Emma Ruth Rundle: Seelen-Striptease im Porgy & Bess
"Deafheaven" schiebt sanft "Sunn O)))" zur Seite, um etwas näher an der Bühne zu stehen, während "Esben and the Witch" noch an der Bar ein kleines Bier kauft. Und "Black Country, New Road" hat schon das Handy gezückt, um den ersten Song des Sets auf Video zu bannen.
Es ist erstaunlich, wie viele unterschiedliche Band-Shirts am Dienstag im Wiener Porgy & Bess beim Abend mit Emma Ruth Rundle zu sehen sind. Doch bei der US-Singer-Songwriterin laufen die musikalischen Fäden all der genannten Interpret:innen zusammen. Denn obwohl Rundle "nur" mit Klavier, Gitarre und einigen Audio-Effekten auftritt, schafft sie diese typisch üppig-düstere Atmosphäre der Genres Doom Metal, Neofolk und Post Rock.
Kristallklarer Sound im Porgy
Was man sich unter diesen klangvollen Begriffen vorstellen kann? Musik, die irgendwie besser auf einen Friedhof als auf die Bühne des Wiener Jazzclubs passt. Trotzdem konnte das Publikum dankbar für diese Venue sein, denn es passiert nicht oft, dass ein Live-Auftritt dem Studioalbum soundtechnisch zum Verwechseln ähnlich klingt.
Im Übrigen performte Rundle genau ein solches – nämlich ihr siebtes Studioalbum "Engine of Hell" von 2021, in chronologischer Reihenfolge. Zwischen den Songs ließ es sich die sympathische Sängerin nicht nehmen, ihre Fans mit Anekdoten bei Laune zu halten – und das mit einer frechen Schlagfertigkeit, die man vielleicht sonst von Comedians kennt.
Anekdoten und Gags
So verkündete Rundle nach der ersten Hälfte des Sets etwa, dass nun ein "Striptease" anstünde – woraufhin sie ihren schwarz-weißen Blazer auszog, sich einmal im Kreis drehte und meinte: "Ich bin bekannt für meine Grazie". Und vor "Dancing Man", einem Song, den die Künstlerin als "sowas Ähnliches wie ein Liebeslied" bezeichnete, deutete sie selbstironisch an, dass es einen guten Grund gebe, warum sie zwar vom Tanzen singe, es jedoch selbst lieber nicht tue.
Dass die Musikerin ein enormes Gespür für Tempowechsel hat, bewies sie aber nicht nur mit ihren Anmerkungen. Auch die karg instrumentierten Songs leben von der Alternation zwischen lauten und leisen, schnellen und langsamen Tönen. Rundles Stimme fungiert dabei als zusätzliches Instrument. Von verträumten Seufzern bis zu heidnisch-anmutenden Gesängen: Die emotionale Komponente der poetischen Texte spiegelt sich besonders in ihrer stimmlichen Performance.
Nach "In My Afterlife", dem letzten Song des Albums, platzierte Emma Ruth Rundle noch einen Schlussgag für die Wiener Zuseher:innen: "Ich bleibe jetzt noch auf der Bühne, aber ihr dürft schon gehen", und beendete ihre Show mit "Marked for Death", einer beliebten Single aus 2016.
Die Fans ließ sie energetisiert zurück, was man sich bei einem Abend voll bittersüßer Lyrics vielleicht nicht erwarten würde. Doch genau das beherrscht Rundle hervorragend: die Balance zwischen Trauer und Lebensfreude. Und diese Mischung lässt auf weitere Österreich-Konzerte hoffen.