© Promo: Andi Peichl / events.at

Kabarett Wien

Andi Peichl: Höhen & Tiefen des ersten Kabarettprogramms

Er ist der Mann hinter der Kulisse, er ist Chauffeur, seelische Stütze, Regisseur, Klartext-Redner, Manager und Gag-Schreiber – das Phantom des Kabaretts, wenn man so will. Warum Andi Peichl nun selbst auf der Bühne steht und sein erstes Soloprogramm "Liebe. Ein Tobsuchtsanfall." präsentiert? Weil sein eigenes Leben mehr als genug hergibt, um rund zwei Stunden Entertainment zu garantieren. Am Dienstagabend ließ Peichl bei der Vorpremiere das Publikum des Niedermair an seiner Geschichte teilhaben.

Schockieren mit Mehrwert

Und obwohl sich der Steirer zu Recht auf die Fahne schreiben kann, bekannte Kabarett-Persönlichkeiten wie Thomas Stipisits oder Paul Pizzera entdeckt zu haben, ist es eben nicht nur das, was ihn ausmacht. Sein Programm ist gänzlich auf seine persönliche Erfahrungen abgestimmt und changiert zeitweise zwischen Wutrede und Eigenreklame.

Diese entgegengesetzten Pole der Wahrnehmung führt Peichl auf seine Bipolare Störung zurück. Seine Schilderungen über die extremen Höhenflüge der Manie und den “Marianengraben der Emotionen” in den depressiven Phasen sind nicht nur interessant, sondern auch berührend. Und natürlich bleibt auch der Schmäh nicht auf der Strecke: "In der Manie bügelst du deine ganze Wäsche, auch die, die schon seit Monaten gebügelt im Schrank liegt. Und die von deinen Nachbarn von der Wäscheleine – ungefragt."

Galgenhumor rund um Selbstmordgedanken: Auch das findet in seinem Programm Platz. Es geht Peichl dabei nicht ums reine Schockieren ohne Mehrwert. Vielmehr schildert er seine Sicht aufs Leben, das er trotz widriger Umstände in vollen Zügen genießt.

Einer gegen ... manche?

Diese ehrliche und ungefilterte Art, die so gut funktioniert, wenn es um seine Krankheit geht, stößt in anderen Szenen so manch eine Zuseherin, einen Zuseher vor den Kopf. Allzu stark scheint Peichl überzeugt von den eigenen Meinungen, wenn es um Themen wie Sport, Ernährung und Internetkonsum geht. Manche der zum Teil mit belehrendem Ton vorgetragenen Gags greifen dabei leider unter die Gürtellinie.

So bezeichnet Peichl etwa Menschen, die gerne mal auch vermeintlich seichte Videos auf Social Media posten als "Generation Arschloch". Vor zehn Jahren hätte dieser Spruch noch einen überschaubaren Teil der Gesellschaft gemeint (und wäre dann aber auch nicht gerade nett gewesen). Heute ist dieser Medienkonsum schon längst im Mainstream und bei allen Altersgruppen angekommen –  auch jenen, die den Großteil der Kleinkunst-Zielgruppe ausmachen.

Wer sich ins Kabarett setzt, nimmt in Kauf, selbst Ziel des ein oder anderen Gags zu sein. Wenn sich aber das Gefühl aufdrängt, dass man für ganz alltägliche Dinge (z.B. keine Lust auf Sport zu haben oder ungesunde Ernährung) zum Antagonisten / zur Antagonistin gemacht wird, dann hat man nicht viel zu lachen.

Fazit: "Liebe. Ein Tobsuchtsanfall." ist an sich ein stimmiges Kabarettprogramm mit Schmähs, Wortwitzen, musikalischen Einlagen und allem, was sonst dazugehört. Jedoch sollte das Publikum eine ähnliche Weltsicht wie der Performer haben, um gänzlich empfänglich für den Humor zu sein. 

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