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Ausstellungen Wien

Verschollen geglaubtes Bild von Klimt präsentiert

Der Fachwelt ist es nur aus einer Schwarz-Weiß-Fotografie bekannt. Bis jetzt. Das "Bildnis Fräulein Lieser" stammt aus 1917 und somit aus dem Spätwerk des weltbekannten Künstlers der Moderne. Das farbenprächtige Dreiviertelporträt war jahrzehntelang im Verborgenen in österreichischem Privatbesitz und wird am 24. April versteigert.

Das 140 mal 80 Zentimeter große Bild zeigt eine junge Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund. Um ihre Schultern liegt ein reich mit Blumen dekorierter Umhang. "Die koloristische Palette ist beispielhaft für Klimts Spätwerk", schwärmte Claudia Mörth-Gasser, die im Kinsky die Sparte Klassische Moderne leitet, über die Arbeit, die zu einer der letzten und zu den schönsten in der späten Schaffensperiode des Künstlers gehöre. Michael Kovacek, einer der im Kinsky-Geschäftsführer, nannte es eine "tolle Sache", dass ein Werk von solch seltenem Wert und Rang hierzulande am Kunstmarkt angeboten werden könne. Er bezifferte den Schätzwert auf Nachfrage auf 30 bis 50 Mio. Euro. Was den erwarteten Auktionserlös angeht, seien - im Vergleich mit anderen Klimt-Werken der vergangenen Jahre - Summen zwischen 40 und 70 Mio. Euro "denkbar".

Verschollen geglaubtes Gemälde von Klimt

Bisher war in Fachkreisen davon ausgegangen worden, dass Klimt hier die achtzehnjährige Constance Margarethe Lieser, Tochter von Adolf Lieser, porträtiert habe. Die Brüder Adolf und Justus Lieser zählten zu den führenden Großindustriellen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Recherchen des Auktionshauses hätten allerdings auch eine andere Möglichkeit zutage gefördert. Demnach komme auch die Schwägerin von Adolf - die oft "Lilly" genannte Henriette Amalie Lieser-Landau, die 1905 von Justus Lieser geschieden wurde - als Auftraggeberin in Frage. Folglich könnte das porträtierte "Fräulein Lieser" auch eine der beiden Töchter Lillys sein. "Einiges ist hier noch im Dunkeln", fasste Co-Geschäftsführer Ernst Ploil zusammen.

Das gilt auch für die Provenienz. Denn zwischen 1925 und den 1960er-Jahren ist das genaue Schicksal des Porträts ungeklärt - und damit auch der Verbleib während der Herrschaft des Nationalsozialismus. Ploil legte auf APA-Nachfrage dar, dass trotz intensiver Recherche - dem Einbringer sei dieser Punkt sehr wichtig gewesen - jedenfalls keine Hinweise auf eine "rechtswidrige Enteignung" vorlägen. Auch im Auktionskatalog heißt es dazu: "Es existieren mithin keine Beweise dafür, dass das Werk vor oder während des Zweiten Weltkriegs geraubt, gestohlen oder sonst wie rechtswidrig entzogen worden ist."

"Fräulein Lieser"

Aber der Reihe nach: Klimt dürfte im Mai 1917 mit dem Gemälde begonnen haben, nachdem ihm die Dargestellte innerhalb einiger Wochen neun Mal im Hietzinger Atelier des Künstlers Modell gestanden hatte. Mindestens 25 Vorstudien entstanden. Nach dem Tod des Malers am 6. Februar 1918 ging das - in geringen Teilen noch unvollendete - Werk an den Auftraggeber oder die Auftraggeberin zurück. Die "nächste Spur" stammt aus 1925, als das Gemälde in einer Ausstellung in der Neuen Galerie von Otto Kallir-Nirenstein zu sehen war, wie Ploil erklärte. Dort wurde vermutlich auch jenes Schwarz-Weiß-Foto aufgenommen, dessen Negativ als bisher einziges Bildzeugnis des Porträts im Archiv der Nationalbibliothek verwahrt wird. Auf der Inventarkarte findet sich der Vermerk: "1925 in Besitz von Frau Lieser, IV, Argentinierstrasse 20". Diese Adresse habe Henriette Lieser gehört.

Sie blieb trotz der Nazi-Diktatur in Wien, wurde 1942 deportiert und ermordet. Ihre Töchter hätten nach dem Ende des Krieges zwar die Restitution ihrer Vermögenswerte durchgesetzt, allerdings das Gemälde nirgends erwähnt oder gar zurückgefordert, heißt es in der Auktionsbroschüre: "Ebenso haben es alle anderen von Repressalien der Nationalsozialisten betroffenen Mitglieder der Familie Lieser gehalten." Das Bild sei auch nachweislich nie aus Österreich exportiert worden.

Auktion in Wien am 24. April

Fest steht, dass "Bildnis Fräulein Lieser" zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt in den Kunsthandel gekommen sei, wie ausgeführt wird. "Wann und wo es gekauft und weiterverkauft wurde, weiß ich nicht", das sei "nicht erforschbar" gewesen, führte Ploil aus. Die jetzigen Eigentümer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor war es wiederum über mehrere Generationen vererbt worden. Etwa seit Mitte der 1960er-Jahre habe es sich im Salon einer Villa in der Nähe Wiens befunden. Weitere Untersuchungen durch im Kinsky haben ergeben, dass es sich "in fast tadellosem Zustand" befunden habe, wie Mörth-Gasser berichtete. Es wurde in weiterer Folge fachkundig gereinigt und via Infrarot untersucht. Dies habe gezeigt, dass Klimt im Laufe des Malprozesses recht wenig Korrekturen durchgeführt habe - anders als etwa bei seiner "Adele Bloch-Bauer II".

Bevor das Gemälde im Auftrag der jetzigen Eigentümer, über die im Übrigen keine näheren Angaben gemacht wurden, am 24. April unter den Hammer kommt, soll es vor dem Auktionstermin noch rund zwei Wochen lang in den Räumlichkeiten von im Kinsky der Öffentlichkeit gezeigt werden. Außerdem sind noch Präsentationen an mehreren Orten in Europa und Südostasien wie Deutschland, Schweiz, Großbritannien oder Hongkong geplant.

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