Von "Jedermann" bis "Zauberberg": Theater-Highlights 2024
2024 ist ein Jahr der Neuanfänge: Während bei den Salzburger Festspielen die neue Schauspielchefin Marina Davydova erste Akzente setzt und auch ein rundum erneuerter "Jedermann" am Start ist, schlägt der Schweizer Theatermacher Milo Rau als frisch gebackener Intendant der Wiener Festwochen erste politische Pflöcke ein. Auf Abschied stehen die Zeichen am Burgtheater, wo Martin Kušej seinem letzten Schlussapplaus am Haus entgegen blickt, bevor Stefan Bachmann das Amt übernimmt.
Salzburger Festspiele: Viele Debüts unter neuer Schauspieldirektorin
Mit einem rundum erneuerten "Jedermann"-Team rund um den kanadischen Regisseur Robert Carsen sowie ein in drei Kapitel gegliedertes Schauspielprogramm startet die neue Schauspielchefin Marina Davydova in ihre erste Saison bei den Salzburger Festspielen. Im Gepäck hat sie nach der für einige öffentliche Erregung sorgenden Ausladung des alten "Jedermann"-Teams nun Philipp Hochmair in der Titelrolle und Deleila Piasko als Buhlschaft. Ganz verzichten muss man nicht auf Ex-Jedermann Michael Maertens: Er wird aus Briefen von Alexey Nawalny aus dem Gefängnis lesen. Abseits setzt die gebürtige Russin von 19. Juli bis 31. August auf die Beziehung des Menschen zur Transzendenz, zur Geschichte sowie zu seinem Körper und Geist.
Dabei sind einige Regisseure erstmals bei den Festspielen zu erleben: So etwa der polnische Theatermacher Krystian Lupa mit Thomas Manns "Zauberberg", während der Schweizer Thom Luz eine von ihm kreierte Fassung von Stefan Zweigs "Sternstunden der Menschheit" zeigt. Eine Kooperation mit der Kulturhauptstadt Europas, Bad Ischl Salzkammergut 2024, gibt es bei Heiner Goebbels "Everything that happened and would happen". Ausgehend vom Ersten Weltkrieg führt das Stück "an einen Ort gefüllt mit Requisiten aus der Vergangenheit, den Herausforderungen der Gegenwart und verschiedenen Zukunftsentwürfen".
Wiener Festwochen: Milo Rau kündigt Politisches an
Er plant "die politischsten Festwochen der Geschichte": Nach dem vorzeitigen Abgang von Christophe Slagmuylder tritt der Schweizer Theatermann Milo Rau ab 17. Mai seinen Dienst mit Ansage an. Das Programm ist zwar noch geheim, drei Produktionen, die bereits im Vorverkauf sind, geben jedoch bereits einen Ausblick auf die neue Ära: Neben einer Neuinszenierung der wegen Corona 2021 abgesagten Mozart-Oper "La Clemenza di Tito" und einer weiteren eigenen Arbeit im Theaterbereich bekommt die österreichische Choreografin Florentina Holzinger eine große Bühne, wenn "Hardcore-Performance" auf Oper trifft. Dabei widmet sich Holzinger Paul Hindemiths 1922 uraufgeführter Oper "Sancta Susanna". Angekündigt ist "eine musikalische und performative Reflexion über Körper und Sexualität, die gemeinsam mit dem Publikum zur Feier einer feministischen Messe wird". Bereits mehrfach bei den Festwochen zu Gast war die brasilianische Regisseurin Christiane Jatahy, die Shakespeares "Hamlet" in die Gegenwart holen wird, wo sich Hamlet als Frau "mit der Gewalt des Patriarchats konfrontiert" sieht.
"Der Sprechtheaterkanon ist wichtig - aber immer mit einem Zugriff, der möglichst etwas anderes hervorbringt als das, was wir alle kennen", meinte Milo Rau im APA-Gespräch. Seine "Wiener Erklärung", analog zu seinem "Genter Manifest", das in der Theaterwelt Furore machte, soll übrigens als verschriftlichtes Mission Statement seiner Arbeit für diese Stadt schließlich den "großen Abschluss" seiner ersten Festwochen bilden.
Kušej nimmt am Burgtheater Abschied
Welche Stücke in der ersten Saison von Stefan Bachmann ab Herbst am Burgtheater auf dem Programm stehen, ist noch nicht bekannt. Was das Ensemble betrifft, wurde zuletzt eine Rückkehr von Joachim Meyerhoff und Caroline Peters kolportiert, ein Neuzugang könnte demnach Jens Harzer sein. Fix dabei bleiben etwa Ex-Jedermann Michael Maertens und Nicholas Ofczarek, wie beide jüngst verrieten.
Unterdessen verabschiedet sich Martin Kušej in der ersten Jahreshälfte mit betont politischen Setzungen: Gespannt darf man etwa darauf sein, was Regiealtmeister Frank Castorf knapp 35 Jahre nach der Uraufführung mit Thomas Bernhards "Heldenplatz" anstellt. Zuletzt hatte er mit Elfriede Jelineks "Lärm" am Akademietheater und Peter Handkes "Zdenĕk Adamec" im Burgtheater bereits Ausflüge in die österreichische Dramatik unternommen. In die Rolle des Robert Schuster schlüpft Birgit Minichmayr. Der Ausstieg aus dem fatalen Kreislauf von Gewalt und Vergeltung steht in Goethes Drama "Iphigenie auf Tauris" im Zentrum, das Ulrich Rasche mit Julia Windischbauer in der Titelrolle auf die Bühne wuchten wird. Seine allerletzte Regiearbeit als Direktor absolviert Kušej schließlich mit der in den späten 1950er-Jahren verfassten Südstaatenversion des Orpheus-Mythos: Mit "Orpheus steigt herab" von Tennessee Williams holt er sich auf der großen Bühne seinen Schlussapplaus ab.