Saisonstart im Burgtheater mit Diskussion über Rechtspopulismus
Zum Auftakt der neuen Spielsaison hat im Burgtheater die Podiumsdiskussion zum Thema "Aufwachen, bevor es wieder finster wird" stattgefunden. Bei der gemeinsamen Veranstaltung von Burgtheater und der "Süddeutschen Zeitung" ging es um den Machtzuwachs von Rechtspopulisten und Rechtsradikalen und ihren Parteien in Europa.
ÖVP-EU-Abgeordneter Othmar Karas ging dabei auch scharf mit der eigenen Partei ins Gericht, die eine "zu starke Anbiederung" an die FPÖ betreibe.
"Zu starke Anbiederung an die FPÖ"
Karas forderte, dass die Bürger mehr zur Verteidigung der liberalen Demokratie tun müssten. Er machte aber für den Aufstieg der neuen Rechten auch "das Versagen der Mitte" verantwortlich, die Probleme nicht oder zu wenig gelöst habe.
"Ich hätte mir nie im Leben gedacht, dass ich je einmal Demokratie definieren muss", erklärte Karas. Es habe in Österreich eine "zu starke Anbiederung an die FPÖ" gegeben, auch aufseiten der ÖVP. "30 Prozent sind aber keine Mehrheit. Sie werden erst durch Versagen der anderen Parteien zur Mehrheit gemacht", kritisierte Karas unter Applaus des Publikums.
Auch in der EU würde der "Grundkonsens in der Mitte bröckeln". Dabei sei heute mehr denn je eine "lösungsorientierte Politik" gefragt. "Wir müssen die Sorgen und Ängste der Bürger ernster nehmen."
SPÖ und FPÖ Allianz
Der deutsche Politiker und Publizist Michel Friedman, laut eigenen Angaben nur mehr "Karteileiche bei der CDU", kritisierte die seiner Meinung nach nur aus Machtpolitik erfolgten Koalitionen der ÖVP mit der FPÖ auf Bundes- und Landesebene. "Die ÖVP hat schon ohne Not mit Jörg Haiders FPÖ koaliert", so Friedmann, der im Jahr 2000 auf dem Heldenplatz vor 500.000 Demonstranten eine Rede hielt. Jetzt würden nur mehr zehntausende Demonstranten protestieren. Auch in der EU habe die Europäische Volkspartei (EVP) lange mit rechten Parteien wie der ungarischen Fidesz-Partei kooperiert.
Karas wies die Kritik Friedmans für sich zurück. Er habe die jüngste Koalition der ÖVP mit der FPÖ in Niederösterreich bekämpft und sei stets gegen die "Anbiederung an rechte Ränder" eingetreten. Im übrigen sei es die SPÖ unter Bruno Kreisky gewesen, die 1970 als erste mit der FPÖ eine Allianz eingegangen sei. Karas meinte damit die Duldung von Kreiskys SPÖ-Minderheitsregierung für einige Monate und die Durchführung einer Wahlrechtsreform. Eine formelle Koalition bildeten SPÖ und FPÖ unter Kreiskys Nachfolger Fred Sinowatz zwischen 1983 und 1986. Karas forderte, "alles dagegen zu tun, dass es überhaupt möglich wird, dass die FPÖ für die nächste Regierung in Betracht kommt".
Klimawandel, Migration oder Digitalisierung
Die deutsche Politikwissenschaftlerin Hedwig Richter von der Bundeswehruniversität in München brachte den Aufstieg der Partei Alternative für Deutschland (AfD) mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in Verbindung. Die AfD habe weiter den Bezug von billigem Erdgas aus Russland gefordert. "Auch das populistische Versprechen an die Wähler - Ihr müsst euch nicht ändern - hat der AfD zu Wahlerfolgen verholfen", so Richter. Dabei würden globale Probleme wie Klimawandel, Migration oder Digitalisierung auch von jedem einzelnen oft unbequeme Änderungen erforderlich machen. Die "Neue Rechte" habe anarchistische Züge, schrecke auch vor Terrorakten nicht zurück und wolle demokratische Strukturen zerstören.
Deutliche Warnungen, antidemokratische Politik in Polen und Ungarn endlich ernst zu nehmen, äußerte der polnische Journalist Bartosz Wielinski, Mitglied der Chefredaktion der liberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Die rechtsnationalistische Regierung unter Führung von Jaroslaw Kaczynskis Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) habe 2015 zu Beginn ihrer Alleinregierung zuerst die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien eingeschränkt. Daher würden die kommenden Parlamentswahlen am 15. Oktober weder frei noch fair ablaufen. Die Oppositionsparteien hätten keinen Zugang zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen Polens. Regierungskritische Künstler wie die Filmregisseurin Agnieszka Holland würden - ähnlich wie am Anfang der NS-Herrschaft - diffamiert. Die polnische Regierung kritisiere zwar in der EU am stärksten Kreml-Chef Wladimir Putin, würde aber gleichzeitig dessen autoritäre Politik nachahmen, so Wielinski. Putin habe mit rechten und rechtsradikalen Parteien Europas, darunter FPÖ und AfD, Allianzen gebildet, was auch Auswirkungen auf die Wahlen zum Europaparlament im Juni 2024 zeigen werde.
Undemokratische Fehlentwicklungen
Laut Karas hat die EU bei undemokratischen Fehlentwicklungen in Mitgliedsländern "zu lange zugeschaut". Der bisherige "Instrumentenkasten" der EU, darunter das auf Einstimmigkeit beruhende Artikel 7-Verfahren, reiche nicht aus. Immerhin gebe es nun erstmals finanzielle Sanktionen gegen Mitgliedsstaaten. "Wir brauchen aber mehr Staatspolitik und weniger tagespolitische Machtpolitik", forderte Karas, Vizepräsident des Europaparlaments.
Friedman ging auf die aktuelle Situation in Israel ein. Dort protestierten gegen die "schlimmste rechtsextreme Regierung" jeden Samstag über 200.000 Israelis, so der deutsche Publizist. Dadurch sei die Umsetzung der umstrittenen Justizreform zumindest teilweise gelähmt worden. "Was in Israel geschafft wurde, könnte auch in Deutschland und Österreich gegen den Rechtsruck funktionieren." Denn in Diktaturen gebe es kein Demonstrationsrecht mehr. "Und mir ist die schwächste Demokratie noch immer lieber als die stärkste Diktatur."