Comedian Aurel Mertz kommt live nach Wien.

© Max Motel

Kabarett Wien

Aurel Mertz: "Ich liebe den österreichischen Humor"

Eigentlich wollte er ja Journalist werden, dafür zog es ihn sogar zum Publizistikstudium von Stuttgart für einige Zeit nach Wien. Doch der Humor ließ ihn dann doch nicht los. Aurel Mertz gehört aktuell zu den aufstrebenden Sternen am deutschsprachigen Comedy-Himmel.

2013 wurde er vom deutschen Showmaster Frank Elstner entdeckt und absolvierte dessen Masterclass. Mertz entwickelte zunächst seine erste eigene Late Night-Show "Boomarama", die von 2016 bis 2018 auf Tele5 zu sehen war und arbeitet seitdem unter anderem für Sender wie ProSieben und ZDFneo, erhält Engagements als Schauspieler für Film und TV, moderiert Awards und steht als Stand-up-Comedian auf den Bühnen. Vor allem in den sozialen Medien sorgt er mit seinem oftmals sozialkritischen Diskurs für Zündstoff, indem er seine Finger in die Wunden der Gesellschaft legt – stets jedoch mit satirischem Augenzwinkern.

Österreich-Premiere im Stadtsaal Wien

Am 18. Juni feierte Aurel Mertz mit seinem Bühnenprogramm "Flawless" im Wiener Stadtsaal Österreich-Premiere. In bekannter Manier sprach der Comedian über Themen, die ihn bewegen (und uns mehr bewegen sollten): Klimawandel, toxische Männlichkeit, Aliens (!), Dating-Leben – und natürlich auch die eine oder andere österreichische Besonderheit: "Das was bei euch in der Politik so abgeht, ist eigentlich nicht normal. Aber Hut ab, dass ihr das in Österreich alles durchhaltet!"

Auch vor einem Stand-Up-Teil scheute der 34-Jährige an dem Abend in Wien nicht zurück: Mit viel Augenzwinkern wurde mit dem Publikum interagiert, unter anderem wurde dabei die Anzeige der FPÖ gegen die aktuelle Safer-Sex-Kampagne des Gesundheitsministeriums durch den Kakao gezogen: "'Scharf auf Scissoring?', 'Bock auf Rimming?' – in Österreich schafft ihr es, sogar Sex uncool werden zu lassen!"  Auch verriet Mertz, was der bisher stärkste Shitstorm gegen ihn war – und nein, nicht nach seinem berüchtigten Video zu Racial-Profiling der Polizei, für das er vom deutschen Innenminister sogar als "staatszersetzend" bezeichnet wurde. Nein, Mertz habe eine noch viel empörtere Lobby gegen sich aufgebracht ...

Das Publikum bog sich durchgehend vor Lachen und antwortete mit lautem Jubel und Beifall. Es war der einzige Österreich-Termin auf seiner aktuellen Tour. Man darf auf ein baldiges Wiedersehen hoffen.

Aurel Mertz im Interview

Vor seinem Auftritt im Stadtsaal traf events.at den sympathischen Comedian zum Gespräch über die Schnelllebigkeit von Ruhm, den Umgang mit Hasskommentaren, seine Liebe zum Humor und zu Wien.

Warum heißt dein aktuelles Programm "flawless"?

Es geht darum, wie "unfehlerfrei" man ist, die Menschen aber immer die Erwartung zu haben scheinen, dass man perfekt sein soll. Das stelle ich überspitzt dar. Quasi in allen Hinsichten erwarten die Menschen von einem, dass man immer alles richtig macht. Aber oftmals ist es der Wille, der zählt, wenn man versucht, sein Bestes zu geben – aber das gelingt eben nicht immer. Daher steckt im Titel "Flawless" viel Selbstironie. Ich selbst bin definitiv nicht flawless – und die Geschichten, die ich in dem Programm wiedergebe, illustrieren das auch ganz gut (lacht).

Du widmest dich oft gesellschaftspolitischen Themen, aber "mit Augenzwinkern". Welche behandelst du in deinem Programm?

Der Klimawandel oder Männlichkeit sind etwa Themen, die besprochen werden. Das Schöne an so einem längeren Stand-Up-Programm ist, dass ich hier noch viel spezifischer und auch selbstironischer werden kann. Viel mehr noch, als im Fernsehen oder auf Twitter. Daher denke ich, dass für viele Leute etwas dabei ist, ohne, dass es ein rein gesellschaftspolitischer Abend wird. Ich werde nicht alle politischen Probleme sezieren, es kann durchaus auch um die kleinen Dinge des Alltags gehen – zum Beispiel um meine Katzen!

Wer ist deine Zielgruppe?

Schwierig zu sagen! Sie scheint aber relativ weiblich zu sein, es sind wesentlich mehr Frauen unter meinen Follower:innen. Es gibt natürlich immer Publikum, das sich mit deinen Themen vielleicht nicht ganz so identifizieren kann, das hängt ja auch davon ab, wie man sozialisiert wurde. Ich bin nicht sicher, ob das Programm den Senior:innen gefallen wird (lacht). Aber ich glaube, wenn man generell Gefallen an dieser Art von Humor findet, ist es egal, wie alt man ist oder welches Geschlecht man hat. Wieder das Schöne am Live-Stand-Up: Man kann dabei über viele Themen lachen, mit denen man sich sonst vielleicht nicht auseinandersetzen würde. Aber die Person auf der Bühne nimmt dich in diesem Moment einfach mit. Das ist das Tolle an Live-Publikum!

Wie gehst du mit Kritik und Hasskommentaren auf Social Media um?

Daran habe ich mich mittlerweile sehr gewöhnt. Am Anfang nimmt das einen noch sehr mit, man projiziert den ganzen Hass auf sich selbst. Doch irgendwann merkt man, dass die positiven Kommentare viel, viel mehr sind! Wir Menschen sind leider ein bisschen darauf trainiert, uns auf das Negative zu fokussieren. Aber mittlerweile kann ich gut umdenken und das Positive stärker sehen. Was nicht heißt, dass ich konstruktive Kritik nicht gerne annehme! Aber Hasskommentare sollte man versuchen, mit aller Kraft geistig auszublenden. Mal ehrlich: In welcher Situation befindet sich denn eine Person, die ins Internet geht und dort andere beleidigt? Da denke ich mir, die hat eigentlich ganz andere Probleme als mich.

Du wolltest laut eigenen Angaben Journalist werden, es wurde dann aber doch die Comedy. Warum?

Ich habe ja in Wien Publizistik studiert und hatte auch wirklich großen Spaß dabei. Aber die Comedy gibt mir einfach mehr Möglichkeiten, die vielen Dinge, die auf der Welt passieren, mit einem lustigen Twist direkt zu verarbeiten. Das hat sich als gutes Ventil für mich entpuppt. Da war die Liebe zur Comedy wohl größer als die Liebe zum seriösen Journalismus (lacht).

Das ist durchaus legitim. Wusstest du schon immer, dass du Menschen zum Lachen bringen möchtest?

Ich selbst lache gerne viel, ich stamme auch aus einer kreativen Familie, meine Mutter ist Künstlerin, mein Vater Graphiker. Sie hatten stets ein Gespür für humorvolles Timing, das hab ich mir ein bisschen abgeschaut. Natürlich ist da auch die Frage, ob man gerne im Mittelpunkt steht – und ja, das tue ich. Ich habe recht früh Gefallen daran gefunden, andere Leute zu unterhalten.

Wo ist für dich die Grenze des Humors?

Mit Sätzen wie beispielsweise "Satire darf alles" macht man es sich manchmal ein bisschen zu einfach. Es gibt meiner Meinung nach Themen, zu denen man keine Satire machen kann, denn wem hilfst du damit? Etwa bei Krieg, wenn Menschenleben verloren gehen … es gibt für mich keinen Comic Relief auf Tod und Zerstörung. Sehr wohl kann man sich aber über einen Putin lustig machen, wenn er sich mit J.K. Rowling vergleicht und sagt, er "wurde gecancelt". Da kann ich einen Anknüpfungspunkt anhand seines Männeregos finden!

Siehst du dich selbst als Aktivist?

Auf keinen Fall. Ich glaube nicht, dass du Comedian und Aktivist gleichzeitig sein kannst, das geht einfach nicht zusammen, auch wenn ich aktivistische Arbeit sehr schätze. Man sollte das Ganze ja immer von außen betrachten und dann mit Humor anknüpfen, auch wenn man eigenen Ansichten hat. Und natürlich kann man mit Reichweite einen gewissen Einfluss haben – aber am Ende des Tages bin ich Comedian. Ich kann als Privatperson bei den Fridays For Future-Protestmärschen mitlaufen, aber nicht als öffentliche Person.

Das deutsche GQ-Magazin bezeichnet dich als eine der "wichtigsten Stimmen der deutschen Comedy." Wie fühlst du dich, wenn du so etwas hörst?

Das ist nett, vielen Dank. (lacht) Man freut sich zwar kurz darüber, aber im Endeffekt ist es eh nur Schall und Rauch. Es macht einen nicht zum besseren Menschen, wenn man Lob bekommt. Wie man in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, verändert sich ja die ganze Zeit! Mal bist du "Everybody’s Darling", dann hassen dich wieder alle für zwei Wochen. Der Hype kommt immer wieder in Wellen, davon darf man sich nicht so verrückt machen lassen. Ich richte mich eher danach, ob Mama, Papa und meine Schwester mich noch cool finden.

Du wurdest in Stuttgart geboren, hast fürs Studium aber einige Jahre in Wien gelebt. Womit verbindest du Wien?

Wien ist ja eine unfassbare Stadt mit einem riesigen kulturellen Angebot. Was man da alles geboten bekommt, wenn man in dieser absurd schönen Stadt wohnt ... und trotzdem noch halbwegs faire Mietpreise hat, nicht wie in Paris zum Beispiel … das ist unglaublich. Und es war mich auch eine besondere Zeit des Erwachsenwerdens, weil ich ja direkt nach der Schule nach Wien gegangen bin. Das erste Mal weg von Zuhause, auf eigenen Beinen stehen … Wien verbinde ich sehr mit dieser "Erwachsen-werden-Epoche". Neulich war ich zum ersten Mal seit längerem wieder da, und es ist und bleibt einfach sehr schön. Ich habe zudem das Gefühl, die Leute sind netter geworden. Oder?

… Kommt darauf an.

Es war bei uns zumindest so, die Leute waren wirklich sehr freundlich alle. Und ich dachte mir: "Wenn die Menschen hier jetzt auch noch so nett sind, ist es ja wirklich die perfekte Stadt!"

Deine Lieblingsorte in dieser netten Stadt sind …?

Ich finde das MuseumsQuartier natürlich toll, wenn man sich da auf diesen Möbeln im Sommer schön grillen kann. Dann der Naschmarkt und natürlich das Strandbad Alte Donau. Das war früher eigentlich mein Lieblingsort hier.

Ist das österreichische Publikum anders als das deutsche?

Wenn man mal ein bisschen verallgemeinern darf, dann finde ich schon: Die Österreicher:innen haben echt geilen Humor! Ich mag diese dunkle Art von Humor, ich liebe zum Beispiel Wolf Haas und seine Krimis. Es gibt auch so viele TV-Krimis aus Österreich, die einfach wahnsinnig lustig sind. Ich muss gestehen, dass ich dabei weitaus mehr lache, als bei deutschen Filmen. Ich darf das ja fast nicht laut sagen, aber eigentlich glaube ich sogar, dass der österreichische Humor weitaus besser ist als der deutsche! ...

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