© Oscar Spang Stadtarchiv Bregenz

Randspiele. Erinnerung an einen kulturellen Aufbruch

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Vor genau 50 Jahren war Vorarlberg zum ersten Mal Schauplatz der Randspiele, eines visionären Festivals mit Kunst, Musik, Literatur, Film und Theater. Der Hunger nach zeitgemäßer Kultur war so groß geworden, dass sich eine Gruppe junger Menschen zu den „Vorarlberger Kulturproduzenten“ zusammengeschlossen hatte, um selbst das zu realisieren, was ihnen im offiziellen Kulturprogramm vorenthalten wurde. 

Von 1972 bis 1976 schafften sie es, neben regionalen Kunst- und Kulturschaffenden auch heute international bekannte Größen wie Chick Corea, Jan Garbarek oder Friedrich Gulda aus der Musik, Gottfried Bechtold, Wolfgang Häusler, Franz Erhard Walther oder Fred Sandback aus der Kunst, Monika Helfer, Michael Köhlmeier oder Martin Walser aus der Literatur für Konzerte, Ausstellungen, Aktionen, Lesungen und Performances zu gewinnen. Gerade die Theater-, Kabarett- und Film-Programmpunkte waren dabei hochpolitisch und atmeten den aufrührerischen Geist der 1968er Bewegung, der damit langsam auch in Vorarlberg ankam.

Die Ausstellung im Künstlerhaus erzählt aus der Geschichte des legendären Festivals. Einer archivarischen Spurensuche gegenübergestellt sind Erinnerungen von Gottfried Bechtold, Martin Bentele, Wolfgang Burtscher, Walter Fink, Brigitte Flinspach, Kurt Greussing, Wolfgang Häusler, Monika Helfer, Michael Köhlmeier, Reinhold Luger, Meinrad Pichler, Willi Pramstaller und Maria Weiss. 

Außerdem zu erleben sind – mit Skulpturen und Fotografien von Wolfgang Häusler, Zeichnungen von Tone Fink und Filmen von Gottfried Bechtold – herausragende, damals wie heute gleichermaßen inspirierende künstlerische Arbeiten, die bereits in den ursprünglichen Randspielen gezeigt worden waren. 

Besonderen Stellenwert für die Randspiele hatte die Musik. Unvergessen sind die Konzerte im Burghof am Gebhardsberg mit damals noch kaum, aber heute international bekannten Größen des Jazz. Möglich gemacht wurden sie durch den Musikproduzenten Manfred Eicher aus Lindau, der bereits 1969 eines der angesehensten Plattenlabels – ECM – gegründet hatte. Musikstücke aus dem Programm von ECM sind in der Ausstellung im Palais Thurn und Taxis zu hören, wie auch in einer Installation in der Kapelle am Gebhardsberg. 

Der von Ines Agostinelli konzipierte Rückblick auf dieses wegweisende Festival bereichert nicht nur Selbstverständnis und Identität Vorarlberger Kulturgeschichte, sondern stellt mit seinem Fokus auf erlebte Geschichte Fragen nach Veränderung, Fortschritt, Vergänglichkeit und Vermächtnis.

Im reichhaltigen Begleitprogramm kommen mit Monika Helfer, Gottfried Bechtold, Kurt Greussing, Wolfgang Häusler und Reinhold Luger in Podiumsgesprächen, Lesung, Vorträgen und Führungen Persönlichkeiten zu Wort, die die Randspiele selbst mitgestaltet und mitgeprägt haben. 

Individuellen Erfahrungen und Reflexionen werden dabei genauso Raum gegeben wie kunst- und kulturgeschichtlichen Impulsen sowie Betrachtungen zu Kultur-, Erinnerungs- und Geschichtspolitik.

Einmal ist Manfred Welte mit dem aus dem vorarlberg museum bekannten Format „Erzählcafé“ zu Gast im Künstlerhaus. Hier sind alle Menschen eingeladen, in der Ausstellung zusammenzutreffen und ihre eigenen Erinnerungen an die Aufbruchsstimmung der 1970er Jahre auszutauschen.

Auch wird der Blick auf Gegenwart und Zukunft gerichtet und im Rahmen eines Podiumsgesprächs die Frage angestoßen: An welchen Rändern spielen wir heute? Was sind die gesellschaftlichen Bruchlinien, an denen Kunst und Kultur zugunsten sozialer Kohäsion heute ihr Potential entfalten können. 

Die Randspiele haben die Wirk- und Sprengkraft kultureller Selbstermächtigung bewiesen. Für einige Jahre war Vorarlberg nicht Provinz, sondern Avantgarde. Die Sommerausstellung der Stadt Bregenz 2022 ist ein erster Impuls, sich wieder davon inspirieren zu lassen.