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Theater Wien

Fall Teichtmeister: Burg will klagen, Szene mahnt zur "Differenzierung"

Der Fall Teichtmeister könnte auch finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. So sei der Schaden für das Burgtheater "immens", wie Robert Beutler, der kaufmännischen Geschäftsführer des Hauses, dem "Kurier" mitteilte. Er werde "einzuklagen sein, schon allein aus Geschäftsführer-Haftung". Unklar ist, mit welchem Schaden Marie Kreutzers Film "Corsage" rechnen muss. Ein weiterer im Film mitwirkender Schauspieler wies Vorwürfe sexueller Belästigung gegen ihn indes zurück.

Das Burgtheater setzte zuletzt die Inszenierung von Daniel Kehlmanns "Nebenan" ab, in dem Teichtmeister eine Hauptrolle spielte. Wer hingegen am 31. Jänner in der Wilde-Adaption "Bunbury" anstelle von Teichtmeister den John Worthing spielen wird, hat das Haus noch nicht bekanntgegeben.

Film "Corsage" wird nicht zurückgezogen

Auch das Image von "Corsage", der bei den englischen BAFTA-Preisen zuletzt als bester nicht englischsprachiger Film nominiert wurde und Österreichs Oscarkandidat bleibt, ist durch den Fall Teichtmeister beschädigt.

Regisseurin Marie Kreutzer will den Film, in dem Florian Teichtmeister Kaiser Franz Joseph spielt, nicht zurückziehen. "Wir würden ihm eine ungeheure Macht geben, wenn wir sagen, man kann diesen Film nicht mehr sehen. Dazu bin ich nicht bereit", sagte sie im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".

Die Dreharbeiten zu "Corsage" waren beendet, als die Gerüchte rund um Teichtmeister, der sich im Februar für den Besitz von Dateien mit sexuellen Darstellungen von Unmündigen und Minderjährigen vor Gericht verantworten muss, aufkamen. Erfahren habe sie von den Vorwürfen durch anonymisierte Medienberichte. Sie habe Teichtmeister, der mittlerweile geständig ist, daraufhin per E-Mail gefragt, was an den Gerüchten dran sei. Teichtmeister habe "klar dementiert", so Kreutzer. In die Pressearbeit zu "Corsage" habe man ihn nicht eingebunden. Auf einigen Premieren tauchten sie dennoch gemeinsam auf. "Man kann natürlich sagen, wir hätten das ganz aktiv unterbinden können. Aber da kommen wir in den problematischen Bereich, wie man mit Gerüchten umgeht. Auch dafür gibt es kein Protokoll, nicht mal ein moralisches", so die Regisseurin.

"Jahrelange Arbeit vieler Menschen"

Den Film wolle sie nicht zurückziehen, schließlich sei Teichtmeister nur einer von vielen Beteiligten am Film. "In 'Corsage' stecken jahrelange Arbeit und viel Liebe von vielen Menschen. Deshalb tut es ja auch so weh, dass der Film immer mit diesen grauenvollen Taten behaftet sein wird", so Kreutzer.

Jener andere nicht namentlich genannte "Corsage"-Schauspieler, gegen den Vorwürfe sexueller Belästigungen laut geworden waren, wandte sich nun über seine Anwältin Margot Rest an die Öffentlichkeit. Er poche darauf, auch weiterhin nicht namentlich genannt zu werden. Er weist die Vorwürfe zurück, diese hätten sich als "substanzlos herausgestellt", zitierten Medien das Schreiben. Sollte er "irgendjemandem zu irgendeinem Zeitpunkt entgegen seiner eigenen Wahrnehmung verbal zu nahe getreten sein, würde er dies zutiefst bedauern und sich sofort in aller Form dafür entschuldigen." Nachdem über soziale Medien Vorwürfe aufgekommen waren, habe er 2021 eine mittlerweile mit einem Vergleich beigelegte Kreditschädigungsklage eingebracht und sich im Zuge dessen "aus eigener Motivation freiwillig zu einer Sensibilisierungsschulung bereit erklärt". Sollte es konkrete Vorwürfe geben, werde der Schauspieler "mit seiner vollen Mitwirkung für die Aufklärung zur Verfügung stehen".

Fall Teichtmeister: Kultur fordert Differenzierung

Angesicht des Falls mahnt die Kulturszene in einem Offenen Brief zur Differenzierung. Man verurteile in jeglicher Form den Missbrauch von Kindern, und nichts dürfe hier beschönigt oder relativiert werden. Der Umgang mit Werken, an denen Täter mitgewirkt haben, sei dennoch differenziert zu betrachten.

"Es ist eine Gratwanderung, die Opfer zu schützen, die Täter nicht zu schonen und dennoch die Arbeit vieler Unbeteiligter nicht in Kollektivhaftung zu nehmen", heißt es in dem Offenen Brief. "Vehement verwehren wir uns gegen den diffamierenden Vorwurf, alle hätten alles gewusst", unterstreichen die Proponenten und springen dabei vor allem "Corsage" zur Seite: "Wir sind erschüttert, dass ein feministischer Film, der Machtverhältnisse und Rollenbilder hinterfragt, der international für seine visuelle Kraft und seinen Inhalt gewürdigt wird, wegen der Taten eines Mannes aus dem Kinoprogramm genommen und dadurch dem Täter eine Macht gegeben wird, die ihm nicht zusteht."

Insofern erkläre man sich solidarisch mit den FilmemacherInnen in ihrem Bestreben, den Film von den strafbaren und zutiefst zu verurteilenden Handlungen eines Darstellers zu trennen. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern der Solidaritätsadresse zählen neben dem Verband Filmregie etwa die Regisseurinnen Ruth Beckermann, Veronika Franz, ihre männlichen Kollegen Adrian Goiginger und Arman T. Riahi, die Schriftsteller Franzobel, Arno Geiger und ihre Kolleginnen Elfriede Jelinek und Eva Menasse, Theatermann Paulus Manker, Komponist HK Gruber oder TV-Mastermind David Schalko.

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