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"Das Wienerlied ist gemütlich, raunzt und macht Freude"

Zwischen Kabarett und Dichtung, zwischen Wirtshaus und Bühne, zwischen Weltschmerz und Schmäh: Das Wienerlied bewegt sich zwischen entgegengesetzten Polen und repräsentiert so die Seele der österreichischen Bundeshauptstadt.

“wean hean”, das Festival des Wienerlieds lässt das Genre jährlich hochleben. Auch heuer treffen von 13. April bis 11. Mai moderne Vertreter:innen und alte Bekannte in sieben besonderen Lokalitäten aufeinander. Neben dem kulinarischen Fokus in der Lyrik (“Biberln und Papperln”), feiert das Festival 2023 auch die Musik von "150 Jahre Weltausstellung".

Aus den Augen, nicht aus dem Sinn

Das lange Zeit sehr populäre Wienerlied verschwand Mitte des 20. Jahrhunderts von der Bildfläche. Erst einige Jahre später sorgten die Komponisten Karl Hodina und Roland Neuwirth für eine Renaissance des Genres, indem sie es mit Elementen aus Jazz und Blues spickten und modernisierten. Mit der Gründung der Musikfestivals “Wien im Rosenstolz”, “Akkordeonfestival” und “Wean Hean” wurde der kulturelle Aufschwung des Wienerlieds im Jahr 2000 weiter vorangetrieben.

Die mangelhafte Repräsentation von Künstlerinnen ist eine Problematik, mit der fast jede kulturelle Gattung zu kämpfen hat. Allein, wenn man die populären Vertreter (!) des Genres aufzählt (Roland Neuwirth, Walther Soyka, Ernst Molden, der Nino aus Wien, Voodoo Jürgens …) ist schnell klar, dass die Frauen auch hier viel seltener im Rampenlicht stehen.

Frauenanteil deutlich erhöht

Beim Festival “wean hean” wird der Frauenanteil jedenfalls immer größer, betont Festivalproduzentin Susanne Rosenlechner in der aktuellen Aussendung zum Programm 2023: “Wir bewegen uns heuer beinahe in Richtung 50:50, was vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.” Mit events.at hat die künstlerische Geschäftsleiterin des Wiener Volksliedwerkes über die Frauen im Wienerlied, den speziellen Reiz des Genres und ihre persönlichen Festival-Highlights gesprochen.

Susanne Rosenlechner: Festivalproduzentin von "wean hean" und künstlerische Geschäftsleitung des Wiener Volksliedwerkes.

Susanne Rosenlechner: Festivalproduzentin von "wean hean" und künstlerische Geschäftsleitung des Wiener Volksliedwerkes.

© Hajnalka Beren Photography

Wenn man sich nur oberflächlich mit dem Genre Wienerlied beschäftigt, findet man auf Anhieb nicht allzu viele Interpretinnen. Standen damals tatsächlich keine Frauen auf der Bühne oder sind nur die ihre Namen nicht überliefert worden?

Offiziell durften Frauen erst ab 1871 als Volkssängerinnen auftreten. Sie haben das vereinzelt auch vorher schon gemacht, aber eben illegal. Absurd ist auch, dass die Frauen damals ein langes schwarzes Kleid auf der Bühne tragen mussten. Im 19. Jahrhundert gab es sehr viele dieser Volkssängerinnen, sogar eigene Damenmusikkapellen. Neben den Volkssängerinnen, die auf den Wirtshaus- und Heurigenbühnen unterwegs waren, gab es auch Natursängerinnen, das waren zum Beispiel die "Wäschermadln", die haben sehr viel gedudelt. Dudeln (Wienerisches Wort für Jodeln, Anm.) war generell eher Frauensache, weil den Männern die Stimmlagen einfach zu hoch waren.

Und wie sieht das heute aus: Ist das Wienerlied weiterhin ein von Männern dominiertes Feld?

In den letzten Jahren habe ich dazu Folgendes beobachtet: Wenn ich ohne Rücksicht auf eine Frauen- und Männer-Balance ein Wienerlied-Festivalprogramm gestalten würde, dann wäre das Ergebnis – ganz wertfrei – eher männerlastig. Es ist mir aber ein Bedürfnis, hier auf eine Balance zu achten, darum mache ich mich da gerne etwas intensiver auf die Suche.

Die professionellen Musikerinnen sind ja zweifelsohne da, das ist auch deutlich an den Universitäten zu beobachten. Aber sie stehen für mein Gefühl zu wenig auf den großen Bühnen. Vielleicht ist die Arbeit im Musikvermittlungssektor attraktiver und sicherer? Liegt es an der Eigenvermarktung? Am Selbstwert? Ich kann es nicht genau sagen. Es sind ja auch nur Beobachtungen meinerseits. Fakt ist, ich kann von Jahr zu Jahr eine bessere Balance schaffen. Heuer haben wir das schon ganz gut hingekriegt.

Mal abgesehen vom Frauenanteil, wie würden Sie die Entwicklung des Wienerlieds in den letzten 23 Jahren beschreiben? Welche Highlights gab es? Wo braucht es noch Veränderungen?

Es hat sich viel in der Nachwuchs-Arbeit getan. Seit 2014 betreuen wir das Projekt wean schbüün – eine Initiative von Roland Neuwirth und dem Wiener Volksliedwerk. Damit soll Studierenden der Musikuniversitäten die Aufführungspraxis der Wiener Musik nähergebracht und schmackhaft gemacht werden. Die Früchte davon dürfen wir nun nach und nach ernten. Im heurigen Programm sind sogar vier neue Gruppen aus dem "wean schbüün"-Projekt vertreten: Die Stubenfliege im Trio, das Viererg’spann, die Foischn Wiener Schrammeln und das Vorstadtkollektiv. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung!

Was macht das Wienerlied generell aus – wie würden Sie das Genre zusammenfassen?

Das Wienerlied ist gemütlich, obwohl es auch raunzt, es macht Freude, trotz der Melancholie, es will unterhalten und erzählt vor allem die Lebensgeschichten der Stadt. Lieder, die besonders ans Herz gehen, sind meist im Dreivierteltakt komponiert, das hört sich ein bisschen nach einem verschleppten, hadscherten Rhythmus an. Weiters finden wir im Wienerlied eine sehr kunstvoll eingesetzte Harmonik und Chromatik, fernab von einfachen Pop-Akkorden.

Und verstehen auch "Nicht-Wiener:innen" dieses spezielle Lebensgefühl?

Ja, wir haben viele Fans aus den Bundesländern, aber auch aus Deutschland und der Schweiz, die eigens für das "wean hean"-Festival nach Wien kommen. Das Genre hat halt dann seine Sprachgrenzen. Viele Wienerlied-Interpret:innen und Komponist:innen waren außerdem selbst keine Wiener:innen. Eine genetische Lebensgefühl-Vererbung ist daher unwahrscheinlich.

"Ich will wissen, wie meine Krautfleckerl klingen!"

Welche persönlichen Highlights finden sich im Festivalprogramm 2023?

Das ganze Programm ist ein ziemliches Highlight für mich. Wir erfüllen unseren Bildungsauftrag jedenfalls bei zwei Veranstaltungen über die Wiener Weltausstellung vor 150 Jahren im Theater Akzent und im Wiener Prater.

Zwei persönliche Favoriten habe ich allerdings schon... Ich flirte und esse nämlich gerne! Darum freue ich mich besonders auf das Blind Date mit den Strottern in absoluter Dunkelheit am 23. April bei Dialog im Dunkeln. Und bin schon sehr gespannt auf die Veranstaltung "Vom Biberln & Papperln" am 3. Mai mit Georg Breinschmid und Thomas Gansch, wenn Sie die Lieblingsrezepte der Besucher:innen live vertonen. Ich will nämlich wissen, wie meine Krautfleckerl klingen!

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