Mutterschaft in Großaufnahme: Die Rabtaldirndln und ihre "Ahnfrauen"
“Es gibt keinen Ort der Welt, an dem man sicherer geborgen wäre, als in den Armen der Mutter”, sprach Selma Lagerlöf, die erste Literaturnobelpreisträgerin der Welt.
Aus der Perspektive eines Kindes – was wir alle sind – können wir dieser Aussage zum Großteil zustimmen. Doch wie sieht es mit der Perspektive einer Mutter aus? Wie geht sie damit um, zumindest eine Zeitlang das Zentrum des Universums für ihre Kinder zu sein? Versteckt sich hinter der tiefen Zufriedenheit der Mutterliebe nicht auch Knechtschaft, Chaos und Überforderung?
Diesen Fragen – und noch vielen weiteren – ist das neue Stück der steirischen Rabtaldirndln gewidmet. Mit “Ahnfrauen” bespielt das vierköpfige Theaterkollektiv noch bis 9. Februar das Wiener Kosmos Theater. Und schon der anhaltende Applaus nach der Premiere am Donnerstagabend stellte dar: Das Thema “Mutterschaft” geht an niemandem emotionslos vorbei.
Mama trifft auf Mama
Für ihr Stück trafen sich die Schauspielerinnen Barbara Carli, Rosa Degen-Faschinger, Bea Dermond und Gudrun Maier nicht nur mit Gender-Expertinnen. Besonderes Augenmerk legten sie auch auf die Begegnung mit ihren eigenen Müttern – die nicht alle gleichermaßen bereit waren, einen Beitrag zum Stück zu leisten. Denn Mutter- bzw. Frausein hat jede von ihnen anders erlebt: Manche widmeten sich gänzlich ihrem ländlichen Leben und wurden integraler Teil der Familienwirtschaft, während andere ihrem Kind die Unabhängigkeit von Männern vorleben. Die immense Care-Arbeit, die sie viele Jahre geleistet haben, verbindet sie jedoch alle.
Die Darstellerinnen schaffen es meisterhaft, die politischen und gesellschaftlichen Aspekte der Rolle “Mutter” mit amüsanten Anekdoten sowie einer geschichtlichen Betrachtung zu verknüpfen. Von zum Schießen komischen Marienabbildungen bis zu Kindergartenliedern über Mamas Küchenkunst – kein Aspekt kommt zu kurz.
Riesige Puppe im Mittelpunkt
Im Zentrum der Inszenierung: Eine überlebensgroße Puppe, die gebärt, auf der aber auch getobt und gekuschelt wird. Sie zeigt die unglaubliche Geduld, aber auch den Stoizismus, die einer (Mehrfach-)Mama zu eigen sind. Mit ihr haben die Rabtaldirndln eine ungekünstelte, aber auch sehr liebevolle Projektionsfläche für das Publikum geschaffen.
Und deshalb will man folgendem Satz aus der offiziellen Stückbeschreibung auch widersprechen: “(..) Vollständigkeit bleibt notgedrungen ausgeschlossen”. Denn “Ahnfrauen” fühlt sich durchweg vollständig an – da jede einzelne Person im Publikum die Hohlräume mit eigenen Erfahrungen, Erwartungen und Erinnerungen füllt.