vorarlberg museum steht bis Oktober im Zeichen der Schönheit
Nach Wien und Frankfurt macht das Ausstellungsprojekt "Beauty" des in New York lebenden Vorarlberger Grafikdesigners Stefan Sagmeister und der Grafikdesignerin Jessica Walsh ab 9. April Station im vorarlberg museum. Die für 2020 programmierte, coronabedingt verschobene Sonderschau bezieht rund 80 Objekte aus dem Museumsdepot mit ein. "Gut Ding braucht Weile", kommentierte Museumsdirektor Andreas Rudigier das bis 16. Oktober dauernde "Heimspiel" für Sagmeister am Donnerstag.
Multimediale Ausstellung
Die multimediale Ausstellung, in der Besucher immer wieder zur Abstimmung über ihr Schönheitsempfinden gebeten werden, stellt Fragen nach der Schönheit und ihren positiven Effekten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Schönheit als Kategorie in Architektur, Städtebau, Grafik und Produktdesign zugunsten der Funktionalität abgeschafft. Sagmeister verortete den Beginn dieser Entwicklung im frühen 20. Jahrhundert, als Adolf Loos 1913 in seinem Vortrag "Ornament und Verbrechen" alle Verzierung und alles Schmückende als unangemessen und überflüssig abtat. Inzwischen gebe es aber Anzeichen für ein Umdenken, denn die Form folge nicht einfach der Funktion, sondern sei in vielen Fällen selbst die Funktion, erklärte Sagmeister.
Schönheit = Problemlösung?
Auf das Thema Schönheit sei er in seiner Arbeit im Grafikstudio gekommen. "Wenn wir Zeit in die Form investierten, funktionierte das Ding sehr viel besser", so seine Beobachtung. Zumeist begnügten sich Designer aus Faulheit zu leicht mit funktionalen "Problemlösungen". Dabei habe Schönheit Einfluss darauf, wie wir uns fühlen, und auf unser Benehmen, betonte Sagmeister. Das untermauert das Designer-Duo mit zahlreichen Beispielen aus Schriftkunst, bildender Kunst, Architektur und Stadtplanung in der Schau. Gäste können etwa einen Vogelschwarm steuern, sich in einem schönen Kleid fotografieren und über ihre Lieblingsfarbe abstimmen. Weltweit ist letzteres bei den meisten Menschen blau, während braun als hässlichste Farbe empfunden wird. Bei den Formen sei der Kreis der Favorit, das Rechteck dagegen gilt als die hässlichste Form. "In der Architektur gibt es sehr viele braune Rechtecke. Das, glaube ich, ist dumm", brach Sagmeister eine Lanze für Farb- und Formenmut.
"99 Prozent der Dinge sind hässlich, weil es jemandem egal war", so der Designer, der 2016 mit "The Happy Film" einen erfolgreichen Film über Glück produzierte. Dabei spiele die Liebe zu den Dingen eine wichtige Rolle. Für die Bregenz-Schau reflektierte Sagmeister dementsprechend anhand von Exponaten aus der Sammlung die eigene Vergangenheit in Bregenz. Ein ausgestelltes Votivbild, das ein Lawinenunglück zeigt, kannte Sagmeister aus dem Sommerurlaub aus dem Montafon als Kind, auch sein Lieblingsbild von Rudolf Wacker "Japanisches Püppchen und Mohn" (1934) fand Eingang, ebenso wie Fotografien, die den Künstler Gottfried Bechtold neben einem Porsche zeigen.
Schönheit spielt eine wichtige Rolle
Dass Schönheit für die meisten Menschen keine Rolle spiele, stimme nicht, war Sagmeister überzeugt. So sei bei Google Translate der weltweit meistübersetzte Begriff aus dem Englischen in die zehn geläufigsten Sprachen das Wort "beautiful". In Anspielung an Sagmeisters Lieblingsbild, Da Vincis "Die Dame mit dem Hermelin", schuf der 1962 in Bregenz geborene Grafiker, der auch das Corporate Design des vorarlberg museum entwarf, dazu eine limitierte Lithografie. In Zusammenarbeit mit der Kulturhäuser GesmbH (KuGes) will Sagmeister dieses Projekt zugunsten der Ukraine-Hilfe weiterentwickeln.
Für die Verantwortlichen der Stadt Bregenz, in der ja viel über eine Umgestaltung diskutiert wird, hatte der Designer übrigens den Rat, sich norditalienische Städte an Seen anzusehen. Wenn die Straße Stadt und See nicht mehr trennen würde, wäre das "ein unglaublicher Schub" für die Schönheit seiner Heimatstadt. "Bregenz war selten hässlich", hielt er fest. Doch Dornbirn, vor 40 Jahren eine hässliche Stadt, habe sich schneller zum Besseren entwickelt als Bregenz. Im globalen Vergleich könne er sagen, das habe immer mit dem Bürgermeister zu tun. "Dornbirn muss einen besseren Bürgermeister gehabt haben als Bregenz", mutmaßte er.