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Königinnen der Nacht

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Theater Reichenau
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Sie nannten sie „die Tigerin”, „das Elementarereignis”, „la divina”: Über drei Oktaven konnte die Griechin Maria Callas, geboren 1923, auf der Opernbühne sterben wie keine zweite, doch in ihrem so kurzen Leben war ihre beispiellose Karriere neben Triumphen auch mit vielen Tragödien, Demütigungen und privaten Katastrophen überfrachtet. Denn die Öffentlichkeit, so war sie trotz aller Hymnen überzeugt, „lauert nur auf den geringsten Anflug von Schwäche.” Und tatsächlich, wenn die Stimme der „Göttlichen” Spuren von Strapazen zeigte, zeigte das Publikum, das sie noch kurz zuvor so fanatisch angebetet hatte, Gnadenlosigkeit.

Über ein Jahrzehnt nährte die toxische Liebe der Callas zu dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis die Klatschpresse; seinetwegen hatte sie der Bühne entsagt und musste dann von seiner Hochzeit mit der damals berühmtesten Witwe der Welt Jackie Kennedy aus den Zeitungen erfahren. Trotz der Kürze ihrer künstlerischen Karriere – sie schonte sich nie und sang zu früh schwierige Partien – strahlt die Callas bis heute im Ikonen-Status und keine spätere Opernsängerin sollte auch nur annähernd ihren Zenit an kultischer Verehrung erreichen.

Ähnlich unerreicht in ihrer Kunst war und ist die Amerikanerin Isadora Duncan, geboren 1877 in San Francisco. Der Vater, ein Hasardeur, hatte Gelder seiner Bankkunden veruntreut, schlitterte in den Ruin und verschwand im Untergrund, wo er lange als Frau verkleidet lebte. Isadora wuchs mit ihrer Mutter, einer Klavierlehrerin, und ihren drei Geschwistern in Armut auf und unterstützte die Familie bereits früh mit ihren Tanzauftritten, die sie oft am Ufer des Meeres entwickelt hatte. Schon bald wurde Duncan für ihre radikale, völlig von den Zwängen der Konventionen befreite Tanzkunst weltweit gefeiert und gilt bis heute als wichtigste Wegbereiterin des modernen Tanzes. Sie tanzte „die Freiheit und die Individualität der Frau” schrieb ein Kritiker über „den neuen Stern am Tanzhimmel”. Duncan trat barfuß, in weichen, fließenden Gewändern, mit wehendem roten Haar und zur Musik von Chopin oder Bach und entfachte mit ihrem völlig neuen, von der Antike inspirierten Stil Begeisterungsstürme in New York, Berlin, Moskau oder ihrer zweiten Heimatstadt Paris.

Ihr Privatleben gestaltete sie genau so radikal wie ihre Kunst: Sie empfand die Ehe als eine Form von Gefängnis, besaß ein unstillbares Faible für junge Liebhaber, hatte Kinder „wann und mit wem ich wollte” und riss alle Barrieren der zeitgenössischen Zwänge mit wilder Lust nieder. Ihre einzige Ehe mit einem russischen Dichter war so kurz und dramatisch wie ihr Leben zwischen Liebes-Exzessen, Champagnerräuschen, bitterer Armut, verschwenderischem Luxus, großer Kunst und tiefer Trauer. 1913 erlitt sie einen Schicksalsschlag, von dem sie sich nie wieder erholen sollte. Ihre beiden Kinder ertranken bei einem Ausflug mit dem Kindermädchen bei einem Autounfall in der Seine.

Maria Callas und Isadora Duncan: Zwei Frauen, die sich nie begegnet sind. Und dennoch soviel gemeinsam haben. Beide sind bis heute Legenden, bahnbrechende und unerreichte Künstlerinnen, die in ihrem Leben Autonomie und Freiheit über alles stellten und dafür oft einen hohen Preis zahlen mussten. „Ein Leben auf der Rasierklinge” schrieb Ingeborg Bachmann über die Callas, ein Zitat, das auch für Duncan gelten könnte. Der Ruhm warf für beide auch hohe Schatten. Beiden war ein nur kurzes Leben vergönnt: Maria Callas starb mit nur 53 Jahren vereinsamt im September 1977 in Paris – als „Sklave meiner Pillendose”. Isadora Duncan verhedderte sich bei einer Ausfahrt in Nizza mit ihrem legendären roten Schal im September 1927 im Cabrio ihres Liebhabers. Ihre letzten Worte lauteten: „Adieu, meine Freunde, ich fahre dem Ruhm entgegen.” Sie sollte so recht behalten.

Aus Interviews, Tagebüchern, Briefen, den Berichten von Zeitzeugen und Lebenserinnerungen entstand diese fiktive Begegnung zweier Königinnen der Nacht, die beide auch ihr Leben unter vielen Schmerzen zu einem Kunstwerk gemacht hatten. Im Himmelreich der Fantasie ließ ich die beiden über ihre Lieben, Abstürze, Tragödien, schwarze Stunden, Triumphe und den Tod philosophieren.

„Sempre libera” sang Violetta in „La Traviata”. Ein Lebensmotto, das Maria und Isadora beide kompromisslos beherzigt hatten. Nach ihrem fulminanten gemeinsamen Erfolg „Spatz und Engel” stehen Maria Happel und Sona MacDonald erstmals wieder gemeinsam auf der Bühne: „a match made in heaven” – im wahrsten Sinn des Wortes.

Angelika Hager

- Besetzung -

Maria Happel als Maria Callas
Sona MacDonald als Isadora Duncan