Günter Brus-Ausstellung eröffnet in Bregenz
Mit fast 500 Werken feiert das Kunsthaus Bregenz (KUB) in seiner neuen Ausstellung das umfassende Schaffen des österreichischen Aktionskunstpioniers, Zeichners und Dichters Günter Brus. Der 85-Jährige starb während der Aufbauarbeiten der Schau, die damit die letzte ist, an der er mitarbeitete. Bis 20. Mai sind Frühwerke, Dokumentationen und Aktionsskizzen seiner Körperkunstaktionen sowie teils noch nie gezeigte Zeichnungen zu sehen, die Brus in der Pandemiezeit anfertigte.
Erstmals ein Wiener Aktionist
Erstmals widmet sich das KUB dem Werk eines Wiener Aktionisten in einer Ausstellung. Geworden ist es eine Retrospektive - und doch so viel mehr. Die KUB-Schau wurde gemeinsam mit Brus und dem 2011 gegründeten Bruseum am Universalmuseum Johanneum entwickelt.
"Günter Brus und seine Frau Anna haben wesentlich zur Auswahl beigetragen, ein großer Teil der Leihgaben stammt aus ihrem persönlichen Bestand. Es ist unendlich schade und traurig, dass Günter Brus die Ausstellung, die eine Woche nach seinem Tod eröffnet wird, nicht mehr erleben kann", so KUB-Direktor Thomas D. Trummer im Vorfeld.
Für ihn erhielten die ikonischen Bilder der "Selbstbemalung" (1964), in der Brus sich weiß getüncht einen schwarzen Strich über das Gesicht zieht, in der heutigen Zeit eine neue Kraft und Aktualität, als "Inbegriff der Spaltung", von der unsere Gesellschaft heute wieder betroffen sei. Bruseum-Leiter Roman Grabner hob die Vielschichtigkeit des Zeichners, Bilddichters, Literaten und Bühnenbildners Brus hervor. Denn vielfach sei der Künstler nur als Wiener Aktionist - "und früher noch als Uni-Ferkel" - bekannt, dabei habe er seit den 1970er-Jahren obsessiv gezeichnet und zwischen 30.000 und 40.000 Blätter hinterlassen. Bis zuletzt war Brus künstlerisch aktiv.
Von Frühwerken bis Körperkunstaktionen
Die Schau ist chronologisch geordnet, so beginnt sie im Erdgeschoß mit kaum gezeigten, eigens für die Ausstellung restaurierten Frühwerken aus der Akademiezeit. Dass sie erhalten blieben, ist laut Grabner vor allem Anna Brus zu verdanken, "er selbst hätte die am liebsten vernichtet". Für Trummer ist darin schon vieles im späteren Werk Brus angelegt.
Sie zeigen in wütenden, das Papier durchstoßenden Grafitstrichen leere Stühle wie bei Van Gogh, karge, düstere Räume und architektonische Strukturen - die Arbeiten eines mit sich und der Welt Ringenden. Im ersten Obergeschoß entwickeln sich diese zu kraftvollen informellen Malereien mit peitschendem, schwarzen Pinselstrich und im zweiten Obergeschoss schließlich zu Körperkunstaktionen weiter, die Brus zunächst im Studio, dann aufsehenerregend in der Öffentlichkeit fortführte. Er habe damit den nächsten radikalen Schritt gesetzt, so Trummer. Brus wurde selbst zum Bildträger. Er wandelte, komplett mit weißer Farbe bedeckt, durch Wien.
Mit einem schwarzen Strich durch die Körpermitte malte er sich den gesellschaftlichen Umbruch und seine eigene Zerrissenheit auf den Leib. Das Foto- und Filmmaterial davon eröffnet in der Schau durch den kürzlichen Tod des Künstlers eine neue Perspektive: Wie ein Untoter, das Gesicht wie eine Totenmaske, bewegt sich Brus durch die Welt, der er so radikal einen Spiegel vorhielt.
Großer Österreichischer Staatspreis
Der gebürtige Steirer schockte in der verknöchert konservativen Nachkriegszeit gemeinsam mit Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler die Öffentlichkeit mit seiner Body Art, die als Wiener Aktionismus weltweit bekannt wurde. Den "Wiener Spaziergang" beendete noch die Polizei, für eine Kunstaktion an der Universität Wien sollte er sogar in Haft und flüchtete nach Berlin - später erhielt der Künstler Auszeichnungen, unter anderem 1996 den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst sowie 2003 den Oskar-Kokoschka-Preis. In den 1970er-Jahren wandte er sich verstärkt der Zeichnung zu. Für das KUB wählte Brus, der auch literarisch aktiv war, selbst Serien von Bild-Dichtungen aus. Darin beschäftigte er sich mit malenden Literaten, etwa William Blake und Victor Hugo. Mit diesen oft vielteiligen Bild-Text-Kreationen habe Brus "etwas ganz Eigenes" geschaffen, sagte Grabner.
In der Pandemiezeit entstanden die jüngsten Bilder der Schau. Die Düsternis seiner Arbeiten wandelte sich in bunte Farben: In Aquarell und Mischtechnik brachte Brus sagenhafte Ungeheuer und Nachtwesen, schemenhafte Landschaftsansichten und Architektonisches zu Papier. Morbide Bilder von Schädelreigen, Angstwesen und Nachtmahren gesellen sich dabei zu Porträts von witzigen Wirtshaushallodris wie dem "Blauäugigen Grünsteirer". Auch das Sprachspielerische blieb Brus offenbar bis zuletzt, so verbildlichte er etwa einen "Neurosenkavalier". T
rummer bewunderte die "unglaubliche Potenz und Kreativität" des Künstlers. "Er war privat sehr humorvoll", betonte Grabner. So habe Brus etwa stets am Kalauer als literarische Gattung festgehalten und ihn zur Blüte getrieben. Mit der Bregenzer Ausstellung hätte Brus große Freude gehabt, war der Bruseum-Leiter überzeugt. Noch aus dem Krankenhaus habe sich der Künstler nach dem Fortgang erkundigt. "Er hat bis zum Schluss daran mitgedacht", so Grabner.