Symbolbild.

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Valentinstag in Wien

“Slow Dating”: Zeit und Tiefgang statt Tinder und Druck

Was sind die absoluten No-Gos beim ersten Date, welche Orte in Wien sind besonders romantisch und sind Dating-Apps wie Tinder und Co. wirklich zielführend, wenn man jemanden kennenlernen möchte?

Helena und Till Spindler wollen mit ihrer Veranstaltungsreihe "Slow Dating Events Vienna" das Datingleben ein wenig entschleunigen. Wir sprachen mit dem Date-Expertenduo über die aktuellen Trends und Entwicklungen am Liesbesmarkt, über die Gefahr der "Checklisten-Kultur" und haben uns auch ein paar Tipps für den Valentinstag geholt.

Was bedeutet “Slow Dating“?

Till: Den Begriff „Slow“ gab es schon in einigen anderen Trends, etwa bei „Slow Food“. Für uns bedeutet er: Sich Zeit nehmen fürs Daten. Bei uns geht es um eine tiefergehende Art, sich kennenzulernen.

Was sind besonders beliebte Dating-Veranstaltungen von euch?

Till: Wir versuchen, nicht alltägliche Aktivitäten in unsere Date-Events zu integrieren. Ein bekanntes Format von uns ist zum Beispiel das „Silent Dating“: Wie ist es, wenn ich beim Date mal meine Stimme ausschalte und mich nur auf die Augen und Körpersprache konzentriere?  Generell unterteilen wir in Sommer und Winter. In der warmen Jahreszeit haben wir viele Outdoor-Events, zum Beispiel Stand-Up-Paddeln, oder Kanufahren, was sehr gut ankommt.

Helena: Seit Corona ist zum Beispiel das „Real Talk Date“ beliebt, wo es um Gespräche geht, für die wir Gesprächsimpulse geben. Dabei wird der Smalltalk gleich übersprungen, wenn man das möchte.

Till: Auch „Play and Date” kommt gut an, mit klassischen und neuen Brettspiele sowie Geschicklichkeits- und Kommunikationsspielen. Dabei kann man sich kennenlernen, indem das Spielerische im Vordergrund steht, und nicht allgemeine Fragen zur Person.  

Helena: Hauptsache, man macht das, wo man selbst aufblüht, denn so lernt man sich am besten kennen. Für manche Leute ist es zum Beispiel Romantik pur, wenn sie gemeinsam Sport machen. Auch da haben wir eine Event-Kooperation mit einem Fitnesspartner.

Was hat euch dazu bewogen, „Slow Dating Events Vienna“ zu starten?

Helena: Begonnen hat alles 2018. Wir haben damals schnell festgestellt, dass es so etwas in der Art in Wien noch nicht gab, während andere Städte diesen Trend längst aufgegriffen hatten. Wien ist in der Eventbranche oft ein bisschen hinten nach (lacht). „Silent Dating“ zum Beispiel gab es bereits seit Jahren in London. Wir haben also den Gründer von dort nach Wien geholt und schließlich die ersten beiden Events mit seiner Hilfe durchgeführt. Dabei ist so eine wahnsinnige schöne, positive Energie entstanden, dass wir gesagt haben: „Wir wollen das weitermachen!“

Habt ihr eine „Erfolgsrate“ bei euren Events? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, wirklich jemanden dort kennenzulernen?

Helena: Das ist natürlich schwer zu sagen, denn sobald ein „Erfolg“ da ist, haben wir keinen Kontakt mehr mit den Leuten. Wir bleiben eher mit jenen in Kontakt, die weiter eine langfristige Beziehung suchen. Oft erzählen uns Gäste aber von FreundInnen, die sie mal zu uns mitgenommen haben, und wie schön deren Beziehungen mit Leuten, die sie bei unseren Events kennengelernt haben, dann weitergegangen sind.

Till: Wir kriegen in den Sozialen Medien immer wieder Rückmeldungen, erst neulich von einem Paar, das geschrieben hat: „Wir haben uns auf einem eurer Events kennengelernt, haben geheiratet und bekommen jetzt ein Baby!“ Wir heißen aber auch „Slow Dating Events“, weil uns sowohl das Kennenlernen als auch das Event wichtig sind. Es soll kein Druck sein, dass es „klappen muss“, sondern man kann auch einfach kommen, um einen netten Abend zu verbringen. Und im Idealfall lernt man dabei jemanden kennen.

Helena: Wir sehen diesen „Druck“ beim Dating gesellschaftlich sehr stark. Wir versuchen, dem entgegenzuwirken, indem wir lockere Begegnungen in den Fokus setzen. Auch das steckt in dem Wort „Slow“.

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Wie hat sich das Datingverhalten durch Corona verändert?

Helena: Während der Hochphasen von Corona war es psychologisch gesehen natürlich so, dass jede/r, den/die man getroffen hat, eine „Gefahrenquelle“ war. Und das ist natürlich eine arge Belastung für ein erstes Date, bei dem man ohnehin schon in einer Stresssituation ist. Sich ein Date in diesen Zeiten auszumachen ist zum einen anstrengend, zum anderen merkt man aber gleich, ob man kommunikationsmäßig zusammenpasst, wenn man schon am Anfang über so schwierige Themen reden kann.

Till: Wir haben auch gemerkt, dass sich alles etwas verlangsamt hat. Man nimmt sich mehr Zeit und trifft sich öfter, bevor man zum ersten Mal ins Bett hüpft. Gerade solche Kennenlern-Spaziergänge wollten wir unterstützen und haben ein neues Spielformat für ein schönes erstes Date geschaffen: „Love in Vienna“, als Spaziergang in der Innenstadt, mit einer Box mit kleinen Aufgaben. Dazu wird es von uns auch eine Aktion zum Valentinstag geben!

Generell scheinen sich die Leute wieder mehr im realen Leben treffen zu wollen, da man wegen Corona ohnehin so viel mehr vor dem Computerbildschirm sitzt.  Gleichzeitig muss man das soziale Verhalten ein bisschen „wiederlernen“, besonders bei Veranstaltungen in größeren Gruppen.

Eurer Erfahrung nach: Was sind die absoluten No-Gos beim ersten Date?

Helena: Nicht zuhören! Es gibt einen Spruch: „Man ist selbst am interessantesten, wenn man sich für andere interessiert.“

Till: Weiters hat man durch Apps und Online-Formate wie Tinder einen Überfluss an Auswahl bekommen, man kann sich quasi „das Allerbeste“ aussuchen. Damit steigen jedoch auch die Erwartungen. Diese sollte man aber außen vorlassen. Das Date wird meistens am schönsten, wenn man möglichst ohne Erwartungen hingeht.

Helena: Man sollte versuchen, die „Checklisten-Kultur“ abzulegen. Grundlegende Dinge wie ein Kinderwunsch oder Wohnort sollten natürlich abgeklärt werden, aber man sollte keinen Kriterienkatalog für potenzielle PartnerInnen haben. So fixierte Bilder werden auch durch die Medien stark hochgeschaukelt. Einer der schönsten Momente ist für mich, wenn mir Leute erzählen, dass sie ein ganz anderes Bild von der Person hatten, das Date aber trotzdem total schön war! Es gibt so viele Dinge, die man über Fotos nicht sehen kann.

Kann man langsam einen Umkehrtrend zu schnellen Dating Apps und Co. erkennen?

Till: Das Onlinedating scheint eine Grenze erreicht zu haben. Ich finde es nach wie vor spannend, es kann eine coole Ergänzung sein. Als solche wird es langsam aber auch wieder gesehen. Eine Zeit lang kam es mir wirklich so vor, als würden die meisten denken, dass man nur Leute kennenlernen kann, wenn man sich online wo anmeldet.

Helena: Ich hab es privat zwar auch gerne gemacht, aber es ist wichtig, das Onlinedating nicht zu ernst zu nehmen! Gesellschaftlich finde ich es zudem problematisch, da Menschen, die so genannte „Makel“ haben“, dadurch nochmal viel stärker stigmatisiert und benachteiligt werden. Das geht einher mit der bereits genannten „Checklisten-Kultur“. Weiters ist ein Zuviel an Auswahl auch überfordernd, man ist dann nur mehr am Wischen. Es ist psychologisch belegt, dass wir Menschen durch zu wenig oder zu viel Auswahl nicht glücklich werden.

Habt ihr Tipps für besonders romantische Orte in Wien?

Helena: Letztes Jahr zum Valentinstag war alles zu, heuer kann man zum Glück wieder in Lokale gehen. Und da gibt es ja viele romantische. Ich persönlich finde das „Shanghai Tan“ sehr toll.

Till: Auch Restaurants und Bars, die weit oben mit Ausblick sind, eignen sich immer für ein schönes Date. Im Sommer finde ich persönlich Bootfahren oder ein Picknick an der Alten Donau sehr stimmungsvoll.

Was sind eure Pläne 2022 für „Slow Dating Events Vienna“?

Till: Wir wollen eine noch größere Community werden und die Leute noch länger begleiten, eventuell mit Mitgliederbereich oder im Vorfeld gematchte Events. Weiters wollen wir zum Thema „Einsamkeit“ eine wissenschaftlich begleitete Arbeit machen.

Helena: Auch möchten wir unsere Zielgruppen ausweiten, was durch Corona kaum möglich war. Wir wollen 2022 Events für die LGBTQ-Community ins Leben rufen. Weiters wollen wir auch Dating-Seminare verstärkt anbieten, gerade zum feministischen Aspekt von Dating. Es heißt oft „der Feminismus tötet das Datingleben!“, aber wir sehen das genau umgekehrt.

Till: Wir würden auch gerne mehr für ältere Altergruppen machen, da wir insbesondere von Frauen viele Anfragen bekommen. An alle Männer da draußen: Traut euch, uns fehlen die Herren für solche Events!

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