Kunst aus der Ukraine: Oleksandr Bohomasows "Schärfen der Sägen", 1927

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Ausstellungen Wien

Unteres Belvedere zeigt Modernismen der Ukraine

"Wir verwenden bewusst 'Modernismen in der Ukraine' und nicht 'Ukrainische Modernismen', denn die Rede ist von unterschiedlichen Künstlern, das waren neben Ukrainern auch Juden, Russen und Polen, die einen Beitrag zur Entwicklung der ukrainischen Kunst geleistet haben", erläuterte der aus Kiew stammende Kunsthistoriker Konstantin Akinsha, der gemeinsam mit Katia Denysova die Schau in Wien kuratiert hat, im Gespräch mit der APA. Keinesfalls wolle man sich damit beschäftigen, Künstler zu ethnischen Ukrainern zu erklären. "Kasimir Malewitsch ist bei uns nicht deshalb in der Ausstellung, weil er ein Ukrainer wäre - das wäre Blödsinn. Sondern weil er (in den späten 1920ern, Anm.) in die Ukraine kam, zwei Jahre hier wirkte, theoretische Werke publizierte und auf Studenten einwirkte", so Akinsha.

Mitwirkende Künstler:innen

Beim aus Kiew gebürtigen Polen, jedoch vor allem in Moskau und St. Petersburg tätigen Malewitsch (1879-1935), der mit einer Skizze für ein geplantes Fresko aus dem Nationalmuseum sowie zwei bekannten Gemälden aus dem Museum Ludwig und der Wiener Albertina vertreten ist, handelt es sich freilich um den bekanntesten Künstler der Ausstellung. Viele seiner in der Ukraine aktiven Zeitgenossen wurden international indes jahrzehntelang kaum gezeigt. Einer der Gründe: Auch westliche Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker konzentrierten sich lange Zeit vor allem auf eine "russische Avantgarde" in Moskau und St. Petersburg.

Oleksandr Bohomasow (1880-1930) mit seinen gerade noch etwas futuristischen "Sägern bei der Arbeit" und Oleksandr Syrotenko (1897-1975) mit seinem Landarbeiterbild "Pause" können deshalb im Westen nahezu als Entdeckung gelten. Dies gilt auch Sara Schor (1897-1971), die sich insbesondere mit jüdischen Ästhetiken beschäftigte, oder für Mychajlo Saposchnikow (1871-1935) und seine verstörend surrealen Malereien. Ein Geheimtipp sind zudem die Bojtschukisten: Diese linke Künstlergruppe um Mychjalo Bojtschuk (1882-1937) mit sehr erkennbarer Bildsprache und Frauenporträts mit Kopftüchern fiel 1937 einer stalinistischen Säuberungswelle der ukrainischen Intelligenzija zum Opfer. Im selben Jahr wurde auch der futuristische Dichter Mychajl Semenko exekutiert, den Anatol Petryzykyj (1895-1964) in einer ebenso ausgestellten Zeichnung porträtiert hat. Das Blatt zeigt Spuren einer Faltung und dürfte während der Stalin-Zeit versteckt gewesen sein. Es zu zeigen, hätte damals lebensgefährlich sein können.

Schau um neue Themenblöcke erweitert

Neben Themenblöcken wie internationale Einflüssen, Kubofuturismus, relevanten Städte, die jüdische-jiddische Kulturliga oder die späten Zwanzigerjahre in den größeren Sälen präsentiert die Ausstellung im Unteren Belvedere Specials in den Nischenräumen. Darunter Arbeiten aus dem Theaterbereich sowie herausragende Grafiken etwa von Heorhij Narbut (1886-1920), der das politische Design der kurzlebigen und schließlich von den Bolschewiken zerstörten "Ukrainischen Volksrepublik" (1917-1921) entworfen hatte.

"In the Eye of the Storm" in Wien ist umfangreicher als die zwei ersten Varianten der Schau, die zuvor im Madrider Museo Thyssen-Bornemisza sowie im Museum Ludwig in Köln zu sehen gewesen waren. Angedacht war die Ausstellung schon länger, die Realisierung erfolgte im Herbst 2022 schließlich unter dramatischen Umständen. Die Direktorin des Nationalmuseums in Kiew, Julija Lytwynez, kann sich bestens erinnern: Man habe zunächst gedacht, die Werke an einem Montag abtransportieren zu lassen, erzählte sie der APA. "Doch Kiew wurde am Montag immer beschossen und so haben wir auf Dienstag verschoben. Doch auch an diesem Dienstag wurde geschossen, und das war sehr unangenehm. Beim Transport ist die Gefahr am größten", sagte Lytwynez. Als der Lastwagen es schließlich bis zur polnischen Grenze geschafft hatte, sei eine zudem eine russische Rakete auf dem Gebiet Polens explodiert und alles sei erneut aufgehalten worden. Unabhängig davon habe man die permanente Sorge, dass eine russische Rakete das im Regierungsviertel befindliche Museum einfach zerstören könnte. Das könnte in der Ukraine derzeit freilich jedem Haus passieren, sagte sie.

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