Salzburger Festspiele: "Macbeth" als Reise in menschliches Leid
Krzysztof Warlikowski beleuchtet in seiner Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Oper "Macbeth" bei den diesjährigen Salzburger Festspielen die menschlichen Charaktere der Figuren. Er möchte Lady Macbeth und ihren Mann "humanisieren" und die Beweggründe suchen, die sie zu ihren Handlungen antreiben, wie der Regisseur am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Salzburg schilderte. "Wir haben es mit verrückten Figuren zu tun, auch mit Mythen, und mit einer Reise ins Inferno."
Verwundbarkeit im Fokus
Die Aufgabe bestehe darin, diese Reise in die Hölle hinauszuzögern, sagte Warlikowski, der bereits zum dritten Mal Regie bei den Salzburger Festspielen führt. "Macbeth hat auch mit Kriegszeiten zu tun. Ich habe die Inszenierung so angelegt, dass ich mich auf das Paar konzentriere." In Macbeth geht es um die Verwundbarkeit der Menschen und das Bedürfnis zu glauben, das Unbekannte bewältigen zu können. Für Festspielintendant Markus Hinterhäuser ist es eine "Unheilsoper", die eine Blutspur hinterlässt und existenzielle Fragen von Schuld und Sühne und Grausamkeit stellt.
Asmik Grigorian, die ihr Rollendebüt als Lady Macbeth gibt, und Vladislav Sulimsky als Macbeth verkörpern ein Paar, das in Leidenschaft, Wahnsinn und Bluttaten vereint ist. "Wir sind alle menschliche Wesen mit Stärken und Schwächen", sagte Grigorian. Wie wird sie ihre Rolle als Lady Macbeth anlegen? "Ich versuche, sie mir als Mensch vorzustellen, sie zu vermenschlichen und mich in die Rolle hineinzuversetzen. Ich möchte auch ihre Schwächen hervorheben." Die Sängerin glaubt nicht an das Böse, alles habe einen gewissen Grund, und da gehöre auch das Böse dazu.
Kinder auf der Bühne
Auf die Frage, ob ihn das aktuelle Kriegsgeschehen bei seiner Arbeit beeinflusst hat, antwortete Warlikowski, "eine Aktualisierung war nicht notwendig". Es stelle sich die Frage, warum haben Menschen den Drang in sich, zu töten, was ist die Ursache. Er wolle aufzeigen, dass es kein Schwarz-Weiß gebe, "alles hat Zwischentöne". In dem Stück gehe es auch über Orakel und Weissagungen von Hexen, was die Zukunft bringt, und über Kinder, die später einmal regieren werden und über die nicht geborenen Kinder des Ehepaars Macbeth. Diese drei Punkte liegen im Spannungsfeld zwischen der Erinnerung an die Vergangenheit und den Gedanken an das zukünftige Schicksal, wie der Regisseur erläuterte. Dazu komme noch die Tatsache, "dass Kinder etwas Irrelevantes verkörpern, es Überraschungsmomente gibt. Kinder sind instinktiv getrieben und gehorchen nicht immer dem formellen Korsett". Es werden auch viele Kinder als Statisten auf der Bühne sein.
Den Erläuterungen des Regisseurs konnte Grigorian nur beipflichten. "Das Kindliche hat mir sehr geholfen. Die radikale Entscheidung, die Lady Macbeth trifft, ist auf Verletzungen aus der Kindheit zurückzuführen und nicht auf kaltblütige Entscheidungen, Morde zu begehen." Warlikowski verwies auf Stilelemente aus dem Film-Noir "Der Konformist/Der große Irrtum" aus dem Jahr 1970 mit Jean-Louis Trintignant in der Titelrolle, der im Jahr 1938 im faschistischen Italien spielt. Der Inhalt dreht sich auch um Schuldgefühle aus der Kindheit, um Lebensirrtümer und das Bedürfnis, gesellschaftlich angepasst zu leben.
Elegante Kleidung für den Tod
Die Kostüme sind an dem italienischen Stil der 1920er und 1930er Jahre angelehnt, wie Małgorzata Szczesniak, für Kostüme und Bühne verantwortlich, erläutert. "Es geht um das Menschliche, das Individuum. Die Leute tragen elegante Kleider, aber sie töten Menschen. Wir stellen mächtige Figuren dar, die aber ein normales Leben führen." Das Bühnenbild soll auch das Metaphorische widerspiegeln. Der Raum ist 31 Meter lang und asymmetrisch, mit langen Wänden und hohen Fenstern, wie bei den erstmalig aufgeführten Shakespeare-Stücken. Dargestellt werden soll auch, dass im Lauf der Geschichte Orte zweckentfremdet werden, so Szczesniak. Zuerst seien sie Begegnungs- und Spielstätten, später wurden dort Menschen getötet oder - wie unter dem ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet - als Konzentrationslager genutzt.
Lady Macbeth mit schöner Stimme
Dass Giuseppe Verdi angemerkt hat, er wünsche sich für die Rolle der Lady Macbeth keine schöne Stimme und auch keine schöne Frau, sorgte bei Grigorian für Schmunzeln. "Das ist eine Frage des Geschmackes", sagte die Sängerin. Sie werde jedenfalls nicht ihre Stimme verändern, "ich möchte nur die unterschiedlichen Seiten von Lady Macbeth zeigen". Sie investiere sehr viel Zeit in die Inszenierung, die Arbeit bezeichnete sie als anspruchsvoll. Mit der Musik Verdis sei sie aber aufgewachsen, "sie hat mich mein ganzes Leben lang begleitet".
Vor wenigen Tagen haben die Salzburger Festspiele publiziert, dass es am Dirigentenpult eine Umbesetzung gibt. Franz Welser-Möst musste aufgrund einer akuten orthopädischen Erkrankung absagen, für ihn springt kurzfristig Philippe Jordan ein. Premiere ist am 29. Juli im Großen Festspielhaus.