"Ausgestopfte Juden?" - Neue Schau im Jüdischen Museum Hohenems
"Ausgestopfte Juden?" - Unter diesem provokanten Titel stellt das Jüdische Museum Hohenems seine neue Ausstellung vor. Die Schau von 26. Juni bis 19. März 2023 handelt von der Geschichte und Gegenwart jüdischer Museen sowie ihrer Rolle in der Zukunft. Weltweit gibt es über 120 derartige Häuser, allerdings mit sehr unterschiedlicher Ausrichtung. So versteht sich Hohenems als "kritisches Heimatmuseum".
Der Titel der von Felicitas Heimann-Jelinek und Hannes Sulzenbacher kuratierten Ausstellung spielt auf eine Aussage des damaligen Vorsitzenden der Israelischen Kultusgemeinde, Paul Grosz, an. Vor vielen Jahren gefragt, was er von der Gründung eines Jüdischen Museums halte, stellte er die bittere Gegenfrage, ob Jüdinnen und Juden dort "wie ausgestopfte Indianer" bestaunt werden sollten. In der Aussage zeige sich der Wunsch, nicht wie in einer Völkerschau als "das Andere" betrachtet werden zu wollen, und zugleich die Betonung, nicht Teil einer vermeintlich rückständigen Kultur zu sein, so Museumsdirektor Hanno Loewy.
Geschichte jüdischer Museen
Erste jüdische Museen wurden Ende des 19. Jahrhunderts aus jüdischen Gemeinden heraus gegründet, als Juden als Minderheit in einer christlich geprägten, sich säkularisierenden Gesellschaft ihre Kultur in einer Form der Selbstbehauptung als eigenständig, hervorstreichen wollten. Hier setzten erste Sammlungen Standards in der Definition, was jüdisch ist. "Das produzierte schon damals einen Judaica-Markt, auf dem es auch Fälschungen gab", so Loewy. Einige davon sind in der Schau zu sehen.
Nach dem Holocaust wurden jüdische Museen im deutschsprachigen Raum vielfach von der Mehrheitsgesellschaft gegründet, um eine Art von Wiedergutmachung zu leisten und um das eigene Christliche, das ja auf dem Judentum fußt, besser verstehen zu können. Zudem zeige sich, dass sich in der jüdischen Geschichte stets die Weltgeschichte spiegle. So widmete sich das Jüdische Museum Hohenems als eines der ersten Häuser Fragen des Zusammenlebens, von Zugehörigkeit, von Migration und Flucht - heute der Schwerpunkt vieler jüdischer Museen, betonte Loewy. Heute, wo das Christentum nicht mehr vorherrschend sei, gebe es viel Verunsicherung und neu auszuhandelnde Fragen, "und jüdische Museen sind Orte dafür". "Wir haben uns immer schon kritisch mit uns selbst beschäftigt", so Loewy.
Streitthema Israel
Dabei hätten jüdische Museen den ethnografischen Museen den Rang abgelaufen, diese stünden mit einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrer Sammlung erst am Beginn, wie aktuelle Provenienz-Debatten zeigten. So entstehe die Ausstellung "Ausgestopfte Juden?" bewusst in Kooperation mit dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Dresden und Herrnhut, wohin die Schau dann weiterwandert.
Jüdische Museen beschäftigten sich vergleichsweise selten mit Israel, denn dabei handle es sich um ein heißes Streitthema, bei dem man rasch Ärger mit Sponsoren oder der israelischen Botschaft bekommen könne, so Loewy. "Denn Israel ist beides: der Versuch der Rettung der europäischen Juden, gleichzeitig aber Teil der europäischen Kolonialgeschichte, jedenfalls aus der Perspektive des globalen Südens", erklärte er. Hier stießen zwei moralische Imperative aufeinander, die beide gleich richtig und wichtig seien, beide Seiten erzählten dabei aber oft nur die halbe Wahrheit. "Da nützt es nichts, einfach zu erklären, das sei antisemitisch. Da muss man schon genau hinschauen", so Loewy, auch mit Blick auf die Debatte um die documenta in Kassel.