Rapper mit Mikrofon

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Kunstfreiheit? Strafrelevanz bei Gangsta-Rap

Deutschsprachiger Gangsta-Rap erfreut sich vor allem bei jungem Publikum großer Beliebtheit. Dabei werden die meist derben und oft sexistischen Texte unreflektiert konsumiert. Die Grazer Juristin Antonia Bruneder hat sich in ihrem Buch "Kunstfreiheit und Gangsta-Rap" mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit das gesetzlich verankerte Grundrecht auf Kunstfreiheit dieses Genre schützt und ihm jede Freiheit der Äußerung gewährt.

Auslöser für die Beschäftigung mit diesem Thema war für die Autorin die Kampagne #unhatewomen der Organisation "Terre des Femmes" vor rund drei Jahren, bei der Zitate aus Songs erfolgreicher deutschsprachiger Rapper abgedruckt wurden. Die Zitate waren "im extremen Maß frauenverachtend" befand Bruneder und führte aus: "Diese Kampagne war der Anstoß, mich auch aus rechtlicher Perspektive mit dem Thema Gangsta-Rap auseinanderzusetzen. Zunächst ging es mir um die Frage, warum Inhalte, nur weil sie mit Musik unterlegt werden, eine höhere Legitimation aufweisen. Daraus entwickelten sich zahlreiche weitere rechtliche Fragestellungen und unterschiedliche Sichtweisen, die in dem Buch verarbeitet wurden."

Triggerwarnung: Im folgenden Video der Organisation "Terre des Femmes" werden bewusst sehr explizite Textzeilen aus Rap-Songs vorgelesen. 

Rechtswissenschaftliche Perspektive auf Gangsta-Rap

Der Gangsta-Rap zählt zu einer Untergruppe der Popmusik, die Teil der Hip-Hop-Kultur ist. Den Ausgang nahm das Genre in den 70er-Jahren auf den Straßen im New Yorker Ghetto. Gangsta-Rap ist seit den 1990er-Jahren auch im deutschsprachigen Raum etabliert, mittlerweile salonfähig geworden und führend in den Charts vertreten. Wenn kaum zitierbare Aussagen ("Ich b... dich in die Klinik", Kool Savas) als Kunst verstanden werden müssen und damit durch die Kunstfreiheit geschützt sind, stellt sich die Frage, ob durch die Verankerung der Kunstfreiheit nicht auch ein Ausnahmestatus in der Verfassung verankert ist, der gesellschaftlich eigentlich nicht tolerierbar sein kann, führte die Juristin aus.

Erstmals wurde nun in diesem Buch aus rechtswissenschaftlicher Perspektive das Genre Gangsta-Rap anhand des Grundrechts auf Kunstfreiheit untersucht. Bis dahin wurden der Kunstbegriff sowie Fragen rund um die Grenzen der Kunstfreiheit rechtlich kaum anhand von Beispielen aus der Popularmusik beleuchtet. Vor dem Hintergrund zahlreicher gewaltverherrlichender, frauenfeindlicher, antisemitischer Texte wird die Frage behandelt, ob tatsächlich jede Äußerung, die musikalisch unterlegt wird oder jede Performance als Kunst im verfassungsrechtlichen Sinn angesehen werden kann.

Risiko der verstärkten "Street Credibility"

Bruneder geht auch auf die Problematik der gerichtlichen Praxis ein. "So muss ein Einzelrichter im Gerichtsverfahren über Kunst oder Nichtkunst bestimmen und diese auch in ihrem Ausmaß bewerten. Derzeit wird der Kunstbegriff durch die Justiz nicht in seiner vollen Konsequenz auf den deutschsprachigen Gangsta-Rap angewendet", ist sie überzeugt. In den Beispielen im Buch wird aufgezeigt, dass der Kunstbegriff häufig nicht qualitätsunabhängig erarbeitet oder abseits der gängigen Werkgattungen (Musik, Literatur, Theater) nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Darüber hinaus lässt sich im Genre Gangsta-Rap ein gesellschaftliches Phänomen beobachten, das auch Auswirkungen auf das Rechtssystem hat. In dem Buch wird zudem aufgezeigt, wie die Justiz bewusst in die künstlerische Performance von Gangsta-Rappern eingebunden und instrumentalisiert wird, um dem Genre zu entsprechen. Durch die Einbindung der Justiz erschafft der Gangsta-Rapper sogenannte "Street Credibility", also Glaubwürdigkeit. Selten kann er sich so "authentisch" präsentieren. Durch echte Strafzettel und Gerichtsverfahren wird der Gangsta-Rapper durch die Justiz in seiner Konstruktion von Authentizität und Realität gestützt. Dies wird etwa am Beispiel des Gangsta-Rappers "Gzuz" deutlich, der sein Gerichtsverfahren auf Social Media teilte und später in seine musikalische Performance integrierte. Heute verkauft er in seinem Webshop T-Shirts, auf denen beispielsweise sein Haftbefehl abgedruckt ist, wie im Buch ausgeführt wird.

© Verlag Österreich

"Das Buch soll vor allem in der Rechtspraxis und in den Rechtswissenschaften ein Bewusstsein für das Genre und die rechtlichen Auswirkungen schaffen, die bei einer konsequenten Anwendung der derzeitigen Rechtslage zur Anwendung gelangen. Der Staat hat sich 1982 entschieden, Kunst in einem hohen Ausmaß zu schützen. Dies beinhaltet aber nach derzeitiger Rechtslage auch den gesamten Bereich der Popularmusik", betont Bruneder.

"Kunstfreiheit und Gangsta-Rap - Eine Analyse des Grundrechts auf Kunstfreiheit am Beispiel des deutschsprachigen Gangsta-Rap" von Antonia Bruneder. Verlag Österreich, 236 Seiten, 54 Euro. Hier geht es zur Leseprobe.

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