AnnenMayKantereit: Ein Abend unter Freunden
Eine große Bühnenshow in dem Sinne gibt es dabei praktisch nicht, doch das ist nichts Neues bei Konzerten von AnnenMayKantereit. Der Höhepunkt ist, als die drei Kölner zu einem bestimmten Zeitpunkt jenen Tisch auf die Bühne in der Wiener Stadthalle bringen lassen, an dem sie ihr jüngstes, viertes Studioalbum "Es ist Abend und wir sitzen bei mir" geschrieben haben. Dort singen sie einige Nummern im Sitzen mit einem Glas Wein in der Hand.
AnnenMayKantereit mit neuem Album
"Es tut gut, endlich in Wien zu sein", hatten die Drei schon den Abend musikalisch eingeläutet, der dann am Ende doch nicht ganz so reduziert daherkommt. Schließlich werden die AnnenMayKantereit ab der Hälfte von einem Streich- sowie ein Bläserquartett unterstützt. Die Band entwickelt sich also von den minimalistischen Anfängen durchaus weiter, wenn man auch mit der neuen Platte den mit dem Vorgänger "12" eingeschlagenen, experimentelleren Weg wieder ein wenig verlassen hat.
Viel mehr brauchen die drei Schulfreunde, die seit zwölf Jahren zusammen musizieren, aber auch nicht für ihren deutschsprachigen Gitarrenrock. Es ist der sympathisch unkitschige Blick auf ewige Themen wie die Suche nach dem Sinn im Leben, Nostalgie mit Blick auf die Kindheit und natürlich auf die Liebe und die Freundschaft, der hier trägt. Vor dem Keyboard prangt die Prideflagge, vor dem Saal gibt es Infostände von Umweltorganisationen. AnnenMayKantereit treffen den Zeitgeist, ohne modisch zu sein.
Doch so sehr der Zusammenhalt und der Teamgeist zwischen den drei Freunden sichtbar die Haltung der Band dominiert, so ist es doch Frontmann Henning May, der mit seiner markanten Stimme und seinem Naturtalent die Bühne beherrscht, in kurzer Jeans und schwarzem T-Shirt die kleine Truppe über den Status eines Geheimtipps hinaushebt.
Heute hat ihr erfolgreichster Song über 200 Millionen Streams auf Spotify. Man erreicht ein erstaunlich breites Spektrum, was sich auch am Wiener Publikum des Abends zeigte. Bei der von May initiierten Jubelumfrage unter den Zuschauern, wer vor 1995 und wer danach geboren ist, summt jeweils die Hälfte der Halle. Echtheit funktioniert offenbar generationenübergreifend.