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Konzerte

Indie-Band Speedy Ortiz gastierte im Flucc

In kurzer Zeit so viele Ideen wie möglich unterbringen: So könnte man den Sound der US-Rockband Speedy Ortiz wohl am besten beschreiben. Und dennoch lassen die komplex konstruierten Songs der Gruppe um Sängerin und Gitarristin Sadie Dupuis nichts an Eingängigkeit vermissen, wie auch ihre Show am Mittwochabend im Wiener Flucc bewies. Es war nach zehn Jahren erst ihr zweiter Abstecher nach Österreich, und das Warten hat sich mehr als ausgezahlt.

Europatrip

Viel ist passiert in dieser Zeit: Nicht nur gibt es neue Bandmitglieder, auch drei Studioplatten von Speedy Ortiz - benannt nach einer Comicfigur - sind seitdem erschienen. Grund für den aktuellen Europatrip ist "Rabbit Rabbit" aus dem Vorjahr, auf dem nicht nur alten Musikhelden gehuldigt wird (bei gleichzeitiger durchaus kritischer Betrachtung), sondern Dupuis auch einige schmerzliche Kindheitserinnerungen aufarbeitet. Sie habe gerade während Corona viel über diese Zeit nachgedacht, unterstrich sie im APA-Interview.

Was ebenfalls sofort auffällt, ist die sozialpolitische Ader der Band, wie nicht nur der energetische Song "Scabs" untermauerte. "Wir haben alle einen gewissen DIY- und Punk-Hintergrund, was sicherlich eine Rolle spielt", meinte Bassistin Audrey Zee Whitesides auf ihr Engagement für Arbeiterrechte in ihrer Heimat Philadelphia angesprochen. "Da gibt es einfach diesen Ethos, Leuten zu helfen und sie zusammenzuführen. Wer kreativ sein will, sollte das auch tun können. Wir wollen Menschen aber nicht nur in der Kunst bestärken, sondern das natürlich für alle Aspekte ihres Lebens."

Politische Indie-Szene

Dupuis hat ohnedies den Eindruck, dass gerade die Indie-Szene wieder politischer geworden ist. "Beispielsweise was das Showcase-Festival South by Southwest betrifft: Immer mehr Bands wollen dort aufgrund der Verbindungen zum US-Militär nicht auftreten. Das war nicht immer so. Vor einigen Jahren hat die CIA eine Bühne gesponsert, und niemand hat eine Augenbraue gehoben. Heutzutage ist die Solidarität unter den Musikern aber stärker geworden." Immerhin müsse man es sich auch leisten können, auf solche Auftritte zu verzichten.

Mit ihrem sympathischen Understatement und der sehr druckvollen Darbietung sind Speedy Ortiz als Role Models jedenfalls gut geeignet. Im Flucc ließen sie wenige Wünsche offen, pflügten sich durch ein dichtes Set aus Klassikern wie dem mitreißenden "Plough" oder neueren Songs. Immer wieder umkreisten sich die Gitarrenlinien von Dupuis und ihrem Kollegen Andy Molholt, brachen schräge Einsprengsel und wilde Riffs den Fluss, nur um im nächsten Moment, angetrieben von Whitesides und Drummer Joey Doubek, in einen großen Refrain zu müden. Wobei diese Songs mit so vielen Widerhaken ausgestattet sind, dass man sich nie sicher fühlen kann.

Von Studios und Coffeeshops

Gerade die neueren Stücke offenbarten einen recht rauen Touch, der nicht von ungefähr an weite Landschaften denken ließ. Immerhin wurde "Rabbit Rabbit" zum Teil in David Catchings Wüstenstudio Rancho de la Luna eingespielt, wo etwa auch Mark Lanegan Alben aufgenommen hat oder die Desert Sessions aus dem Umfeld der Queens of the Stone Age stattgefunden haben. Der Ort habe einfach Charakter. "Mit den Studios ist es ja wie mit skandinavischen Coffeeshops", meinte Doubek. "Die gibt es überall auf der Welt, überall sind sie clean und funktionell. Diese Ranch hatte auch tolle Sachen, war letztlich aber einfach ein Haus. Wir ließen die Fenster offen, der Wind kam rein - da fühlst du dich sofort angekommen."

Die Europatour neigt sich für Speedy Ortiz jedenfalls schön langsam dem Ende zu, fünf Gigs stehen noch auf dem Plan. Neben den Konzerten werde natürlich auch das Drumherum noch nachwirken, lange Spaziergänge, Museumsbesuche oder etwa die Fahrt mit dem Riesenrad in Wien. "Diese Erinnerungen sind natürlich inspirierend und bleiben dir. Es wirkt aber nicht sofort", meinte Molholt. "Es ist wie bei einer Pflanze, die ständig Licht bekommt: Nimmst du dieses Licht weg, dann wächst sie plötzlich schneller. So ist es auch damit. Wir brauchen Zeit, um alles reflektieren und verarbeiten zu können." Bleibt zu hoffen, dass der nächste Österreichbesuch nicht wieder zehn Jahre auf sich warten lässt.

(Von Christoph Griessner/APA)

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