Volkstheater Wien: Auftakt mit Sadomaso-Perfomance
Begierde und Gewalt, Macht und Machtspiele, Faschismus und Anziehung zwischen Mann und Frau - das sind die Themen, die auf jene Zuschauerinnen und Zuschauer warten, die sich für den Besuch der Performance "NV/Night Vater/Vienna" im Volkstheater Wien entscheiden. Was sie an den vier Tagen genau erwartet, wisse sie selbst noch nicht so recht, gab Schauspielerin Lilith Stangenberg heute zu. "Hoffentlich weiß ich am Samstag mehr." Am Samstag ist Premiere.
Einen Bühnentraum wird wahr
Volkstheater-Direktor Kay Voges, der mit dieser Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg seine dritte Saison beginnt, sich kürzlich über viele Auszeichnungen für sein Haus bei der Kritikerumfrage von "Theater heute" freuen durfte und derzeit Goethes "Faust" probt (Premiere am 24. September), nannte Stangenberg eine der aufregendsten Schauspielerinnen des deutschsprachigen Theaters und Paul McCarthy einen der wichtigsten Künstler Amerikas. Dass dieser nun auf der Bühne des Volkstheaters stehe, sei die Erfüllung eines Traums. Mitverantwortlich dafür, dass die ursprünglich einmal für die Wiener Festwochen gedachte Produktion nun hier gezeigt werden kann, ist Kurator Henning Nass, der am Donnerstag auch durch ein Pressegespräch mit McCarthy und Stangenberg führte.
Berüchtigter 70er-Film als Vorlage
Ausgangspunkt der Arbeit, deren etwas anders gelagerter Hamburg-Teil kürzlich an der Waterkant gezeigt wurde, ist der in Wien gedrehte Film "The Night Porter"(1974) der italienischen Regisseurin Liliana Cavani. Darin begegnen die ehemalige KZ-Gefangene Lucia und der nun als Nachtportier in einem Wiener Hotel arbeitende frühere SS-Offizier Max einander und beginnen eine sadomasochistische Beziehung, die schließlich in seiner Wohnung in völliger Abschottung von der Außenwelt ausgelebt wird. Er sei fasziniert vom archetypischen Thema Frau und Mann in der Isolation, erklärte McCarthy. Es gehe um wechselnde Machtverhältnisse, aber auch um Faschismus, um die Unterschiede und Einflüsse von Disney-Kultur und "alpiner Kultur". "Als wir einmal darüber gesprochen haben, kam zunächst im Scherz die Idee auf: 'Warum machen wir kein Remake?'" Seither hat das Thema McCarthy und Stangenberg nicht mehr losgelassen.
Zwischen Performance und Experimentalfilm
Die Wiener Gesamt-Performance könnte maximal 15 Stunden dauern, wobei in Hamburg die Vorstellungen von den beiden ausgepowerten Akteuren meist nach rund zwei Stunden beendet wurden. "Über vier Tage hinweg werden sowohl improvisierte, als auch im Skript fixierte Aktionen eine geschlossene Erzählung bilden, wobei jeder Tag eine andere Episode darstellt", heißt es in der Ankündigung. "Es gibt ein grobes Skript, das uns eine Struktur, ein Skelett gibt", sagte McCarthy. "Wir haben Szenen und haben eine ungefähre Idee, wann die nächste startet. Es gibt Dialoge, die wir verwenden oder nicht. Manchmal dauert eine Szene fünf Minuten, ein anderes Mal dauert sie 40 Minuten."
Als Regisseur sieht sich der Künstler nicht. "Ich komme aus den Bereichen Experimentalfilm und Performance. Diese Kategorien existieren dort nicht. Ich kreiere Sets, künstliche Situationen. Ich sehe das Ganze als eine Art Skulptur." Wesentlicher Teil dieser lebenden Skulptur ist die Schauspielerin Stangenberg, die "ein sehr altmodisches Verständnis von Theater" hat, "wie bei den Griechen, wo das Theater in erster Linie ein Ort der Katharsis war. Jede Kunstform, besonders die Theaterkunst, gibt den Menschen die Möglichkeit, sich mit den eigenen Abgründen zu beschäftigen." Verbrechen und Schrecken seien Teile der menschlichen Natur. "Es gibt kein Wesen, das so unmenschlich und bestialisch handelt wie der Mensch."
Begierde, Verdrängung, Anziehung der Geschlechter, das Unbewusste - all' das seien große Themen in Wien, der Stadt der Psychoanalyse, meinte Henning Nass zu Paul McCarthy. Ob seine Arbeit besonders stark mit Sigmund Freud zu tun habe? Der Künstler gab sich cool: "Lasst das Freud selbst entscheiden..."