Schauspieler:innen auf der Bühne

© Luiza Puiu

Was ist los in Niederösterreich

Gucci, Prada und Perücken gegen den Krieg

Antikes Drama mit evidentem Gegenwartsbezug ist im Landestheater NÖ in St. Pölten zu sehen, wo am Freitagabend "Die Troerinnen" nach Euripides in einer Bearbeitung von Jean-Paul Sartre - bildstark inszeniert von Slava Daubnerova - zur Premiere gelangte. Eine Produktion, für die leider nur wenige Aufführungen vorgesehen sind.

Gucci, Prada und Perücken

Während die Besucher im Zuschauerraum Platz nehmen, ist eine Kamera auf sie gerichtet: Alles Geschehen wird zeitverschoben auf eine Bühnenleinwand gespiegelt. Unwillkürlich beobachtet man sich, ertappt sich bei unbewussten Bewegungen. Ein grollender Geräuschhintergrund kündigt Bedrohung an, und plötzlich ist der projizierte Zuschauerraum leer - wie auch Troja schlagartig entvölkert war durch den legendären griechischen Überfall und das damit verbundene Massaker an der trojanischen Bevölkerung.

Übrig bleiben die Frauen: Mit blonden Perücken versehen, bilden Hekuba (Bettina Kerl), Helena (Laura Laufenberg), Andromache (Julia Kreusch) und Kassandra (Caroline Baas) ein großartiges Quartett weiblicher Opfer des Krieges, schwankend zwischen gewohntem Glamour und wachsender Verzweiflung. Julian Tzschentke gibt den Boten Talthybios als eine Art hermaphroditischen Regisseur im Glitzerumhang, Sven Kaschte taucht gegen Ende der Handlung als Menelaos auf, gewandet in einen unförmigen Kleidersack (Cedric Mpaka hat speziell den Damen rosa glänzende Plastik-Outfits verpasst und lässt die schöne Helena mit Gucci- und Prada-Einkaufstaschen umherstöckeln).

Bezug zu aktuellen Kriegsereignissen

Sehr gelungen ist das dunkle Bühnenbild, das eine Ruinenlandschaft andeutet und einen Spiegel beinhaltet, der sich später auf einen brennenden - deutlich als Rathausplatz von St. Pölten erkennbaren - Platz öffnet (Bühne und Video: Lugh Amber Wittig). Wesentlichen Anteil an der akustischen Atmosphäre hat der Klangteppich von Stroon alias Dalibor Kocian, der die Handlung begleitet, unaufdringlich, aber sehr präsent. Überzeugend geraten auch die Chorstellen, bei denen nicht im Gleichklang Text heruntergeleiert wird, sondern ein Durcheinander herrscht, das dem situativen Chaos entspricht.

In einer zentralen Stelle des Stücks wirft Andromache den Aggressoren, die unter dem Deckmantel des vorgeblichen Kampfes gegen die Barbarei agieren, vor: "Wenn Ruhmsucht und Habgier euch herlocken zu uns, dann plündert ihr, dann foltert ihr, dann metzelt ihr nieder. Wer also ist hier der Barbar?" Unvermittelt stellen sich Assoziationen her zu aktuellen Kriegsereignissen in der Ukraine und im Nahen Osten, wo der Zivilbevölkerung unsägliches Leid zugemutet wird. Welchen Einfluss können Frauen auf patriarchales Kriegsgeschehen nehmen? Welche Spuren hinterlassen Kriege über Generationen hinweg in Familien und Regionen? Viele Fragen stellen sich an diesem eindrücklichen Abend - und offenbar seit Jahrtausenden.

(Von Ewald Baringer/APA)

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