Ars Electronica: Roboter-Café mit Servicepersonal im Homeoffice
Im "Avatar Robot Café DAWN ver.ß" in Tokio bringt ein Roboter die Getränke. Ihm wohnt keine Künstliche Intelligenz inne, der mechanische Kellner wird von einem Menschen gesteuert, dem es aufgrund einer Beeinträchtigung nicht möglich ist, vor Ort zu arbeiten. Ory Yoshifuji gewann dafür heuer die Goldene Nica "Digital Communities" des Prix Ars Electronica. Für Lebenshilfe-Werkstättenleiter Nikolaus Obergruber wäre so ein Café auch in Österreich "einen Versuch wert".
Gesellschaftliches Leben dank Roboter
Im barrierefreien Avatar-Robot-Café gibt es Plätze mit "normaler" Bedienung und solche, die von den mittels Augen-, Maus- und/oder Smartphone-Eingabe gesteuerten Robotern OriHime und OriHime-D bedient werden. Der "Pilot" operiert von zuhause aus, quasi aus dem Homeoffice, und kann dabei mit den Besucherinnen und Besuchern im Café kommunizieren. Oft sind die Piloten auf Tablets am Roboter sichtbar.
Yoshifujis Beweggründe waren, Menschen mit einer Krankheit, die sie ans Bett oder in ihrer Wohnung bindet, eine neue Möglichkeit zu geben, am sozialen und Erwerbsleben teilzuhaben und mit anderen Menschen zu kommunizieren. Sein eigener Sekretär, der ab der Halswirbelsäule gelähmt ist, brachte ihn auf die Idee, verriet Projektmanagerin Meiza Suzuki von Ory Lab. im Ars-Electronica-Interview. OriHime-D ist 1,20 Meter hoch und hat mechanische Arme, die körperliche Arbeit wie Service und das Tragen von Dingen ermöglichen. Im Sommer 2018 übergaben erstmals ALS-Patienten per Augeneingabe Kaffee. Drei Jahre später eröffnete das Avatar-Robot-Café "DAWN ver.ß" in Tokio.
Japanisches Vorbild nun auch in Österreich?
Was seit Juni 2021 in Japan funktioniert, kann sich Nikolaus Obergruber, ab Oktober Fachbereichsleiter Werkstätten und Integrative Arbeit bei der Lebenshilfe, auch für Österreich vorstellen. "Den Versuch würden wir wagen", sagte er im APA-Gespräch. "Wichtig ist, dass die Beschäftigten die Geräte steuern und nicht die Beschäftigten von den Geräten gesteuert oder ersetzt werden", betonte er. Dann seien es tolle Hilfsmittel.
Augensteuerung werde bei der Lebenshilfe bereits intern zur Kommunikation zwischen Beeinträchtigten und Betreuern genutzt. Auch sogenannte Taster seien im Einsatz, auf die ein Angehöriger daheim etwas spricht. Die beeinträchtigte Person kann dann selbstständig durch den Tastendruck bestimmen, wann sie die Information mit anderen teilt. Auch ein Tablet eröffne viele Möglichkeiten zur Kommunikation. "Das erleichtert unsere Arbeit sehr", betonte Obergruber.
Barriere abbauen, Kontakte knüpfen
Es gehe darum Kontaktpunkte zu schaffen, wo Beeinträchtigte mit Nicht-Beeinträchtigten zusammenarbeiten. Bei der Lebenshilfe bedeutet Integrative Beschäftigung, dass Beeinträchtigte in Firmen am ersten Arbeitsmarkt - mit Unterstützung von Betreuern oder selbstständig - tätig sind. "Es ist vom Selbstwert her enorm, was eine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt bedeutet", erklärte der derzeitige Leiter der Werkstätte St. Florian. Eine Frau komme immer strahlend aus der Firma zurück und erzähle voller Stolz, was sie gemacht habe. "Sie lernen neue Leute kennen und es ist eine Möglichkeit, Barrieren abzubauen."
Auch wenn beim Avatar-Robot-Café das eigene Haus nicht verlassen wird, bleibe die Kommunikation und das Mitwirken in einem Betrieb, eine sinnstiftende Tätigkeit, sieht Obergruber in dem japanischen Prototyp ein zukunftsträchtiges Modell.
Beim Ars Electronica Festival von 7. bis 11. September in Linz werden OriHime-Roboter am Campus der JKU anwesend sein. Über sie können Besucher mit den "Piloten" in Japan oder anderswo - über die Personalagentur "Avatar Guild" kann man sich weltweit bewerben - kommunizieren, die aufwendige Infrastruktur eines Robot-Cafés wird allerdings nicht aufgebaut.