Konzerte

Ina Regen: "Der Lebenshunger hört hoffentlich nie auf"

Loading ...

Nach „Klee“ und „rot“ veröffentlicht die heimische Singer-Songwriterin am 3. März nun ihr drittes Album "Fast wie Radlfahrn" – die erste Platte auf ihrem eigenen Label "Nannerl". Mit den elf neuen Songs zeigt sich die in Wien lebende Oberösterreicherin von ihrer experimentierfreudigen Seite, man hört neben den für sie typischen Klavierballaden diesmal auch ungewohnt tanzbare Popsounds.

Warum dieses Album für sie eine Form der Emanzipation war, wie wichtig ihr "Coolness" mit 38 ist und warum jeder und jede von uns eigentlich politisch ist (und sein sollte), verriet uns Ina Regen im Interview.

Auf den ersten Blick sieht man eine neue Frische und Farbenfrohheit beim Look des Albums. Kann man einen Imagewechsel bei dir verorten?

Ich habe tatsächlich gerade viel Freude daran, mich farblich bunt anzuziehen. Es ist vielleicht eine Antwort auf die „rot“-Phase  meines zweiten Albums, das mit mehr Schwarzweiß und androgyner dahergekommen ist. Ich merke, dass ich nach fünf Jahren in der Öffentlichkeit mein Frausein und die Selbstverständlichkeit daran mehr ins Image mitnehmen möchte. Daher habe ich wohl einfach etwas freigelegt, was eh immer schon da war.

Hattest du früher mehr Hemmungen, deine Weiblichkeit öffentlich zu zeigen?

Es gibt nach wie vor so viele Klischees rund um erfolgreiche Frauen in der Öffentlichkeit, gegen die ich wohl prophylaktisch angekämpft habe. Zum einen, dass attraktive Frauen oft auf ihr Aussehen reduziert werden, man ihnen deshalb die Qualität ihres Schaffens abspricht und die Komplimente mehr in Richtung Äußeres als in Richtung Gehirn gelenkt werden. Dagegen und gegen jeden vermeintlichen Vorwurfe Marke „sex sells“ wollte ich mich wehren. Ich wollte niemals in die Schublade „f*ckable or not“ eingeordnet werden, sondern mit meinem Talent und meinen inneren Werten in der Öffentlichkeit wirken dürfen. Und gerade dieses „Dürfen“ ist für Frauen leider noch immer nicht selbstverständlich.

Ein spannendes Thema, über das wir uns wohl noch Stunden unterhalten könnten ...

(lacht) Anlässlich des Weltfrauentages könnten wir das gerne mal tun!

Für jetzt aber zurück zum Album: Der Titel ist eine Textzeile aus dem letzten Song der Platte, „Anfang“. Und Radfahren gilt ja als etwas, das man eigentlich nie verlernt.

Genau darum geht es. Dass man sich manchmal mit dem eigenen Kopf und den eigenen Zweifeln selbst im Weg steht und das Leben noch komplizierter macht – zumindest passiert mir das gelegentlich. Wenn ich mich dann aber wieder ins „Tun“ hineinfallen lasse, stelle ich oft überrascht fest, dass vieles leichter geht als befürchtet. „Fast wie Radlfahrn“ beschreibt diesen inneren Prozess. Und das Gefühl, wenn man bei einem Ziel angelangt ist und sagen kann: „Hey, ich hab‘ das alles total genossen!“

Du hast dich mit der ersten Singleauskopplung „Immer no da“ lautstark zurückgemeldet. Sehr poppige Tunes mit einer hoffnungsvollen Botschaft des Aufbruchs, der Freundschaft. Wie entstand das Thema des Songs und vor allem der doch deutliche Stilwechsel darin?

Ich habe beim Schreiben mit vielen unterschiedlichen Teams zusammengearbeitet und bewusst neue Inspirationen und Klangwelten hereingeholt. Inhaltlich wiederum ist der Song kurz nach einem der letzten Lockdowns entstanden, mit der Frage im Kopf: „Wenn wir jemals wieder in großen Konzerthallen Schulter an Schulter und Schweißtropfen an Schweißtropfen stehen und tanzen können – was soll dann das Lebensgefühl sein, das aus dieser Corona-Phase bleibt?“ Mein Gedanke dazu war, dass es auch Stolz sein kann, auf sich selbst und darauf, was man alles an Schwierigkeiten in dieser Zeit gemeistert hat. Und aus diesem Gefühl heraus kann vielleicht Inspiration entstehen, dass wir auch die anderen aktuellen Krisen gemeinschaftlich schaffen können.

In deinem Pressetext steht, dass eben diese schwierigen Zeiten der letzten Jahre einige Veränderungen in dir selbst ausgelöst haben. Welcher Art zum Beispiel?

Ich habe meine ersten beiden Alben mit einer großen Plattenfirma aus Deutschland veröffentlicht und dabei zunehmend gemerkt, dass mich das bis zu einem gewissen Grad in meiner Ausdrucksfreude gebremst hat. Dass ich gerne freier und selbstbestimmter arbeiten würde, woraufhin ich mein eigenes Label gegründet habe. „Fast wie Radlfahren“ ist das erste Album, das auf diesem Label erscheint. Dementsprechend habe ich nun die gewünschte Freiheit, gleichzeitig aber auch eine größere wirtschaftliche Verantwortung.

Weiters habe ich darauf geachtet, dass ich bei diesem Album mit mehr Frauen zusammenarbeite und habe ganz neue MusikerInnen eingeladen, mit mir zu arbeiten. Daraus ist auch dieser frische, poppige Sound entstanden, den ich sehr mag.

 „A Weg zu mir“ ist zum Beispiel ein flotter Song mit diesem Pop-Sound, der ein bisschen an die 90er erinnert.

(lacht) Die 90er sind ja wieder hart im Kommen, wenn man sich etwa in der Mode umschaut! Das Musikvideo war auch eine Anlehnung an die Spice Girls. Ich wollte auf diesem Album einfach das machen, was mir selbst Spaß macht, gerade bei „A Weg zu mir“ ist mir das glaub ich gut gelungen. Natürlich bin ich ein Kind der 90er, das ist tief in meinem Geschmack verwurzelt. Und ich habe mittlerweile eingesehen, dass ich „cool“ genug bin und mich nach niemandem richten muss. Stattdessen mache ich lieber das, worauf ich Lust habe. Und wenn das eine große Brise 90er ist, ist es auch okay.

Loading ...

Das ist vielleicht ein Stück Weisheit, die man mit den 30ern langsam bekommt: Dass man nicht mehr alles mitmachen muss, wenn man nicht will.

Tausend Punkte! Man merkt einfach, wie anstrengend dieses „Coolsein“ ist. Und denkt sich irgendwann: „Wisst’s was? Habt’s mi gern!“

Die Single „Wann I gross bin“ erzählt auch davon, dass man als Erwachsene/r eigentlich schon gewisse Milestones im Leben erreicht haben und vernünftiger sein sollte. Du singst aber „I hob no soviel Zeit … irgendwann …“

Mit dem Lied besinge ich meinen eigenen Sturm und Drang – und dass der im besten Fall niemals aufhört, dass der Lebenshunger und die Neugier nie enden. Ich persönlich habe große Angst davor, irgendwann gegen des Leben abzustumpfen und dann Dinge zu sagen wie: „Früher war alles besser.“ Was soll denn dann noch für eine Zukunft auf mich zukommen, wenn ich lieber in der Vergangenheit leben würde?

Stichwort Vergangenheit: Das erste Lied am Album ist die Ballade „Mädel am Klavier“, das doch sehr an den Sound deiner letzten Platten erinnert.

Genau, das Lied steht auch bewusst am Anfang und sagt: „Wer auch immer sich vielleicht vor einer großen Veränderung fürchtet: Da ist das Mädel am Klavier, ihr seid hier richtig, es ist immer noch Ina Regen.“ Gleichzeitig ging mit diesem Album soviel Experimentierfreude einher, das ich mich wohl selbst daran erinnern wollte, dass das Mädel am Klavier immer ein großer Teil von mir sein wird, egal in welche Richtung ich mich weiter ausprobieren will.

Ausprobiert hast du dich auch beim Song „Kaffee & Chardonnay“. Da trifft dein Oberösterreichisch auf das Berlinerisch von Alexa Voss alias Flinte. Wie kam es zu dieser Kollaboration?

Flinte hat schon bei meinem zweiten Album als Texterin mit mir zusammengearbeitet. Ich kann mich noch gut erinnern an den ersten Moment, als sie ins Studio kam und ich mich platonisch schockverliebt habe. Wir haben in den letzten drei Jahren eine total schöne Freundschaft entwickelt, Flinte hat auch bei diesem Album bei jedem Song mitgearbeitet. Dementsprechend hat sich ein gemeinsames Lied fast „aufgedrängt“ – mit dem Inhalt, dass wir zwar total verschieden sind, uns im Herzen aber ganz nahe sein können.

Sehr passend, wenn man an die immerwährende „Feindschaft“ zwischen Österreich und Deutschland denkt.

Ich glaube, dass die zum größten Teil von Österreich aus geht. Meine Erfahrung in Deutschland war immer sehr positiv, ich habe dort immer eine große Affinität gespürt, die die ÖsterreicherInnen leider nicht zu erwidern scheinen. Diese Scheinfeindschaft ist längst überholt, gerade wenn wir ein gemeinsames Europa sein wollen. 

Du beziehst auf dem Album generell viel Stellung. „Unwahrscheinlichkeit“ hast du den Krisen und Kriegen auf der Welt gewidmet, in „Granit“ wiederum gibt es die Textzeile „zeig‘ mir, wem der Heldenplatz gehört“. Bist du auf diesem Album bewusst politischer geworden?

In Anlehnung an Udo Jürgens: „ ‚Haltung‘ im Wort ‚Unterhaltung‘ muss groß geschrieben sein.“ Ich finde es schade und ein bisschen befremdlich, dass viel von der Kunst, die derzeit in Österreich populär ist, von der Thematik her zu leicht und abgeflacht daherkommt. Ich glaube, es ist eine Aufgabe der Kunst, als Vermittler zur Verfügung zu stehen. Und auch als Hoffnungsträger zu agieren, denn gerade KünstlerInnen müssen von einer besseren Welt träumen. Dafür müssen wir aber die Dinge klar beim Namen nennen, und das versuche ich mit meiner Musik zu tun. Außerdem nehme ich mich selbst als Mensch voll und ganz in meine Musik mit.

Die Themen, die mich als wachsame 38-jährige Frau berühren und beschäftigen, sind dann eben dabei, gerade als Person in der Öffentlichkeit. Dazu gehört ebenso die Klimakrise, der Krieg in Europa oder die „Black Lives Matter“-Bewegung. Es ging mir weniger darum, zu zeigen, wie politisch ich bin. Ich glaube daran, dass jedes Leben politisch ist. Und all jene, die das bewusst nicht sein wollen, haben für sich die Entscheidung getroffen, dass die Verantwortung für sie jemand anderer übernehmen darf. Das sehe ich für mich einfach nicht.

Du wirst mit dem Album 2023 auch auf Tour gehen. Was wird dabei vielleicht anders und neu sein?

Neu ist, dass meine Band um eine Pianistin gewachsen ist, die mir manchmal die Tasten abnimmt, damit ich auf der Bühne mehr tanzen und eskalieren kann! Ich glaube, dass diese Tour mehr Entertainment sein wird, aber trotzdem die berührenden Momente und die Melancholie nicht zu kurz kommen werden. Meine Konzerte sollen bunt sein, alle Lebensaspekte sollen dabei Platz finden und gefeiert werden.

Amina Beganovic

Seit 2024 beim KURIER-Newsdesk, davor Redaktionsleiterin von events.at. Befasst sich neben dem aktuellen Tagesgeschehen auch gerne mit Themen aus den Bereichen Gesellschaftspolitik, Kultur und Veranstaltungen.

Zu Aminas Stories