© Mai Ling, Becoming Stickiness, 2023, Filmstill

Kunstausstellung

SoiL Thornton / Mai Ling / Mykola Ridnyi

Showtimes

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10:00 - 18:00
Secession Wien

Secessions-Ausstellungen sind nicht erst unter der Präsidentschaft von Ramesch Daha eine besondere Herausforderung. Seit langem versucht die Vereinigung bildender KünstlerInnen ihr Ausstellungsprogramm abseits des Mainstreams und unter Berücksichtigung politischer und gesellschaftskritischer Aspekte zu entwickeln. Bei den Ausstellungen, die heute eröffnet werden, stehen Identitäten, Genderfragen und Ukrainekrieg im Zentrum. Der Zugang zum Hauptraum ist allerdings blockiert.

Dort hat nämlich SoiL Thornton einen "Husband Chair" als zwar luftgefüllten, aber dennoch sehr massiven Sperrriegel aufgestellt. Ein starkes Signal, das nicht einfach zu dechiffrieren ist. Es beginnt bei der Ablehnung jeglicher Geschlechterzuschreibung. "SoiL Thornton wurde 1990 geboren und lebt und arbeitet in Brooklyn, New York", ist alles, was die Biografie verrät. Einige Arbeiten der "Choosing Suitor" genannten Wiener Schau spielen mit männlichen und weiblichen Vornamen, der Katalog hat die abwechselnden Seitenfarben hellblau, rosarot und grün (quasi als neutrale Farbe im Sinne eines Green Screen). "Es geht in SoiLs Arbeit viel um Identitätspolitiken, Genderfragen und Zuschreibungen", sagt Kuratorin Jeanette Pacher im Gespräch mit der APA.

Der "Husband Chair" - ein Begriff, der in den USA jene Sitzmöbel beschreibt, die in Damenmodengeschäften für die männliche Begleitung der Kundinnen bereitgestellt sind - ist Pacher sozusagen auf den Leib geschneidert worden. Die aufblasbare Barriere, die SoiL Thornton nicht zum ersten Mal in einer Ausstellung verwendet, ist im Doppelsinne eine Maßanfertigung: Mit 25,7 Metern ist die braune Vinylhülle so breit wie der Hauptraum der Secession, ihre Höhe von 1,63 Metern entspricht exakt der Körpergröße der Kuratorin. Die Überwindung dieser Barriere ist nicht einfach - und auch nicht vorgesehen. Der Zugang zur Ausstellung, in der etwa auch Plüschspielzeug ausgelegt ist, das trotz seiner schweinchenrosa Farbe kein Tier darstellen soll, sondern angeblich aus einer Serie von aus Plüsch nachgebauten Körperteilen stammt und den sprechenden Titel "Spot your rectum versus mine" trägt, erfolgt über den Hintereingang. Und damit die Ausstellung, die gesellschaftliche Barrieren thematisiert, physisch barrierefrei zugänglich ist, wurde dafür extra eine Treppenraupe angemietet.

Nicht minder originell und um nichts weniger politisch ist die Ausstellung "Not My Ornament" in der Galerie im Untergeschoß. Das 2019 in Wien gegründete Kollektiv Mai Ling (eine Anspielung auf einen berühmten Sketch von Gerhard Polt) zeigt in seiner Arbeit patriarchale und rassistische Diskriminierung insbesondere von asiatischen Frauen auf. Einerseits bringt man die besonders im Jugendstil stark eingesetzte Ornamentik mit der dekorativen Verwendung asiatischer Femininität in europäischen und amerikanischen Vorstellungen in Verbindung, andererseits bezieht man Blumen und Pflanzen in die Überlegungen ein: "Auch Pflanzen werden zur Dekorierung westlicher Haushalte verwendet", erklären Mitglieder des Kollektivs beim APA-Besuch eines Ausstellungsraums, der wie ein Gewächshaus anmutet. Der Clou dabei: Indem die Kudzu-Pflanze, die in Asien u.a. als Heilpflanze geschätzt wird und 1976 als Zierpflanze in die USA eingeführt wurde, eine zentrale Rolle ihrer Installation spielt, wird der Diskussionsraum Richtung Biodiversität und Klimawandel geöffnet. Die Lianenart wird weltweit zu den 100 aggressivsten invasiven Neophyten gezählt, ihre Verbreitung unterliegt hierzulande strengsten Regeln.

Deutlich einfacher scheinen die Dinge im Grafischen Kabinett: Hier zeigt der in der Ukraine geborene und heute in Berlin lebende Künstler Mykola Ridnyi "The District", ein im Frühjahr aufgenommenes Video aus seiner Heimatstadt Charkiw - eine Erinnerung an seine Kindheit, unter bewusster Vermeidung von Ruinenbildern. Ein 2014 von einem Raketenangriff getroffenes Wohnhaus zeigt dagegen einer der beiden Banner, die in den nächsten Tagen an der Secessions-Fassade angebracht werden sollen. Der zweite Banner zeigt eine Luftaufnahme von Nord-Saltivka, dem Bezirk von Charkiw, in dem der Künstler aufgewachsen ist und von dem auch der neue Film handelt. Sie sollen den Umstand vor Augen führen, dass der Krieg ohne große Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit bereits vor Jahren begonnen hat. Entsprechend heißt auch Ridnyis Werkserie: "Blind Spot".

Öffnungszeiten: di-so / 10-18 uhr