Florian Aigner und Martin Moder

© Martin Moder

Kabarett Wien

Sind wir "zu dumm, um die Welt zu retten"?

Es geht um viele große Wahrheiten und den großen Blödsinn, der damit zwangsläufig einhergeht: Physiker Florian Aigner und Molekularbiologe Martin Moder gehen in ihrem neuen Programm "Der Urknall war 1 Fehler" wissenschaftlichen Fragen auf humorvolle Weise nach: Sind wir Menschen tatsächlich zu dumm, um die Welt zu retten? Und wozu braucht es Wissenschaft, wenn so viele bequeme Wahrheiten im Internet zu finden sind?

Im Interview mit events.at sprachen die beiden Wissenschaftler über Methoden zum Schutz vor Verschwörungstheorien und Fake News, Potenzial und Risiken von KI, Vorurteile gegenüber Wissenschaft (und jenen Menschen, die sich ihr widmen) und darüber, wie man schwierige Inhalte so erklärt, dass wirklich alle sie verstehen. 

Martin Moder und Florian Aigner im Gespräch

Ihr begebt euch wieder wissenschaftlich-unterhaltsam auf die Bühne. Was sind die Eckpunkte eures neuen Programms?

Aigner: Es geht um die spannendsten Geschichten aus der Wissenschaft – gleichzeitig aber auch um Nicht-Wissenschaftliches, was aber oft als „wissenschaftlich“ verkauft wird: Esoterik, Fake News, Aberglaube, … Wir behandeln unter anderem dieses Spannungsfeld und wie man dazwischen unterscheidet. 

Wie packt man so viele Aspekte in ein rund zweistündiges Programm?

Moder: Ich glaub, die treibende Kraft dahinter ist, dass wir teilweise sehr frustriert sind. 

Warum?

Moder: Auf der einen Seite ist es sehr schön, sich mit Wissenschaft zu beschäftigen. Gleichzeitig ist es weniger schön, wenn man sich mit dem Stellenwert von Wissenschaft in der Gesellschaft auseinandersetzt. Auch das greifen wir im Programm auf, denn wenn man sich die Zahlen der Eurobarometer-Studien ansieht, hat man eigentlich gar keine Wahl, als so viel wie nur möglich über Wissenschaft zu reden. 

Aigner: Ich glaube schon, dass es in der Gesellschaft insgesamt ein großes Interesse an Wissenschaft gibt. Leute hören gerne Dinge aus der Wissenschaft, kaufen populärwissenschaftliche Bücher, folgen YouTube-Kanälen darüber … Die Begeisterung ist da! Gleichzeitig gibt es aber den Gegentrend von jenen, die sagen: „Ich lass mir von den Wissenschaftlern da oben nichts erzählen! Ich entscheide selbst, was die Wahrheit ist!“ Das fällt uns auch politisch manchmal auf den Kopf. 

Moder: Ebenfalls ein wichtiger Punkt: Wenn wir zwei oben auf der Bühne sitzen und über Wissenschaft sprechen, fühlen wir uns dabei unfassbar gscheit – das erlebt man im Alltag sonst eher selten (lacht)

Wie bereitet man komplizierte wissenschaftliche Themen leicht verständlich fürs Publikum auf?

Moder: Jeder, der länger in der Forschung ist, wird mit der Zeit mehr und mehr zum Fachidioten. Sprich es gibt ein immer kleiner werdendes Gebiet, auf dem man sich immer besser auskennt. Die große Kunst bei der Wissenschaftskommunikation ist es, die Dinge so sehr zu vereinfachen, dass sie gerade noch nicht falsch sind. Genau das versuchen wir.

Es gibt auch musikalische Teile in eurem Programm – wie hat sich das ergeben?

Aigner: Abwechslung ist etwas Gutes! Und auch wenn es nur dazu dient, dass die Leute entsetzt aus dem Saal laufen … so hat man auch einen Eindruck hinterlassen. 

Moder: Wir haben ein bisschen die Hoffnung, dass die Leute so den wissenschaftlichen Teil des Programms ein bisschen positiver in Erinnerung behalten. 

Stichwort "Internet-Expert:innen": Studien zeigen immer wieder, dass viele Menschen glauben, beispielsweise ihre Gesundheit besser einschätzen zu können als Ärzt:innen. Wie begegnet ihr dem "Online-Expert:innentum"?

Moder: Einerseits, indem wir uns unter diese Leute mischen, etwa mit einem YouTube-Kanal. Ich habe einfach die Hoffnung, dass meine Videos mehr geteilt werden … denn natürlich ist diese Entwicklung eine der großen Herausforderungen der heutigen Zeit. 

Aigner: Wie genau man dieses Problem lösen kann, weiß niemand. Hätten wir eine Antwort, wären wir wohl reich und berühmt. Es bleibt uns eh nix anderes übriges, als es zu versuchen und nicht nur wissenschaftliche Fakten in die Menge zu werfen, sondern auch darüber zu reden, was Wissenschaft eigentlich ist und unter welchen Voraussetzungen man sich auf wissenschaftliche Ergebnisse verlassen kann. Auch darauf legen wir im Programm viel Gewicht.

Moder: Am Ende des Tages ist das auch eine Forschungsfrage. Ich spreche auf der Bühne zum Beispiel über eine relativ neue Studie, wo versucht wurde zu vergleichen, welche Methoden zur Bekämpfung von Fake News und Verschwörungstheorien am effektivsten sind – mit dem Fazit, dass alles, was wir hierfür tun, nahezu wirkungslos ist. Es gibt jedoch einen Funken Hoffnung, aber da möchte ich jetzt nicht spoilern …

Was kann ich als Normalo tun, um solche Falschinformationen zu erkennen und mich davor zu schützen?

Moder: Es gibt keinen goldenen Weg, aber zumindest ein paar Daumenregeln. Wenn etwas zum Beispiel sehr emotional aufwühlend ist, ist das meist ein Hinweis darauf, dass es gut wäre, sich noch weiter zu informieren. 

Aigner: Wir alle kennen wohl diesen Reflex: Man liest etwas im Internet und denkt sich „Boah! Das wühlt mich jetzt so auf, das muss ich teilen!“ Wir Menschen können dieses Gefühl wahrscheinlich gar nicht verhindern. Wir können uns aber sehr wohl angewöhnen, erst mal zu überlegen und den Inhalt nicht sofort zu teilen. Das Thema einfach mal sickern zu lassen und sich zu fragen: „Kann das denn wirklich stimmen?“ Klingt banal, aber schon das kann helfen. 

Wenn ihr etwas mal nicht wisst – googelt ihr es nach?

Aigner: Natürlich! (lacht) Google ist nix Böses, auch wenn Hausärzt:innen immer verzweifeln, wenn Patient:innen zu ihnen kommen und sagen „Ich hab’s schon gegoogelt“. Das ist heute eben so, wir haben das Gesamtwissen der Menschheit im Computer oder Handy greifbar. Das ist ja etwas Gutes! Wir sollten nur nicht immer alles gleich glauben, was uns da entgegenspringt – und uns überlegen, wem wir vertrauen. Denn zu jeder beliebigen Meinung findet man im Internet garantiert jemanden, der sie vertritt. Das Sortieren in „vertrauenswürdig“ und „nicht vertrauenswürdig“ ist die große gemeinsame Aufgabe. 

Wie verortet ihr die Gewichtung von KI für die Zukunft? Klopft ein Matrix-Szenario bereits an die Tür?

Aigner: Meine Einstellung ist, dass wir schlichtweg nicht wissen, ob das gut oder schlecht endet. Und da ich es eh nicht beeinflussen kann, bleibe ich im Zweifelsfall lieber optimistisch. Ich glaube, wir werden eine Art KI-Wettrüsten erleben: Sie wird natürlich auch zum tollen Instrument, um Nachrichten zu fälschen, die perfekt und zuverlässig aussehen. Aber KI wird auch dabei helfen, Wahres von Falschem zu unterscheiden. Es stellt sich die Frage: Was geht schneller, welche Seite wird sich durchsetzen? 

Moder: Ich bin eher auf der pessimistischen Seite – ist als geborener Wiener wohl mein Naturell. Ich sehe auch viel Potenzial in der Bekämpfung von Fake News, jedoch macht mir die gesellschaftliche Entwicklung Sorgen. Denn bisher war es in der Geschichte so, dass technische Innovationen eher jene Jobs haben wegfallen lassen, die tendenziell weniger gute Ausbildungen brauchen. KI aber ist eine Innovation, die gerade Jobs von sehr gut ausgebildeten Leuten gefährdet. Jurist:innen, medizinische Diagnostik, Journalist:innen, … ich habe keine Ahnung, wie eine Gesellschaft reagiert, wenn die am besten ausgebildeten Leute auf einmal merken, dass man nur noch ein Zehntel von ihnen braucht. 

Was ist euer Fazit? Sind wir tatsächlich "zu dumm, um die Welt zu retten"?

Aigner: Der einzelne Mensch garantiert, denn er ist eigentlich ein Volltrottel. Die Menschheitsgeschichte zeigt: Unsere einzige Chance, irgendetwas zu erreichen, ist die Kooperation. Die Menschheit insgesamt hat unglaubliche Leistungen vollbracht – nichts davon hat jedoch eine Einzelperson erreicht. Das ist insofern interessant, weil es dem Klischeebild der Wissenschaft widerspricht. Viele Leute glauben immer noch, Wissenschaft würden nur alte, weise Männer hoch oben in ihrem Turmzimmern machen. Das ist Blödsinn. Fast alles an wertvollem Wissen, das wir heute haben, hat die Menschheit als Kollektiv hervorgebracht. 

Du hast es gerade selbst angesprochen: In der öffentlichen Wahrnehmung kursieren noch so manche Vorurteile rund um Personen aus der Wissenschaft. Was sind eure liebsten?

(beide überlegen lange)

Aigner zu Moder: Kriegen wir solche Klischees überhaupt noch mit?

Moder zu Aigner: Ich bin mir nicht sicher, wir sehen das nur selten von außen. 

Aigner: Es gibt natürlich das Klischeebild des sozial inkompetenten Wissenschaftlers, Marke "Big Bang Theory". Das finde ich aber weder besonders hilfreich noch besonders lustig.

Moder (wirft ein):  … Vielleicht ist der Prozentsatz solcher Leute geringfügig höher in der Wissenschaft, in Relation zur Gesamtbevölkerung ...

Aigner (lacht): Okay, es gibt komische Leute in der Wissenschaft, das ist korrekt. Aber die gibt es schließlich überall.

Was macht euch am meisten Spaß daran, Wissenschaft auf der Bühne zu erklären?

Moder: Das Schöne am Bühnenprogramm über Wissenschaft ist, dass man sich den Inhalt nicht selbst ausdenken muss! Die Arbeit haben andere schon gemacht, man pickt sich einfach die Rosinen heraus und kassiert die Lorbeeren dafür (lacht). Und es ist unfassbar befriedigend, wenn man von etwas erzählt, dass einen selbst interessiert, und dann merkt, dass die Zuhörenden das auf einmal auch spannend finden. Idealerweise kann man die Leute dabei sogar zum Lachen bringen. Es sind also viele positive Emotionen, die da potenziell auf uns warten. 

Aigner: Es gibt den alten Spruch: "Man hat erst dann etwas wirklich verstanden, wenn man es anderen erklären kann." Und wenn man es auf einer Bühne erklärt und dann sofort Reaktionen bekommt, ist es natürlich besonders schön.

Martin Moder und Florian Aigner feiern mit "Der Urknall war 1 Fehler" am 21. Jänner Premiere im Wiener Stadtsaal  - alle Termine im Überblick.

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