© Gloria de Oliveira

Showtimes

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2020 ist ein komisches Jahr. Es ist ein Jahr, in dem man sich Fragen stellt, von denen man nie gedacht hätte, dass man sie jemals aussprechen würde. Gibt es Situationen, in denen Masken mit Leopardenmuster tragbar sind? Ist die Person neben mir auch wirklich 1,5 Meter entfernt. Gibt es vielleicht doch noch eine Chance, den wohl unentrinnbar auf uns zurollenden Quarantäne-Themenfilmen, -büchern, -alben zu entkommen? Und wer hat hier gehustet?

2020 ist auch das Jahr, in dem man sich endgültig fragen muss, in was für ein Fass eigentlich Stella Sommer gefallen ist. Einfach nur ein konventionelles Zaubertrank-Fass? Ein Ich-mach-alles-richtigFass? Ein Songwriting-Fass? Ein Mischmaschfass aus all of the above? Man weiß es nicht genau.


Fakt ist jedoch, dass Stella Sommer die hiesige Musiklandschaft seit nunmehr 10 Jahren durch ihr Schaffen bereichert und mittlerweile hierzulande ein Genre für sich besiedelt. Irgendwo zwischen Folk, Chanson und orchestralen Pop liefert Stella Sommer mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit und scheinbar mühelos ein Album nach dem anderen ab und scheint sich hierbei mit jeder neuen Platte stets selbst zu übertreffen. Ein Album schöner als das andere, jedes eine Welt für sich. Dabei fing alles so harmlos an. Mit Schrammel-Indie der charmanten Sorte erschien 2010 Sommers Projekt Die Heiterkeit auf der Bildfläche. Die Songs waren gut, die Musik rumpelte vor sich hin. Ein paar Mädchen, die Musik machen, die Musikpresse freute sich. So weit, so nett.


Zuerst konnte man dann 2016 ahnen, wozu Sommer fähig war. Mit dem Doppelalbum POP&TOD I+II veröffentlichte sie mit Die Heiterkeit ihre erste Großtat. 20 Lieder, die größer waren als das Leben. 2018 folgte das erste englischsprachige Soloalbum “13 Kinds of Happiness”, das auch international Aufmerksamkeit erregte. 2019 erntete dann das Die Heiterkeit-Album “WAS PASSIERT IST“ Höchstwertungen allerorten. Das Meisterwerk nach dem Meisterwerk, sozusagen. Das neben diversen anderen Erleuchtungen auch die Erkenntnis lieferte, dass niemand schönere Lieder über Einsamkeit schreibt als Stella Sommer.

Nun also: Northern Dancer, Stella Sommers zweites englischsprachiges Album, ihr sechstes insgesamt. Es ist ihr bisher schönstes Werk, das sich am wenigsten um Zeit und vermeintliche Moden schert. Und es ist auch – man kann es leider nicht prosaischer sagen – ihr bisher magischstes Werk. Northern Dancer erzählt 10 verzauberte Geschichten aus einer Welt, die unsere sein könnte, wenn man sich die Mühe macht, genau hinzusehen. Eine Welt, in der Schatten in allen Farben schimmern, sieben ungeduldige Schwestern ihr Unwesen treiben, Löcher in der Zeit am Strand angespült werden und in der einen die Lichter auf dem Wasser immer nach Hause leiten. Es sind Geschichten aus einer Welt, in der man SängerInnen nicht zu lange in die Augen schauen darf, weil man ansonsten in ihnen verloren geht und nie wieder zurückkehrt. Es ist das erste Album, welches Stella Sommer auf ihrem eigenen, eigens hierfür gegründeten Label “Northern Dancer Records” veröffentlicht. Nach der musikalischen Selbstermächtigung nun also auch die geschäftliche. Produziert wurde „Northern Dancer“ von Max Rieger. Stella Sommer hat die Stücke geschrieben, arrangiert, gesungen sowie Gitarre, Klavier und Synthesizer eingespielt. Und Teile des Albums selbst aufgenommen.