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© Tillman Kaiser

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In der Ausstellung Harmolodic Substi zeigt Tillman Kaiser neue Werke, die alle aus dem gleichen Grundmaterial – bemaltem Karton – bestehen.

Dennoch könnten sie in ihrem Verhältnis von Schwere und Leichtigkeit, von offener und geschlossener Form, Dynamik und Ruhe kaum unterschiedlicher sein. Gemeinsam verbinden sie sich zu einer vielstimmigen Raumkomposition, wobei der in RAL 5014 – Taubenblau – ausgemalte Galerieraum eine optische Klammer herstellt, die die Skulpturen mit den Räumlichkeiten verbindet. Kaisers fortlaufende Auseinandersetzung mit der menschlichen Gestalt und ihrem Verhältnis zu Raum und Architektur liegt den Arbeiten dabei ebenso zugrunde wie seine intensive Beschäftigung mit Struktur und Komposition, die wiederum in einem engem Bezug zu verwandten Fragestellungen in der Musik steht. Mit dem Ausstellungstitel bezieht er sich auf Harmolodics, die vom US-amerikanischen Jazzmusiker Ornette Coleman entwickelte Kompositions- und Improvisationsmethode, die auf einen unmittelbaren und offenen Ausdruck in der Musik abzielt und Harmonie, Melodie und Rhythmus als gleichwertige Elemente behandelt.
Aus vorwiegend dreieckigen Kartonelementen und einigen Glasplatten konstruiert, entwickelt sich eine Skulptur auf schwarzen Haarnadelbeinen stehend zu einer Art gigantischer Blütenknospe. Sie ist großzügig und flüchtig mit weißer Ölfarbe bemalt. Die Glasscheiben fungieren dabei als Referenz an die religiös-volkstümliche Praxis der Hinterglasmalerei. Eine andere, auf einem achteckigen Stern basierende Hängeskulptur ist von einem architektonischem Detail aus dem Wiener Stephansdom inspiriert: dem Sternenkranz am Orgelfuß über der Büste des Dombaumeisters Pilgram. Die fragile Form wiederholt Kaiser durch die in die Skulptur eingearbeiteten Scherenschnitte seines Sohnes. Die aus ineinandergesteckten Kartondreiecken regelmäßig in die Höhe wachsende stelenförmige Skulptur ist hingegen ein Fundstück aus einer ehemaligen Autofabrik. In eine weitere modulare Skulptur aus in- und übereinander gestapelten Kuben hat der Künstler Kinderzeichnungen integriert. Am unmittelbarsten der menschlichen Gestalt verpflichtet ist eine sich über zwei Beinsäulen erhebende komplexe Formation, die aus früheren Arbeiten bekannte Motive wie Masken oder Augen wiederbringt. Den Kontrapunkt zu diesen neuen, fast ganz in weiß gehaltenen Werken bildet die Arbeit Vampir (2005), eine hängende Skulptur, konstruiert aus zwei silberfarbenen Metalldosen und einem schwarz bemalten geometrischen Körper aus Karton.
Dass Kaisers Skulpturen häufig den vorläufigen Charakter von Modellen oder Prototypen haben, mag daran liegen, dass der Künstler die Spuren seines Arbeitsprozesses sichtbar lässt und nichts verschleiert: Die einzelnen Teile sind entweder geklebt oder mit Metallklammern verbunden und meist mit Ölfarbe bemalt. Zufall und Plan, Konzeption und Improvisation treffen in seinen Arbeiten aufeinander. Durch die Einbeziehung von Alltagsgegenständen und Fundstücken verbindet er unterschiedliche Lebensbereiche und unterwandert Hierarchien. Auf unprätentiöse Weise treffen Kunst und Leben in seinen Arbeiten aufeinander, wenn er Zeichnungen und ähnliche kreative Erzeugnisse seiner Kinder wie selbstverständlich in die Arbeit einfließen lässt.