Theater an der Wien: Von Veränderungen und Traditionen
Es zählt zu den traditionsreichsten Theaterhäusern Wiens - und hat doch in der Geschichte seines 221-jährigen Bestehens zahlreiche fundamentale Richtungswechsel erlebt: das Theater an der Wien (TaW), Geburtsort von Beethovens "Fidelio", Heimat von Volksstück, Operette und Mozartstil, schließlich Musical-Flaggschiff und nun schon längere Zeit wieder Opernhaus.
Das TaW hat schon viel gesehen. 1801 von Emanuel Schikaneder und Bartholomäus Zitterbarth gegründet, zählte das Haus zu den wenigen "Vorstadttheatern", die sich außerhalb der Wiener Innenstadt dauerhaft behaupten konnten. Eng verbunden ist das Haus mit Ludwig van Beethoven, der von Schikaneder bereits 1803 als Hauskomponist und Kapellmeister engagiert wurde. Zu seinen Uraufführungen am Theater an der Wien zählen etwa der "Fidelio" oder die "Eroica".
Doch schon in den Anfangsjahren - angestoßen meist von Geldsorgen - wechselte die inhaltliche Ausrichtung des Hauses wiederholt. Ab den 1820er Jahren wird man zur Heimstätte für Raimund und Nestroy, der unter anderem "Lumpazivagabundus", "Der Talisman" oder "Das Mädl aus der Vorstadt" uraufführte, ab den 1860ern beginnt hier der Siegeszug der Wiener Operette: 1874 wird Strauß' "Fledermaus" im Haus uraufgeführt, unter der Betreiberfamilie Marischka, die das Theater schließlich 1960 an die Stadt Wien verkaufen wird, entstehen fast 40 Jahre lang Publikumserfolge, von der "Lustigen Witwe" bis "Gräfin Mariza".
Den Zweiten Weltkrieg übersteht das Theater unbeschädigt und wird unmittelbar danach erneut zum Ort der Stilprägung: Die ausgebombte Wiener Staatsoper bezieht hier ihr Ausweichquartier und bringt Mozart-Opern heraus, die bis heute einen "Wiener Mozartstil" definieren. Nach Kauf und Umbau durch die Stadt wird das Theater 1962 als Festspielhaus der Wiener Festwochen wiedereröffnet - und schließlich im Verband der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) unter Intendanten wie Peter Weck und Rudi Klausnitzer zur Musicalbühne. Große Erfolge markieren etwa die deutschsprachige Erstaufführung von "Cats" oder die Uraufführung von "Elisabeth".
Mit 2006 startete das nächste Kapitel
2006 wird das nächste Kapitel in der Geschichte des Hauses aufgeschlagen: Mit Intendant Roland Geyer kehrt die Oper in "Das neue Opernhaus" zurück. Das knapp 1.200 Sitz- und Stehplätze fassende Haus läuft seither im Gegensatz zu Volks- und Staatsoper im weltweit dominierenden Stagionebetrieb, zeigt also jeweils eine szenische Inszenierung mehrfach, bevor diese der nächsten Platz macht. So ist im Haus monatlich eine Premiere zu erleben. Deshalb besitzt das TaW auch kein eigenes Ensemble oder Orchester, sondern engagiert die Beteiligten jeweils für eine konkrete Produktion, wobei auf Orchesterseite vor allem die Wiener Symphoniker, das RSO sowie verschiedene Originalklangensembles zu den Stammgästen gehören.
Programmatisch orientierte man sich anfangs an der Leitlinie "Bis Mozart" und Moderne, auch wenn diese Grenze mit den Jahren vermehrt zugunsten von Werken des 19. Jahrhunderts überschritten wurde. Mit Originalklang, selten gespielten Stücken und spannenden Besetzungen etablierte man sich erstaunlich schnell als wesentliche Stimme im internationalen Opernbetrieb. Diesen Weg soll nun auch der neue Intendant Stefan Herheim fortführen, wobei man im TaW auch über die neue Direktion hinaus schon wieder ein neues Kapitel aufschlägt: Seit März ist das Traditionshaus geschlossen und wird bis Herbst 2024 generalsaniert. Herheim wird seine erste Premiere in neuer Funktion deshalb im Ausweichstandort Museumsquartier feiern, bis das Traditionshaus bereit ist, ihn als Direktor zu empfangen.