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Theater

Akram Khan / English National Ballet – Giselle

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Nicht viele Werke der frühen Romantik finden heute noch ihren Weg auf die Bühne. Wie sie für nachfolgende Generationen relevant bleiben, stellt Akram Khan mit seiner Bearbeitung von Giselle eindrucksvoll unter Beweis. 2016 für das English National Ballet choreografiert und seither von London bis Auckland um die Welt gereist, ist die Kreation des britischen Choreografen mit bengalischen Wurzeln beinahe selbst ein moderner Klassiker geworden.

Raffiniert verortet Khan das fantastisch-romantische Handlungsballett in einer abstrakten Version unserer Gegenwart. Giselle fristet darin ein prekäres Dasein als Wanderarbeiterin in einer Textilfabrik. Als die Fabrik schließt und die Arbeiter:innen den Fabriksbesitzer:innen nunmehr als exotische Belustigung dienen, verliebt sich die junge Frau in Albrecht. Dass dieser eigentlich aus wohlhabendem Hause stammt, bleibt Giselle zunächst verborgen. Ein Geheimnis mit Folgen: Denn als Albrechts Täuschung auffliegt und sich der junge Mann gegen die Liebe entscheidet, zerbricht Giselle an ihrem Schmerz und kehrt erst als Geist wieder …

Mit großem Gespür für das Erzählen von menschlichen Schicksalen dringt Akram Khan in die Psychologie seiner Charaktere ein, um ihre emotionalen Verstrickungen erlebbar zu machen. Bekannt für seinen vielseitigen, expressiven Stil vereint Khan auch in Giselle Bewegungssprachen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Spielerisch verwebt er klassisches Ballett mit indischem Kathak sowie Elementen aus industriellen Prozessen, höfischer Zeremonie und Volkstanz.

Gemeinsam mit einem hochkarätigen künstlerischen Team, darunter der Oscar-prämierte Ausstatter Tim Yip, inszeniert Akram Khan eine hochaktuelle Klassiker-Bearbeitung, die weitaus mehr als eine Geschichte über Liebe, Betrug und Vergebung ist: Khan, der in alten Mythen stets die Verbindung zu unserer Gegenwart sucht, gelingt eine Parabel über Migration, Globalisierung und Macht, die ihrem Ruf als „Meisterwerk des Tanzes des 21. Jahrhunderts“ (The Mail on Sunday) nur allzu gerecht wird.