Pizzera & Jaus im Interview: "Comedian Rhapsody", Sexyness und Erfolg
Es war vor fast genau neun Jahren, als aus Paul Pizzera und Otto Jaus das Duo Pizzera & Jaus wurde. Und weil sich die beiden Künstler heute noch genauso lieb haben, einander dankbar sind und sich gegenseitig regelmäßig zu kreativen Höhenflügen antreiben, passt es perfekt, dass ihr drittes Album „Comedian Rhapsody“ am 11. November erschien. Ein Geschenk pünktlich zur Keramikhochzeit sozusagen.
Wie das Nachfolgewerk der beiden Charts-Überlieger „unerhört solide“ und „wer nicht fühlen will, muss hören“ klingt, das könnt ihr hier nachlesen. Wir haben aber nicht nur in das Album reingehört, sondern Paul Pizzera und Otto Jaus auch zum Interview gebeten.
Wie immer: Der Steirer und der Wiener waren bestens gelaunt, bodenständig und vor allem: hochgradig authentisch. Sätze wie „Wir sind immer noch wir“, „Wir sind, wer wir sind“ oder „Du kriegst bei uns, was du hörst“ fallen bei Pizzera & Jaus oft. Und man glaubt es ihnen.
Alles klar bei euch?
Otto Jaus: Kann mich nicht beklagen!
Paul Pizzera: Wir sind glücklich, dass wir das Album endlich präsentieren dürfen. Ich freue mich aber auch schon auf den Kurzurlaub, der bald kommt! (lacht) Den werde ich übrigens zum Teil alleine verbringen, denn ich bin ehrlich gesagt auch mal ganz gern alleine. Ich finde es total wichtig, dass man auch nur mit sich selbst sein kann. Ich glaube, einer der Gründe, wieso wir ständig am Handy hängen, ist, weil wir nicht alleine sein können. Man kommt immer mehr drauf, dass Langeweile ein Luxusgut ist.
Langweilig ist es euch in diesem Jahr bestimmt nicht geworden. Sei es die Musik, der „Hawi D'Ehre“-Podcast von Paul (gemeinsam mit Philipp Hansa und Gabi Hiller; Anm.), eure Bücher oder die dreimal hintereinander ausverkaufte Wiener Stadthalle: Ihr seid sehr präsent. Angst, dass ihr aufgrund von Überpräsenz den Leuten bald auf die Nerven gehen könntet?
Jaus: Man muss sagen: Aktuell ist einfach eine sehr intensive Zeit. Alle, die uns nicht mehr sehen können, darf ich an dieser Stelle ausrichten: Keine Bange, meine Damen und Herren, es wird auch weniger werden! Wir versprechen es euch! (lacht) Es hat sich einfach so ergeben, dass wir heuer sehr viele Projekte gleichzeitig am Start haben.
Pizzera: Es soll jetzt bitte nicht arrogant wirken, aber ich denke, überpräsent ist man erst dann, wenn man qualitätslos präsent ist. Sprich: Wenn du zu jedem Scheiß deine Meinung abgibst, wenn du bei jeder öffentlichen Veranstaltung oder Hauptabend-TV-Shows dabei bist – und solche Events meide ich wie der Teufel das Weihwasser! Das ist bei uns ja nicht der Fall. Wenn du bei dem, was du tust, authentisch bist, bist du nicht überpräsent. Aber vielleicht laufe ich ja auch grad ins offene Messer! (lacht)
Kommen wir aufs neue Album zu sprechen. Worauf der Titel „Comedian Rhapsody“ anspielt, ist klar (nämlich auf den Queen-Klassiker “Bohemian Rhapsody“; Anm.). Seht ihr euch mittlerweile als die "österreichischen Queen"?
Pizzera: Jessas, das wär‘ ja wahnsinnig arrogant!
Na gut. Was soll der Titel dann aussagen?
Pizzera: Er soll uns daran erinnern, dass das Leben aus sowohl profanen als auch seriösen Facetten besteht. Thematisch ist das Album breit gefächert: Es geht um die immer noch unfassbar unfaire Behandlung der Frauen, es geht um die – männliche – Angst, sich therapeutische Hilfe zu holen, wenn die Seele weh tut. Es geht aber auch um Selbstbefriedigung! Der Titel soll das bunte Potpourri, das unsere Seele berührt, einfangen.
KünstlerInnen sprechen über ihr jeweils aktuelle Album gerne als „die beste Arbeit, die sie je abgeliefert haben“. Trifft das auch auf „Comedian Rhapsody“ zu? Wie unterscheidet sich diese Platte von den beiden Vorgängern?
Pizzera: Unser Debüt „Unerhört solide“ ist fünf Jahre nach seinem Erscheinen immer noch in den Top 20 der Charts – ich bezweifle also, dass wir diesen Erfolg übertreffen können! (lacht) Thematisch gesehen ist „Comedian Rhapsody“ aber sicherlich das vielschichtigste unserer Alben, beinhaltet auch den meisten Text. Ich weiß nicht, ob es unser bestes ist. Aber es erzählt sauviele Geschichten – und darauf bin ich sehr stolz.
Jaus: Das sehe ich auch so. Ich traue mich sogar zu behaupten, dass das Pizzera-und-Jaus-Rad mit diesem Album ein wenig neu erfunden wurde. Man erkennt uns zweifellos wieder, aber wir betreten hier und da doch auch Neuland. Schon allein die A-Capella-Band „Das wird super“, die wir mit ins Boot geholt haben, ist eine neue G’schicht. Und thematisch gesehen ist die Bandbreite zwischen Ernsthaftigkeit und Humor sicher noch größer als bei den Vorgängern.
Nach solchen "unerhörten" Erfolgen wie den euren: Legt man sich bei jedem neuen Werk die Messlatte noch höher? Will man sich immer noch ständig selbst übertrumpfen?
Pizzera: Natürlich will man immer besser werden, will immer höher und weiter hinaus – das ist leider der Kulturkapitalismus, in dem wir leben, der leider tatsächlich schnell in Überpräsenz münden kann, wie vorhin bereits angesprochen. Aber mit solch einem Mindset steht man sich am Ende nur selbst im Weg.
Als Otto und ich damals mit Pizzera & Jaus begonnen haben, sind wir einfach blind in die Nebelwand hineingelaufen – und das war wohl gut so, weil wir sehr frei und ohne jegliche Kalkulation waren in unserem Schaffen.
Apropos Kalkulation: Wie wichtig sind denn Trends in eurer Arbeit, eurer Kreativität?
Pizzera: Überhaupt ned wichtig! Würden wir das tun, müssten wir aktuell mit Clock Synthesizer und Autotune arbeiten. Du kriegst bei uns, was du hörst. Wir setzen auf ehrliche Live-Musik. Bei uns ist nix gefälscht. Und auf das samma stolz!
Trotzdem: War der Druck beim dritten Album größer als bei den ersten beiden?
Jaus: Für mich war der Druck beim zweiten Programm – nicht das Album! – am größten. Dieser Druck war für mich sehr schwierig, auch wenn ich mir den natürlich vor allem selbst auferlegt habe. Aber rund um das dritte Album ist so viel passiert – Corona, Tour, Film, Bücher, etc. –, dass wir gar nicht die Zeit hatten, zu viel über einen möglichen Druck nachzudenken. Klar, es war kurz vorm Release viel Anspannung da, aber der ist mittlerweile wieder komplett weg. Jetzt sind wir einfach nur gespannt auf das, was noch kommen wird.
Wie hat sich die Arbeit an „Comedian Rhapsody“ zu jener an den vorherigen Alben unterschieden?
Pizzera: Fast gar nicht! (lacht) Ich komponiere und schreibe immer noch alles selbst, manchmal immer noch am Handy und immer noch mit der Unterhosn auf der Wohnzimmercouch! Ist ja sau-g’miatlich! (lacht) Und Otto ist auf der Bühne immer noch der geilste Wahnsinn, den man sich vorstellen kann.
Apropos Unterhose: Paul, du bist von der Ö3-Community zum zweit-schönsten Mann Österreichs gewählt worden ...
Pizzera: Ich bin ja froh, dass ich nicht immer nur auf meine inneren Werte reduziert werde. Ich bin ja auch eine geile Sau! (lacht laut) Nein, Spaß beiseite: Red‘ ma bitte über was anderes ...
Einverstanden. Zurück zum Album: Otto meinte, „Comedian Rhapsody“ hat das Paul-und-Pizzera-Rad neu gedreht. Werden die Leute von der Scheibe sehr überrascht sein?
Pizzera: Mit dem Song „shotgun“ ist ein richtiger Zunder dabei, was mir als alter Metal-Head natürlich besonders taugt. Diese Seite habe ich bisher nur bei „Hooligans“ und „detox blues“ ein bisserl ausleben dürfen. Und eben auch die A-Capella-Lieder sind ein Novum. Ansonsten: Ich überlasse es ganz dem Publikum, wie sie die Songs auf- und wahrnehmen. Ich freue mich über jede Kritik, sowohl positive als auch negative.
Jaus: Im Großen und Ganzen werden die Leute aber eher weniger überrascht sein. Wir sind immer noch wir.
Und das kommt wohl an: Ihr seid „Everybody’s Darling“ in der österreichischen Musikszene. Fluch oder Segen?
Jaus: Man muss ehrlich zugeben: Sobald man sich auf die Bühne stellt, tut man das auch, weil man sich präsentieren und dafür gemocht werden will. Irgendwann muss man aber feststellen, dass man es nie jedem einzelnen Recht machen kann. Wir sind einfach, wie wir sind. Punkt. Wir sind alles andere als berechnend. Zudem ist es mir persönlich wichtiger, im Privatleben gemocht zu werden, als im Berufsleben.
Es gibt sehr wohl Leute, die mit Paul und mir absolut nix anfangen können. Und das ist absolut in Ordnung! Es ist schön und richtig, dass Geschmäcker verschieden sind.
Seht ihr euch mittlerweile mehr als Musiker statt als Kabarettisten?
Pizzera: Auf jeden Fall. Die Musik steht mittlerweile im Fokus, die Zwischenräume zwischen den Songs gestalten wir aber weiterhin humoristisch.
Ihr sprecht oft von Authentizität, trotz eures großen Erfolgs wirkt ihr immer noch erstaunlich am Boden geblieben ...
Pizzera: ... und ich kann dir auch drei Gründe dafür nennen. Erstens: sich selbst nicht zu wichtignehmen. Sich vor Augen zu halten, dass man austauschbar ist. Zweitens: dankbar sein. Es ist ein verdammtes Geschenk, das machen zu dürfen, was du machen willst und wofür du brennst. Und drittens: die richtigen Freunde und zumindest ein tolles Elternteil um sich haben.
Trotzdem: Verändert Erfolg zumindest nicht ein bisschen?
Pizzera: Sicher, aber du hast Einfluss darauf, wie sehr beziehungsweise in welche Richtung. Du hast es selbst in der Hand. Wenn du unglücklich warst, bevor du Erfolg gehabt hast, wirst du weiterhin unglücklich sein, auch wenn du Erfolg hast. Nochmal: Sich vor Augen zu halten, dass man ein austauschbarer Furz in der Weltgeschichte ist, hilft ungemein, am Boden zu bleiben. Erfolg ist immer eine Mischung aus Leistung und Zufall. Leistung kann ich beeinflussen, für den Erfolg bin ich wahnsinnig dankbar.
Jaus: Ich bin genau derselbe Depp wie früher. Ansonsten stimme ich Paul vollkommen zu. Zufriedenheit hat nichts mit einem äußeren Umstand zu tun. Vielmehr ist Zufriedenheit eine aktive Entscheidung, die du triffst. Das zu erkennen ist eine große Erfahrung und Erkenntnis, die genauso schön als auch g’schissen ist!
Denn wenn du des eigenen Glückes Schmied bist, wenn Zufriedenheit nichts mit ausverkaufter Stadthalle und Nummer 1-Hit zu tun hat, dann kann das auch durchaus Angst machen. Trotzdem liebe ich es, diese Erfahrung gemacht zu haben.
Otto, du bist noch dazu Vater geworden. Mehr Veränderung geht ja gar nicht.
Jaus: Bist du deppat! Mehr Liebe habe ich noch nie verspürt. Es gibt keine Worte dafür. Worte wären für die Liebe, die ich meiner Tochter gegenüber empfinde, viel zu schwach.
Mit ihrem neuen Album gehen Pizzera & Jaus natürlich auch auf Tour, ab Jänner geht’s los mit Terminen in Österreich, Bayern und Deutschland. Mehr dazu hier: