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Katharsis - Akademietheater Wien

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“Wir wissen, dass er um 1721 geboren wurde, dass man ihn aus seiner Heimat im Westen Afrikas verschleppte und in die Sklaverei verkaufte. Er kam mit dem Schiff von Afrika nach Sizilien, wo eine italienische Marchesa ihn in ihre Obhut nahm. Wir wissen, dass er gegen alle Widerstände eine extrem einflussreiche Stellung am Wiener Hof erreichte, nachdem er dem Fürsten Lobkowitz auf einem ungarischen Schlachtfeld das Leben gerettet hatte. Ihm wurde ein eigenes Bataillon angeboten, das er ablehnte, weil er kein kämpfender, sondern ein liebender Mensch war. Und wir wissen, dass er alles auf Spiel setzte, um die Frau, die er liebte, zu heiraten.” (aus KATHARSIS)

Der Name dieses Mannes war Mmadi Make, heute besser bekannt als Angelo Soliman. Was weniger bekannt ist: Er hatte eine Tochter. In ihrem Fragmentroman UNRAST streut die Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk drei Briefe ein, die sie mit dem Absender Josephine Soliman unterschreibt: Briefe des Protests und des Widerstandes an den amtierenden Kaiser Franz II. (1768-1835). Josephine war „die erste dokumentierte Frau aus der Black Austrian Community, die sich gegen die koloniale Staatsgewalt auflehnte“ (Anouk Shad). Als Tochter des „berühmtesten Schwarzen Menschen im Wien des 18. Jahrhunderts“ (Shad) protestierte sie nach dem Tod ihres Vaters dagegen, dass sein Leichnam als Ausstellungsobjekt für das Hof-Naturalienkabinett präpariert und den Blicken der Lebenden unterworfen wurde. Wie eine Antigone im 18. Jahrhundert bittet sie, ihren Vater bestatten zu dürfen und seinem Körper so die Würde und Totenruhe zurückzugeben.

Als die kaiserliche Antwort ausbleibt, verwandelt sich ihre Bitte in Zorn. Auf der Rückseite des Denkens der Aufklärung, das vordergründig Wissenschaft, Forschung, Gleichheit, die bürgerliche Revolution, das Theater (ja, das Schauen selbst) feierte, werden in Europa streng hierarchische Welteinteilungen vorgenommen und „das systematische Konstrukt der Rassentheorie als nachträgliche Rationalisierung der Gräueltaten der Kolonialmächte“ durchgesetzt (Shad).

In ihrer dritten Arbeit im Akademietheater kreist das Regie- und Autorenduo Dead Centre, inspiriert von Tokarczuks Briefen, gemeinsam mit dem Ensemble um die Leerstelle, die der Umgang mit Mmadi Makes / Angelo Solimans Körper buchstäblich in die österreichische Geschichte gerissen hat, um die Konstruktion des kulturell Anderen und das Trauma, das bis heute mit seinem Namen verbunden ist – aber auch um das Versprechen auf eine andere Welt, das in seinem bemerkenswerten Leben aufgehoben ist.