steirischer herbst: Ausstellungen umkreisen "Humans and Demons"
Mit Menschen und Dämonen beschäftigt sich der 56. steirische herbst und stellt sich diesem Thema auf ganz unterschiedliche Weise in vier Gruppenausstellungen.
In Mariagrün hat das Demon Radio sein Studio errichtet, im Stadtpark befindet sich die Villa Perpetuum Mobile, am Griesplatz kann man bei Submarine Frieda abtauchen und das Minoritenkloster wurde zur Church of Ruined Modernity.
Von Menschen und Dämonen
In einem aufgelassenen Callcenter im ruhigen Wohnbezirk Mariagrün hat sich das Demon Radio etabliert. Dort steht die Person von "Dr. Jazz", dem NSDAP-Mitglied und gleichzeitigem Jazzfan Dietrich Schulz-Köhn im Mittelpunkt. Ausgehend von seiner Geschichte geht es in den hier gezeigten Arbeiten um gemischte Botschaften und deren Übermittlung. Vor dem Gebäude ist ein Werk von Jos de Gruyter und Harald Thys zu sehen: In einem schwarzen Mercedes sitzen vier uniformierte Schäferhunde in menschlicher Pose, es erklingt Musik von Beethoven.
Der Titel "Die Drei von der Tankstelle" bezieht sich auf einen gleichnamigen deutschen Film von 1930 und soll den Gegensatz zwischen der positiven Einstellung der Protagonisten und der düsteren Realität aufzeigen. In der Ausstellung sind auch einige der Jazzplatten von Schulz-Köhn zu sehen, die er dem Grazer Institut für Jazzforschung hinterlassen hat. Ein Video von Anna Engelhardt und Mark Cinkevich thematisiert das unbarmherzige Vorgehen des russischen Militärs bei seinen Kolonialfeldzügen. Zuleikha Chaudharis Installation beschäftigt sich mit gemischten Botschaften im Radio. Sie stellt dazu das Studio eines Senders für nationalistische indische Propaganda, der sich im Zweiten Weltkrieg in Berlin befand, dar.
Programm-Orte beim steirischen herbst
Das Forum Stadtpark wurde vorübergehend zur Villa Perpetuum Mobile und zum "Wohnsitz" des Dissidenten Stefan Marinov umgestaltet. Der Physiker, Dichter und Psychiatriepatient wandte sich nicht nur gegen die Regierung seiner bulgarischen Heimat, sondern auch gegen Einsteins Relativitätstheorie. Er verbrachte seine letzten Lebensjahrzehnte in Graz und beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Bau eines Perpetuum mobile. Die Arbeit "The Believers" von Pedro Gomez-Egana zeigt diese Zerrissenheit in Form eines Esstisches, bei dem einige Geschirrteile in zwei Hälften gespalten sind. Mehrere Pendel schlagen immer wieder gegen den Tisch, sie fahren sogar in den Riss eines Tellers. Eine Installation von Alice Creischer verweist auf einen Magnetmotor, den Marinov gebaut haben soll, aber auch auf seinen Brotberuf als Pferdepfleger.
Ein weiterer Ausstellungsort ist ein aufgelassener Supermarkt am Griesplatz, der am tiefsten gelegene Teil der Stadt, in dem immer schon die sozial Schwachen und Migranten lebten. Submarine Frieda stellt sich den Stadtteil unter Wasser liegend vor, das Publikum schaut aus dem großen Fenster aus Kinosesseln auf die Straße - oder doch auf das Treiben im Wasser? Taucht man tiefer in die Werkschau ein, findet man in einem Aquarium eine Frieda-Postkarte. Frieda war eine fiktive Figur von Grazer Friedensaktivistinnen und -aktivisten, die im Zweiten Weltkrieg erfunden wurde. Im hinteren Bereich des Raumes findet sich eine Installation von Lucile Desamorys, die auf Leinwänden verschwommene Bilder zeigt, die einen sprachlosen, fluiden Raum zwischen Leere und autonomer Zone schaffen sollen.
Die Church of Ruined Modernity wiederum wurde im Kloster der Minoriten errichtet. Ab den 60er-Jahren wurde in dem kirchlichen Bau moderne Kunst gezeigt, so auch die Arbeiten von Mira Schnedel. Sie erhielt 1944 in Graz einen kroatischen Pass und flüchtete nach Brasilien. Ausgehend von ihrer Geschichte reflektiert die Ausstellung die Gewalt der Moderne. Eine Videoarbeit von Meg Stuart versucht sich tänzerisch den Räumen der ehemaligen Vorklinik, die nun abgerissen wird, zu nähern. Pavel Brailas Videoinstallation befasst sich mit den Spuren der Geschichte, die man in Graz findet und widmet sich dabei der Annenstraße, eine einst blühende Einkaufsstraße, die von der Enteignung jüdischer Geschäftsleute im Jahr 1938 stark betroffen war und heute aus leer stehenden Geschäften und Bewohnern nicht österreichischer Herkunft besteht.