Pizzera & Jaus live: Selbstironische Vorbilder
Seit sechs Jahren touren sie schon, seit sieben Jahren auf Topplatzierungen in den heimischen Charts, seit fünf Jahren sammeln sie Amadeus Music Awards ein: Um Pizzera & Jaus herrscht ein Hype, den man mittlerweile fast schon als gegeben hinnimmt, weil irgendwann, ganz besonders in Österreich, wird halt auch Außergewöhnliches zum Alltäglichen.
Aktuell sind Paul Pizzera und Otto Jaus mit ihrer dritten Tour "Comedian Rhapsody" durch ganz Österreich unterwegs, die ersten Konzerttermine fanden im Globe Wien statt. Wenn die heimischen Bühnen (rück-)erobert werden, bietet es sich an, besagten Hype einem Aktualitätscheck zu unterziehen: Ist er immer noch gerechtfertigt? Oder haben wir uns einfach an das sympathische Musik-Duo gewöhnt, ohne zu hinterfragen und reflektieren?
Pizzera & Jaus mag man eben
Das gleichnamige aktuelle Album erklomm, anders als die beiden Vorgänger, nicht die Chartsspitze, musste sich "nur" mit Platz 2 zufriedengeben. Zuviel ableiten sollte man davon für die dazugehörige Tour aber nicht: Das Interesse an Pizzera & Jaus ist nach wie vor riesig. Auch am Sonntagabend war das Globe bis auf den letzten Platz ausverkauft. Obwohl das Duo seit Beginn seiner kometenhaften Karriere seinem künstlerischen Konzept treu blieb, scheint das Publikum mittlerweile gemischter als je zuvor zu sein:
Anfang Zwanzigjährige sind mit dabei genauso entgegen wie PensionistInnen, Frauen (wenn auch in der Überzahl) genauso wie Männer, Partyfreudige ebenso wie Anzugträger. Ich erspähe einen kleinen Buben im Saal mit seinen Eltern. Diese wollten dem Nachwuchs vielleicht live und in Farbe zeigen, wie sich moderne und massentaugliche Musik made in Austria heute anhört.
Mittendrin statt nur dabei
So einiges wird besagter Bub an diesem Abend wohl gelernt haben. Zum Beispiel, dass es der Stimmung im Saal durchaus gut tut, wenn die Künstler auf der Bühne viel Publikumseinbindung von der ersten Minute an betreiben, sei es mit Setzen-Aufstehen-Setzen-Spielen, Jubel-Aufforderungen, Klatsch-Übungen oder anderen kollektiven Aktivitäten. Das ist harmlos lustig, nötig wäre es wahrscheinlich nicht, weil das Publikum Paul und Otto, nach wie vor die "Jedermänner" der Nation, weiterhin treu ergeben ist.
Ebenfalls eine wichtige Lektion für den jungen Fan: Dass man sich nicht auf den zahlreichen eingeheimsten Lorbeeren ausruhen, sondern stets an sich arbeiten muss, um weiterhin ganz vorne mitspielen zu können. Bei Pizzera & Jaus heißt das unter anderem: Stimmlich immer schon top, hat sich in erster Linie Paul Pizzera zu einem beachtlichen Sänger entwickelt, bei dem jeder Ton sitzt und der sich neben seinem ausgebildeten Sänger- und Schauspieler-Spezi Otto Jaus nicht zu verstecken braucht.
"Es is' immer dasselbe!"
Eine weitere Lektion á la Pizzera & Jaus: Treue zu sich selbst schließt den Mut für Überraschungen nicht aus. Auf die Kritik, sie würden seit Jahren "dasselbe abliefern", reagiert das Duo nicht nur erfrischend selbstironisch (Jaus: "Ich spür’s heute nicht! Es is‘ immer dasselbe!"), sondern liefert sogleich das Gegenteil ab: Bei "Comedian Rhapsody" gibt es erstmals ein englischsprachiges Medley verstorbener Künstler, ein Titel wird sogar auf Spanisch gesungen. Mit der exzellenten A-Capella-Band "Das wird super" beschreiten Pizzera & Jaus ebenso neue Wege.
Wege, auf denen sich die beiden noch selbstbewusster als früher präsentierten: Erstmals erlaubt man sich Seitenhiebe auf die internationale, aber auch nationale Musikbranche, eigene Erfolge werden kurz eingeworfen (Stadthalle! Dreimal! Hintereinander! Ausverkauft!) – aber stets so sympathisch und bodenständig, dass sich die Fans einig scheinen: Der Pauli und der Otto, "unsere" Jungs, die sind zu Ikonen herangewachsen. Die dürfen das.
Minimalistische Bühne, maximale Gefühle
Wenn dem Bub von seinen Eltern nicht gerade aufgrund eins FSK-18-Textes die Ohren zugehalten werden, wird er wohl auch lernen, dass es immer noch KünstlerInnen gibt, die große Erfolge feiern, weil sie einfach sie selbst sind. Bei Pizzera & Jaus ist alles live, alle Instrumente werden selbst gespielt, die Songs bekanntlich allesamt selbst komponiert und getextet. "Vier Hände, drei Instrumente, zwei Stimmen und eine Bühne", so die offizielle Tag-Line der aktuellen Tour – und sie könnte wahrer nicht sein.
Denn obwohl der Titel vielleicht anderes vermuten lassen mag, ist "Comedian Rhapsody" – wie auch schon die Vorgänger-Touren – weit entfernt von Opulenz. Technische Spielereien oder riesengroße Screens gibt es bei Pizzera & Jaus nicht, lediglich eine Lichtshow sowie die A-Cappella-Band unterstützt das Duo stellenweise auf der Bühne. Ansonsten geht es ums Wesentliche: Das Leben in all seinen Facetten. Ohne Diskrepanzen. Ohne Ablenkung.
Das hat auch das Publikum verstanden: Die Handys bleiben großteils in der Hosentasche, man möchte keinen Moment verpassen, mit den beiden völlig im Hier und Jetzt sein. Dazu gehört auch die eine oder andere gesellschaftskritische (oder vielleicht: gesellschaftsumarmende?) Ansprache von Pizzera im Laufe des Abends, sei es über Homophobie, Nächstenliebe, Kritik an der Politik oder Self-Empowerment. Komödiantische Rhapsodien sind eben immer dann am besten, wenn sie auch vor ernsten Themen nicht zurückscheuen. Der Dank: tosender Applaus.
Diagnose: Patient ist vital!
Die Comedy selbst spielt bei Pizzera & Jaus mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle, die beiden verstehen sich vordergründig als Vollblutmusiker. Gut so, denn auch wenn die meisten Gags sitzen, sind es die radiotauglichen Songs, die ihre Fans an sie binden: Bei "Jedermann", "Eine ins Leben" oder "Hooligans" ist das Publikum derart euphorisch, man könnte glauben, das Duo hätten soeben den Weltfrieden vollbracht. Auch die neue(re)n Songs kommen an, werden superb dargeboten, entwickeln ein Eigenleben. Es sind aber vor allem die großen Balladen, die am meisten Eindruck hinterlassen.
Am Ende des Abends und nach zahlreichen Standing-Ovations lässt sich reüssieren: Die Untersuchung ist gut ausgegangen, keine (negativen) Alterserscheinungen festzustellen, die Werte sind stabil, der Patient vital und voller (reflektiertem) Lebensdrang. Der Hype um Pizzera & Jaus ist nach wie vor berechtigt und wird noch weitergehen. Denn kleine Buben im Publikum brauchen weiterhin große Vorbilder auf der Bühne.