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© Bettina Frenzel

Theater

Das Versprechen

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Requiem auf einen Kriminalroman von Friedrich Dürrenmatt. Für die Bühne adaptiert und inszeniert von Claus Tröger.

Der erfolgreiche Kriminalkommissar Matthai könnte eigentlich seinen Traumjob als Sicherheitsberater in Jordanien annehmen – doch eine mögliche Serie grässlicher Morde an kleinen Mädchen lässt ihm keine Ruhe. Zwar ist nach der letzten Tat ein Verdächtiger schnell gefasst, doch der vorbestrafte Hausierer begeht im Gefängnis Selbstmord. Matthai glaubt nicht an das Geständnis, das sein Amtsnachfolger Henzi dem vermutlichen Mörder abgerungen hat. Leichtfertig verspricht er der Mutter des toten Mädchens, den wahren Mörder zu fassen, doch für die Behörden ist der Fall abgeschlossen und so macht sich Matthai als Privatperson auf die Jagd nach dem Triebtäter. Er will ihm eine Falle stellen, entwirft einen Plan, doch spielt er dabei leichtfertig mit unschuldigen Menschen und seiner eigenen geistigen Gesundheit und Existenz…

Kritik

Bei einem Verbrechen dieser internationalen Dimensionen müsste sich eigentlich Interpol einschalten: der kriminelle Mastermind stammt aus der Schweiz, die Ausführenden sind aus Südtirol und der Schauplatz ist Wien. Zum Glück kommt aber niemand wirklich zu Schaden, denn es handelt sich nur um eine Theateraufführung nach Friedrich Dürrenmatt. Eine neuerstellte Bühnenfassung von dessen „Requiem auf einen Kriminalroman“ erlebt nämlich als Kooperation zwischen Theater zum Fürchten und dem Stadttheater Bruneck in der Wiener Scala ihre Premiere (und wird im Folgemonat auch in Südtirol zu sehen sein).
Dürrenmatts bekannter Roman „Das Versprechen“ entstand eigentlich als umformende Weiterschreibung seines Drehbuchs für den Kriminalfilm „Es geschah am hellichten Tag“ von 1958, in dem Heinz Rühmann als Ermittler einen Mädchenmörder (Gert Fröbe) jagt. Weil der Schweizer mit dem erzwungenen Happy End (und dem Filmtitel) nicht zufrieden war, gestaltete er den Stoff noch einmal fast völlig neu und gewährte den Lesern des Romans keineswegs ein allzu versöhnliches Ende, weil der heimtückische Zufall hier eine wichtige Rolle spielt.
Regisseur Claus Tröger, der das Werk für die Bühne adaptiert hat, überlässt hingegen nichts dem Zufall. Er hat aus der literarischen Vorlage eine genau kalkulierte Szenenfolge geschaffen, die perfekt ineinandergreift und eine bis zum Ende sich ständig steigernde Spannung aufbaut - selbst wenn man den Handlungsverlauf bereits kennt. An zusätzlichen Hilfsmitteln wird nicht viel benötigt: die Raumlösung von Klaus Gasperi besteht aus ein paar verschiebbaren hohen Bühnenelementen in Schwarz (immerhin ist es ein Requiem), die ausreichen, um rasche Schauplatzwechsel zu ermöglichen. Im Vordergrund sind beidseitig ein paar Stühle nebeneinandergestellt, die den meisten Mitwirkenden immer wieder als Rückzugsort dienen, sobald sie ihre Auftritte absolviert haben. Im Hintergrund ist hingegen ein heller Ausschnitt freigeblieben: dort hängt an langen Seilen eine Kinderschaukel, auf der das kleine Mädchen Annemarie öfter Platz nehmen wird.
Musikalisch setzt Tröger auf große Töne und verwendet Johnny Cash‘ erschütternden Alterssong „Hurt“ gleich zu Beginn, um die Eröffnungsstimmung vorzugeben. Auch zwischendurch wird die Melodie – von Kinderstimme gesummt – wieder aufgegriffen, bis dann zuletzt erneut Cash zu hören ist. Durch dieses Leitmotiv wird das Scheitern, der Schmerz und das Zu-spät-Gekommensein thematisiert – alles Erfahrungen, denen die Hauptfigur des Kommissars Matthäi ausgesetzt ist. Klaus Rohrmoser bietet hier das erschütternde Porträt des Zerfalls eines Mannes: vom erfahrenen Kriminalisten, den so schnell nichts mehr erschüttern kann und der unmittelbar vor Beendigung seiner Dienstzeit steht, über den verbissenen Ermittler auf privater Basis, der mit besten Absichten moralisch verwerflich handelt, bis zum menschlichen Wrack, das jede Hoffnung verloren hat und im Alkoholnebel versinkt. All das wird mit höchster Meisterschaft von Rohrmoser gespielt. Tatsächlich verrät erst ein Blick ins Programmheft, dass der Darsteller an diesem Abend sein Scala-Debüt gegeben hat. Dabei scheint er so vertraut mit dieser Bühne und wirkt, als hätte er bereits lange zum Hausensemble gehört.
Als Matthäis Ex-Kollegen erleben wir Christian Kainradl in Gestalt eines abstoßenden Karrieristen, ihm ist zwar jedes Mittel recht, um zu einem Geständnis zu kommen, doch kriminalistischen Spürsinn lässt er vermissen. Jörg Stelling spielt souverän Matthäis Vorgesetzten, der dem körperlichen und geistigen Niedergang seines geschätzten ehemaligen Mitarbeiters hilflos zusehen muss.
Was im Roman ein Geständnis auf dem Totenbett ist, wodurch der wahre Täter erst indirekt und nachträglich erscheint, wird hier in die Handlung integriert. Diese Parallelerzählung steigert die Dramatik wesentlich, weil dadurch der Wettlauf zwischen Mörder und Ermittler an Dringlichkeit gewinnt. Ein besonders geschickter Regieeinfall besteht darin, den unschuldig Verdächtigten und den wahren Täter von ein und derselben Person verkörpern zu lassen, wodurch Florian Lebek zunächst unser Mitleid und dann unser Entsetzen erregt. Als zauberischer Igelriese, wie der Mörder auf einer Kinderzeichnung dargestellt ist, gibt Lebek die geradezu pathologische Studie eines zutiefst gestörten Mannes und man wird – wie einst beim Anblick von Gert Fröbe in dieser denkwürdigen Rolle – öfter eine Gänsehaut empfinden. Großes Unbehagen ruft auch die Figur von Alberts sogenannter Mutti hervor: Bettina Soriat zeigt, wie Schwäche, Verfehlung und Kaltherzigkeit eine verhängnisvolle Mischung eingehen können. In ihrer Zweitrolle als kompetente Psychologin trägt sie aber immerhin Wesentliches zur Klärung des Falles bei.
Andere Darsteller schlüpfen sogar in bis zu fünf Rollen, wie zum Beispiel Christoph Prückner: zunächst als Lehrer, Pfleger, salbungsvoller Pfarrer und Tankwart, dann wiederum als erfahrener Fischer, der durch seine Erzählung vom richtigen Köder den Kommissar erst auf die gefährliche Idee bringt, das kleine Mädchen (alterierend Nina Greicha oder Mia Wendt) als Lockvogel einzusetzen.
Die gebürtige Bruneckerin Monica Pallua führt sich sofort mit einem starken Auftritt ein: als Mutter eines der ermordeten Kinder stößt sei nach Erhalt der Todesnachricht einen markerschütternden Schrei aus, der uns auch nach der Vorführung noch in den Ohren gellen wird.
Die soeben geschilderten Erfahrungen sind garantiert grenzübergreifend und so kann sich auch das Südtiroler Publikum im März auf einen intensiven Theaterabend gefasst machen.

franco schedl