Sophie Thun

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Die Dialektik zwischen dem Ort der Produktion und der Präsentation des Werks, zwischen ihrer eigenen Arbeits­situation als Künstlerin und der physischen Präsenz des Körpers sind wiederkehrende Themen im fotografischen Werk von Sophie Thun. Häufig macht sie die Orte, an denen sie ihre Werke ausstellt, zum Ausgangspunkt ihrer Fotografien und zeigt, wie sich ihr Körper in diese einschreibt. Für ihre Ausstellung in der Secession hat Thun diesen Ansatz weiterentwickelt und außerdem für den digitalen Raum adaptiert.

Die Künstlerin richtet sich ihre Dunkelkammer im Ausstellungsraum ein, um alleine vor Ort Fotogramme von allen Gegenständen ihrer Wohnung in der Stolberggasse in Wien herzustellen.* Das Inventar, das sie ausbelichtet, reicht von Zahnbürsten und Küchenutensilien über Bücher, Werkzeuge und Büroklammern bis zu Haargummis. Das einzige Ausschlusskriterium ist die Größe der Gegenstände, die dem Medium entsprechend das 8×10″ messende Format eines Großbildnegativs nicht übersteigt.

Neben ihren Arbeitsgeräten und der fortlaufend wachsenden Sammlung schwarz-weißer Fotogramme umfasst ihre Installation auch die mehrteilige Farbfotografie Looking at the Window, Kabinett. Als Trompe-l’Œil bildet es im Maßstab 1:1 jenes Fensters ab, das sich hinter der Fotografie befindet, zur Verdunkelung des Raums allerdings verbaut wurde. Der Ausblick, die Verbindung nach Außen, bleibt Illusion und der Blick wird stattdessen auf den Innenraum zurückgeworfen. Auch die gleichbleibende Tages- und Jahreszeit auf dem Bild lässt sich als ein Zeichen des Stillstands lesen und verweist so auf das Paradigma der Fotografie als angehaltener Moment ebenso wie auf aktuelle Situation des Lockdown.

Während das Gebäude der Secession für Besucher*innen geschlossen bleibt, können diese mittels Überwachungskameras das Geschehen im Ausstellungsraum in Realzeit auf der Website verfolgen. Wesentlich ist, dass Thun nicht nur die Ergebnisse ihrer Arbeit, sondern auch die Arbeit selbst sichtbar macht und so auf die damit verbundenen Orte, Mechanismen und Performances reflektiert.

Auf vielfache Weise rückt sie dabei die Prozesse und Bedingungen ihrer künstlerischen Produktion in den Fokus. Zum einen zeigt sie auf einer sehr konkreten Ebene die differenzierte Technik der analogen Bildproduktion, die im Rotlicht der Dunkelkammer vom Moment der Ausbelichtung der einzelnen Gegen­stände mit dem Vergrößerer bis zur der Entwicklung der schwarz-weißen Baryt-Abzüge miterlebt werden kann.

Zum anderen werden ihr Körper und sein Handeln wiederholt zum Bildmotiv und sind sowohl in der filmischen Übertragung online als auch auf den Kontaktabzügen zu sehen, wenn die Hände der Künstlerin die Gegenstände in Position halten und dadurch auf den Bildern als weiße Schattenrisse erscheinen.

Darüber hinaus befragt Thun angesichts der erzwungenen weitreichenden Isolation aller aufgrund der Corona-Maßnahmen mit der Verlegung ihres Projekts in den digitalen Raum auch das komplexe Zusammenspiel von Selbstmotivation, Fremdbestimmung und Überwachung. Durch die ununterbrochen mögliche Beobachtung des Ausstellungsraums gewinnen jene Phasen, in denen die Künstlerin nicht im Bild ist und somit scheinbar nichts tut, eine gleichwertige Bedeutung, gerade weil offen bleibt, ob sie als wohlverdiente Freizeit, Faulheit oder produktive Muße zu werten sind.

Zu den Nischen und Ecken, die von den Überwachungskameras nicht erfasst werden, zählt unter anderem das Stiegenhaus, über das die Besucherinnen normalerweise den Ausstellungsraum erreichen. Thun nimmt hier ihr Spiel mit den Schnittstellen von Lebensraum und Produktionsstätte, privatem und öffentlichem Raum erneut auf, indem sie die abgenutzten und in alter Manier mit Musterrollen bedruckten Wände aus ihrem Stiegenhaus in der Stolberggasse reproduziert und im Halbstock eine Fotografie von sich selbst auf der Treppe präsentiert. Mit der für ihr Werk charakteristischen Selbstdarstellung bezieht sich Thun auf die Darstellungskonventionen des (nackten) weiblichen Körpers im Allgemeinen und Marcel Duchamps ikonisches Gemälde Akt, eine Treppe hinabsteigend (1912) und seine Rezeption im Besonderen. Im Zuge ihrer komplexen Bildfindung zerschneidet sie die Negative mehrerer Aufnahmen und fügt sie so wieder zusammen, dass die dargestellten Posen aufeinander Bezug nehmen. Die sexuelle Aufladung ist dabei offensichtlich und gewollt; die Objektwerdung des weiblichen Körpers und die mögliche voyeuristische Teilhabe werden jedoch durch die aktive Rolle der Künstlerin, die mit dem Selbst­auslöser in der Hand die Kontrolle über ihr Bild stets behält, und durch ihren direkten selbstbewussten Blick, mit dem sie den Betrachterinnen begegnet, konterkariert.