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© Sepp Gallauer

Theater

Jacobowsky und der Oberst

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Die Komödie einer Tragödie von Franz Werfel.

Juni 1940: Der Blitzkrieg erwischt das stolze Frankreich eindeutig auf dem falschen Fuß. Paris macht sich noch während der Bombenangriffe bereits auf eine deutsche Besatzung gefasst. Der Oberst Stjerbinsky, dessen polnisches Exilregiment bereits an der Westfront aufgerieben wurde, hat allerdings ganz andere Pläne: Er will seine französischen Geliebte Marianne dem herannahenden Feind entreißen und sich mit ihr heroisch bis zu den Alliierten durchschlagen. Das einzige Problem: Es gibt nur ein mögliches Fluchtfahrzeug, und das hat bereits jemand anderer „requiriert“. Also muss der Oberst - durch und durch Soldat, Aristokrat, und Antisemit - ein Zweckbündnis mit einem anderen Flüchtling eingehen: Mit Herrn Jacobowsky, einer unheroischen und archetypisch „jüdischen“ Erscheinung, der aber mit Verstand, Witz und ausgiebiger leidvoller Fluchterfahrung alle Hindernisse elegant aus dem Weg räumt, gegen die der Oberst sonst vergeblich anrennen würde. Denn für ihn, im Gegensatz zum Oberst, „gibt es immer zwei Möglichkeiten“.

Ein Roadmovie, eine schöne Frau, zwei denkbar ungleiche Weggefährten, eine wilde Flucht durch eine „große Zeit“… Franz Werfel, einst auflagenstärkster deutschsprachiger Dichter, wusste, wovon er schrieb: Von den Nazis verboten und verfolgt, floh er durch Österreich, Frankreich, Spanien und Portugal, bis er 1945 in den USA einem Herzinfarkt erlag. Er hat seine Heimat nicht lebend wiedergesehen.

Inszenierung: Bruno Max

KRITIK
Wie sich eine Flucht auf Leben und Tod anfühlt, hat er am eigenen Leib erfahren: Franz Werfel musste 1940 zu Fuß die Pyrenäen überqueren, um den Nazis zu entgehen. Zum Scherzen war ihm damals bestimmt nicht zumute, doch wenige Jahre später schrieb er im amerikanischen Exil diese „Komödie einer Tragödie“, zu der ihn die Erzählungen eines Fluchtgenossen angeregt hatten.
Der gebürtige Pole Jacobowsky ist ein fluchterprobter Überlebenskünstler und ein wahres Organisationstalent – deshalb schafft er es auch, im Paris, das von den Nazis gerade überrannt wird, ein Fluchtauto zu organisieren. Da er die alte Klapperkiste jedoch nicht selber lenken kann, ist er gezwungen, mit einem herrischen polnischen Oberst gemeinsame Sache zu machen. Sie treten eine umwegsame Reise Richtung Atlantikküste an – und wenig später sitzt auch noch die Geliebte des Militaristen im Wagen. Die Frau heißt ausgerechnet Marianne und wird immer mehr zu einer Art Symbolfigur des französischen Widerstands: Martina Dähne vollzieht in dieser Rolle die beeindruckende Wandlung von einer exaltierten, weltfremden Witwe aus feinem Haus zu einer willensstarken Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und politisches Bewusstsein entwickelt.
Regisseur Bruno Max lässt die handlungsreiche Geschichte so schnell wie ein Road Movie vor uns abrollen (tatsächlich rollt das Auto immer wieder über die Bühne) und die ständig wechselnden Schauplätze bringen ihn nicht in Verlegenheit. Während sich die Umbauarbeiten blitzschnell vollziehen, wird obendrein für die Belehrung des Publikums gesorgt: Originalausschnitte der deutschen Wochenschau zur Okkupation von Paris flimmern über den Vorhang und auch die Fluchtroute der Hauptfiguren wird durch Karteneinblendungen nachvollziehbarer gemacht.
Hermann J. Kogler spielt den schlagfertigen Jacobowsky so überzeugend, dass man glauben könnte, ihm wäre diese Rolle auf den Leib geschrieben. Die Figur zehrt von einem unglaublichen Glücksvorrat, doch irgendwann scheinen selbst diese Reserven zur Neige zu gehen und die Handlung spitzt sich auf einer Hafenmole zu einem letzten dramatischen Moment zu, als hätte Werfel eine europäische Variante von „Casablanca“ im Sinn gehabt. Alexander Rossi beweist als schneidiger Oberst, dass er tatsächlich über militärische Disziplin verfügt, weil er zweieinhalb Stunden lang den polnischen Akzent nicht ablegen darf und außerdem die Rostlaube von Auto bändigen muss.
Schon lange waren zum Schlussapplaus nicht mehr so viele Personen auf der Bühne der Wiener Scala versammelt: insgesamt dreizehn, von denen manche sogar Mehrfachrollen übernommen hatten – wie z.B. Bernie Feit, der nicht nur als geschäftstüchtiger Chauffeur, sondern vor allem als sächselndes Subjekt von der Gestapo in Erscheinung tritt. Diese letzte Produktion vor Saisonende hat somit wirklich viel zu bieten, denn nebenbei erfahren wir auch noch, warum man als Mann bei einer Razzia aufs Damenklo flüchten sollte.

franco schedl