Otto Wagners Wien: Ein Stadtspaziergang
Das mag jetzt nach einer dreisten Behauptung klingen, aber jede Person, die Wien schon einmal besucht hat – und sei es auch nur für ein paar Stunden – kennt Otto Wagner (1841 - 1918). Denn die (heutigen) U-Bahn-Stationen Schönbrunn, Josefstädter Straße, Margaretengürtel und Stadtpark sind nur vier von neun Stationen, die aus der Feder des Architekten stammen.
Im gesamten Wiener Stadtbild hat der Architekt seinen Stempel hinterlassen. Doch wie erkennt man überhaupt einen "echten Wagner"?
Architektonische Grundprinzipien und Materialwahl
Wagners architektonisches Schaffen ist geprägt von folgenden zentralen Merkmalen: An erster Stelle stand die funktionale Gestaltung des Gebäudes, denn er wollte Praktikabilität mit Ästhetik verbinden. Hierfür verwendete Wagner moderne Materialien wie Eisen, Stahl und Glas, die sich hervorragend für die Umsetzung seiner reduzierten, geometrischen Pläne eigneten.
Trotz der grundsätzlich einfachen Formen, verband er Kunst und Architektur miteinander, indem er mit anderen Kreativen zusammenarbeitete. Die dekorativen Elemente (florale Ornamente, Mosaike und Skulpturen), die seine Entwürfe zierten, waren von der Natur inspiriert und sollten sich organisch in das Gesamtbild einfügen.
Otto Wagner-Grün: Alles Fake?
Viele Menschen assoziieren das blasse Hellgrün, welches die Gitter, Verzierungen und Fensterrahmen der Stationen ziert, unweigerlich mit Otto Wagner und so auch mit dem Jugendstil. Die Wahrheit ist jedoch folgende: Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das charakteristische Grün eingesetzt – die Wagner’sche Originalfarbe war Hellbeige!
Auf den Spuren von Wagner in Wien
Anlässlich der Öffnung der alten Postsparkasse (eines von Wagners bekanntesten Bauten) für die Öffentlichkeit, ist das Schaffen des Wieners wieder in den Fokus gerückt. Wer sich abseits der U-Bahn auf seine Spuren begeben möchte, findet hier seine schönsten Gebäude in Wien:
Postsparkasse
Das von 1904 bis 1912 erbaute Gebäude besticht nicht nur durch seine Eleganz, sondern auch durch seine Zweckmäßigkeit – beides Kernthemen der “Wiener Moderne”. Ursprünglich als Bankgebäude konzipiert, beherbergt es nun Kunst- und Wissenschaftseinrichtungen. Seit 15. März ermöglichen Führungen einen Einblick in die Große Kassenhalle, den kleinen Kassensaal, die ehemaligen Direktionsräume und die Schließfachanlagen.
Da jeweils nur eine kleine Gruppe durch die denkmalgeschützten Räume mit Originalmöbeln geführt werden kann, ist eine Anmeldung unbedingt erforderlich.
Georg-Coch-Platz 2, 1010 Wien
Ernst Fuchs Villa
Die Otto Wagner-Villa, heute bekannt als das Ernst Fuchs-Museum, ist nur dank der "Rettung" durch den Künstler Ernst Fuchs überhaupt als Architekturdenkmal erhalten geblieben. Fuchs entdeckte das Haus in seiner Kindheit und versprach seiner Mutter, ihr jenes zu schenken, sobald er vermögend sein würde. Jahrzehntelang behielt er die Villa im Blick, bis er sie schließlich 1972 aus eigenen Mitteln kaufen konnte. Zu diesem Zeitpunkt stand der Bau kurz vor dem Abriss.
Nach der gründlichen Restaurierung und Nutzung als Atelier öffnete Fuchs sein Haus der Öffentlichkeit. Besucher:innen können durch die pompös ausgestatteten Räume streunen oder mit Führungen mehr über Wagner, Fuchs und dessen Zeitgenossen erfahren.
Hüttelbergstraße 26, 1140 Wien
Kirche am Steinhof
Die St. Leopold-Kirche am Steinhof gilt als Europas erste moderne Kirche. Sie befindet sich auf dem höchsten Punkt des Geländes der heutigen psychiatrischen Heilanstalt der Stadt Wien. Otto Wagner ließ sich bei ihrem Bau von verschiedenen Epochen der europäischen Architektur inspirieren und ließ die Glasmosaikfenster vom zeitgenössischen Künstler Koloman Moser entwerfen. Trotzdem verlor Wagner, gemäß seines eigenen Manifests, nie das Umfeld, die Funktion und die "Zielgruppe" des Gebäudes aus den Augen.
Demnach wurde in der Kirche auf Erfordernisse von Medizin und Hygiene Rücksicht genommen: Der Steinboden ist für eine schnelle Reinigung leicht abfallend konstruiert. Die Marmorplatten an den Wänden lassen sich ebenso schnell abwischen. Und die ungewöhnlich kurzen Kirchenbänke sorgten dafür, dass die Pflegekräfte einfacheren Zugang zu den Patient:innen hatten.
Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien
Otto Wagner-Pavillons am Karlsplatz
Wiener Partymäuse können von sich behaupten: "Ich habe schon einmal in einem Otto-Wagner-Bau gefeiert!" Denn eines der beiden Pavillons am Karlsplatz teilen sich das Kaffeehaus Karl Otto (tagsüber) und der Club U (nachts). Der andere, westlich liegende Pavillon wird vom Wien Museum für eine Dauerausstellung zu Otto Wagners Leben und Schaffen genutzt.
Die zwei identischen Portalgebäude mit ihren typisch Wagner’schen Merkmalen (Gold, Marmor, Metall und Holz) befinden sich übrigens nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort. In den 1960er-Jahren standen sie kurz vor dem Abriss und konnten nur dank Demonstrationen gerettet werden. 1977 wurden sie demontiert und 1,5 Meter über dem vorherigen Platzniveau neu errichtet.
Karlsplatz, 1040 Wien