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© Sigrid von Lintigs

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Wolfgang Becker
Sigrid von Lintigs Bilder - Eine ozeanische Identifikation: Schwimmen - Malen

Sie verliert neun Zehntel ihres Gewichts, ihren vertikalen Halt, die Kontrolle ihres Kopfes, empfindet Angst, bevor ihr Innenohr ein Gleichgewicht im Wasserraum herstellt, Sie beginnt sich zu orientieren, sie atmet aus gegen den hydrostatischen Druck und überlässt sich der sanften Massage der Strömungen. Adrenalin durchzieht ihr Blut; sie empfindet Glück.

Schwimmt sie oder zieht sie mit den weichen Haaren eines Pinsels flüssige Acryltropfen durch einen Wasserraum ohne Horizont und Perspektive? Sie formt auf Armlänge Strudel und Wellen, Wirbel, die das Wasser wie elektrische Energien bewegen. Sie sucht auf der Leinwand nicht die Mimesis. Die Gegenständlichkeit des Wassers, seine Brechungen im Widerstand ihres Körpers bleiben ihr unfassbar.

Seit zehn Jahren malt sie solche Bilder. Seit zehn Jahren schwimmt sie täglich und nutzt ihre Freunde als Modelle in einem Hallenbad. Sie liebt seine Neutralität und das gebrochene Licht. Sie missachtet den Luftraum – wie Undine und die Najaden.

Abbilder solcher Ereignisse im Wasser, die Fotografen mit Bokeh-Linsen, dem „Gaussian Blur“, 3D- und holografischen Effekten schaffen können, erzeugen Illusionen auf Cibachrome- und Ilfochrome-Papieren oder Bildschirmen: man schaut durch eine Fensterscheibe.

Hier, in den großen gemalten Bildern der Sigrid von Lintig, sind sie so stark aufgelöst, dass sich die Malerin (ihre Modelle widerspiegeln sie) in den Strudeln und Strömungen der Farben bewegt oder bewegt wird, energisch ausgreift oder leblos sinkt, sich bäumt oder kauernd fällt, zwischen Zuständen des Verschwindens und Erscheinens schwebt, als wären ihre Bilder Alices Spiegel in eine andere Welt – eine „ozeanische“, in der die Sternzeichen des Skorpions über die Kunst der Malerei herrschen.