch stark von Geschlecht oder Alter ab. Gerade Menschen in meinem Alter oder jünger sind weniger schockiert von den Dingen, die ich sage, sie erkennen sich selbst oft darin. Für Ältere hat es meist einen anderen Schockwert, was auch daran liegt, wie sie mich als Frau interpretieren. Mit diesen Erwartungshaltungen spiele ich aber gerne: Ich gebe mich hyper-feminin in meiner Präsenz und arbeite an der Entmystifizierung der Frau.
Braucht es mehr von diesen Schockmomenten auf den österreichischen Bühnen?
Schwierige Frage, weil solche Provokationen oft auf dem Rücken von Menschen stattfinden, zu denen man selbst gar nicht gehört. Ich würde mich nie an den Wunden anderer marginalisierter Bevölkerungsgruppen bedienen, nur um Schockmomente zu erzielen, da ich das billig finde und es mich selbst nicht betrifft.
Ich glaube allerdings, dass es wichtig ist, sich einer brutaleren Sprache zu bedienen, um gängige Strukturen aufzubrechen. Es gibt zwar viele Comedians, die es schaffen, in einer sehr gewählten Sprache trotzdem politisch zu sein. Für mich ist es aber das einzig logische Ausdrucksmittel: Ich habe hässliche Gefühle, die ich auch hässlich ausdrücke. Wobei ich trotzdem in einer stilisierten Ästhetik bleibe.
In Österreich herrscht noch immer das Bild vor, dass das Kabarett eine vorwiegend männlich dominierte Kunstsparte ist. Hast du das Gefühl, dass sich das langsam ändert?
Auf jeden Fall, was sicher auch mit den sozialen Medien zu tun hat. Wenn man sich die Leute anschaut, die inzwischen tonangebend sind und die in und außerhalb Österreichs als neue Generation des Kabaretts gesehen werden, sind schon viele Nichtmänner dabei. Malarina, Toxische Pommes, Tereza Hossa, Stefanie Sargnagel, … Österreich hat viele wichtige Komikerinnen und Satirikerinnen, und das wird immer spürbarer. Das gibt mir auch ein ganz anderes Selbstverständnis. Ich habe begriffen, dass ich als Nicht-Mann durchaus im Stande bin, satirisch zu arbeiten und humorvoll zu schreiben.
Was macht einen Live-Abend vor Publikum für dich gelungen?
Wenn ich das Gefühl habe, eine gemeinsame Sprache gefunden zu haben. Kabarett ist eine Kunstform, die nur durch den Dialog mit dem Publikum funktioniert. Man versteht sich gegenseitig, man schwingt gemeinsam. Es ist an jedem Abend ein neuer Rhythmus, immer anders.
Du bist Halb-Deutsche aus Kitzbühel und als Teenager nach Wien gezogen. Zur "sexuellen Befreiung", wie es in deinem Programm heißt. Hat Wien diese Erwartung erfüllt?
(lacht) Bis zu einem gewissen Grad schon. Es ist sicher kein Zufall, dass alle queeren Menschen vom Land, die ich kenne, Landflucht nach Wien begehen. Nichtsdestotrotz ist Wien im Vergleich zu anderen europäischen Städten noch erzkonservativ.
In welcher Hinsicht zum Beispiel?
Es fehlt noch viel Bewusstsein für diversere Narrative, für nicht- heterozentrische Familienstrukturen. Wir sind da noch in sehr in alten Bildern verankert, allein wenn man sich das Programm im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ansieht. Hier wird oft nur die eine Idee von Familie, Liebe oder Sex übertragen, mit nur wenig Blick nach außen. Und es ist alles nach wie vor wahnsinnig Weiß.
Was sind deine Lieblingsorte in Wien?
Ich habe keine großen Geheimtipps, ich halte mich tatsächlich viel im Café Jelinek auf (lacht).
Was vermisst du an Kitzbühel?
Gar nichts.
Elena Wolff gastiert mit "Apokalypse Frau" am 19. Februar im Kabarett Niedermair. Weitere Live-Termine gibt es hier: