Premiere: Lehárs "rüstige Witwe" in der Volksoper
Ältere Frauen sind bekanntlich coole Mädchen, die schon lange leben. Das gilt auch für die reiche Hanna Glawari, die Titelfigur in Franz Lehárs "Die lustige Witwe" - zumindest in der neuen Volksopern-Inszenierung des Operettenklassikers. Denn die französische Witwen-Regiedebütantin Mariame Clément setzt den Kunstgriff, das Liebespaar um Jahrzehnte altern zu lassen. Und das Konzept der rüstigen statt der lustigen Witwe geht auf, wie der Premierenjubel am Samstag zeigte.
Die 38-jährige Anett Fritsch verkörpert die bissige Diva, der Daniel Schmutzhards Graf Danilo Danilowitsch im ebenfalls deutlich reiferen Lebensalter zur Seite steht. Doch die beiden Bühnensenioren sind eher viril statt senil und gebe in ihrem dritten Frühling ein putziges Paar ab. Tatsächlich ergibt die Rentnervariante der "Witwe" durchaus Sinn. So erscheint das Wiederaufneinandertreffen zweier einstiger Liebender, die nun heiraten sollen, um das fiktive Fürstentum Pontevedro vor dem Ruin zu retten, schlüssiger, wenn zwischen der Jugendliebe und der Spielzeit Jahrzehnte vergangen sind.
Volksoper zeigt Operette mit aktuellen Zwischentönen
Clément, die heuer bei den Salzburger Festspielen Offenbachs "Les Contes d'Hoffmann" inszenieren wird, siedelt das Geschehen dabei in den 1950ern an. Hierfür greift die Bühnenbildnerin Julia Hansen auf Petticoat und Haartolle zurück und gestaltet mittels blauer Samtvorhänge und Drehbühne schnell wechselbare Spielflächen. Die Ausnützung dieser Möglichkeiten bleibt bisweilen allerdings etwas halbgar.
Wenn etwa die versammelte Herrenriege zum Klassiker "Ja, das Studium der Weiber ist schwer" im Drehbühnenrondell Elemente von Crossdressing andeutet, wird das Ganze nicht wirklich durchgezogen. Und auch der Rückgriff auf Slapstickklassiker wie dem Lampenschirm, der auf den Kopf gesetzt als Versteck dient, müsste ironischer gebrochen daherkommen, um zu zünden.
Aktualisiert wurden indes die Dialoge, für die Ensemblemitglied Jakob Semotan verantwortlich zeichnet, der die üblichen Alkohol- und Liebesscherze beibehält. Neben bisweilen etwas zu ostentativ eingesetzten Running Gags wie die sich unendliche Male wiederholende Phrase "So ist's einmal. Und fertig." der Witwe, finden sich darin auch Blüten wie "Es ist ehrenhaft, fürs Vaterland zu erben." Am Ende des Abends finden sich dann Hanna und Danilo und genießen den wohlbestallten Lebensabend. Die Alten haben das Geld und können feiern, während die Jungen respektive der Staat durch die Finger schaut. Da erweist sich das Genre Operette doch als erstaunlich aktuell.
Martin Fichter-Wöß/APA